Affäre um Bundesanwalt Lauber:Lügen, tricksen, zurücktreten

Affäre um Bundesanwalt Lauber: Konnte seine Erinnerungslücken nie schlüssig erklären: Bundesanwalt Michael Lauber.

Konnte seine Erinnerungslücken nie schlüssig erklären: Bundesanwalt Michael Lauber.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Die Schweizer Justizkrise erreicht ihren vorläufigen Höhepunkt: Bundesanwalt Lauber bietet seinen Rückzug an - das bringt auch Fifa-Präsident Infantino in schwere Nöte.

Von Thomas Kistner

Es ist der vorläufige Gipfel einer Schweizer Justizkrise: Am Freitag bot Bundesanwalt Michael Lauber seinen Rücktritt an. Damit reagierte der nationale Chefankläger auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen. Das befand nun, dass Lauber bei Befragungen durch sein Aufsichtsorgan AB-BA "vorsätzlich die Unwahrheit sagte und das dritte Treffen mit Fifa-Präsident Infantino bewusst verschwieg. Es bestätigt somit die schwere Verletzung seiner Amts- und Treuepflicht in diesem Punkt". Damit wird auch für Infantino die Luft dünn.

Lügen, tricksen, verschweigen: Zunächst hatte die Justizaufsicht über die Berner Bundesanwaltschaft (BA), der Lauber seit 2012 vorstand, dem Chefankläger per Disziplinarverfahren attestiert, dass er bei mehreren stillen Treffen mit Gianni Infantino, dem Chef des Fußball-Weltverbandes Fifa, gegen seine Amtspflichten verstoßen habe. Lauber wurde deshalb sanktioniert, dagegen ging er beim Verwaltungsgericht vor. Und das machte ihm jetzt nur marginale Zugeständnisse: Die von der AB-BA verfügte einjährige Lohnkürzung von acht Prozent wurde auf fünf Prozent abgemildert.

Und sonst? Laubers BA führt seit 2015 Strafermittlungen zu Korruptionsaffären rund um die Fifa, zwei Dutzend Verfahren sind in Bern anhängig. Von einem Teil dieser Verfahren der eigenen Behörde war Lauber bereits suspendiert worden. Die Frage zu den Inhalten seiner Treffen mit Infantino hatten auch den (im April geplatzten) Strafprozess zu mysteriösen Millionentransfers rund um die WM 2006 in Deutschland massiv gefährdet.

Nur ein letzter juristischer Schritt trennt Infantino noch vom Thronsturz

Keines der mindestens drei Geheimtreffen mit Infantino, abgehalten stets außerhalb der Berner Amtsstuben, hatte Lauber protokolliert. Mindestens zweimal saß sogar Infantinos privater Justizvermittler Rinaldo Arnold am Tisch. Ein zweistündiges Meeting, am 16. Juni 2017 im Berner Hotel Schweizerhof, wollen alle mindestens vier Beteiligten ganz vergessen haben. Kollektive Teilamnesie? Diese Behauptungen hielten schon die AB-BA-Ermittler für absurd. Nun erklärt das Bundesverwaltungsgericht den originellen Gedächtnisschwund zur "vorsätzlichen Unwahrheit".

Darauf nahm Lauber in seiner Rücktrittserklärung Bezug: "Die Unterstellung der Lüge weise ich nach wie vor in aller Form zurück. Wenn man mir jedoch als Bundesanwalt nicht glaubt, dann schadet dies der Bundesanwaltschaft."

Sein Rückzug sorgt in weiten Justizkreisen für Erleichterung, ob all der Fifa-Eskapaden stand er vor einem Amtsenthebungsverfahren. Für Infantino dürfte das Urteil aber eine Hiobsbotschaft sein: Der Vorhalt des Bundesurteils an Lauber, bei juristischen Ermittlungen "bewusst die Unwahrheit" gesagt zu haben, trifft auch ihn.

Auch er mag sich ja nicht an das Treffen erinnern. Das ist heikel. Seit kurzem prüft ein Sonderstaatsanwalt in Obwalden, Stefan Keller, Strafanzeigen gegen Lauber, Infantino und dessen Justizhelfer Arnold, einen Walliser Staatsanwalt. Es geht um schwere Amtsgeheimnisverletzung und Anstiftung dazu. Gut belegt ist, dass Infantino bei den Geheimtreffen in eigener Sache Druck machen wollte: Konkret etwa in Hinblick auf ein Verfahren, das Laubers Strafbehörde im April 2016 nach einer Durchsuchung an Infantinos früherem Arbeitsplatz beim europäischen Verband, der Uefa, in Nyon eröffnet hatte. Es ging um einen TV-Vertrag mit korrupten argentinischen Rechtehändlern, die in den Fifa-Prozessen der US-Justiz angeklagt sind. Das dubiose Papier trug die Unterschrift des damaligen Uefa-Direktors: Gianni Infantino. Trotzdem ermittelte Laubers BA nur "gegen Unbekannt", der Fall wurde später geräuschlos eingestellt.

Wird gegen Infantino ein Verfahren eröffnet, muss das Fifa-Ethikkomitee ihn suspendieren

Dabei zeigen Mails, dass Infantino über seinen Freund Arnold auf Treffen mit Lauber drängte - nicht, um "Einordnungsfragen" zum Fifa-Komplex zu erörtern, wie behauptet, sondern um dem Chefankläger seine ganz persönliche Situation darzulegen. Im April 2016, kurz vor dem zweiten Meeting mit Lauber, schrieb Infantino an Arnold: "Ich werde versuchen, es der Bundesanwaltschaft zu erklären, da es ja auch in meinem Interesse ist, dass alles so schnell wie möglich geklärt wird, dass klar gesagt wird, dass ich damit nichts zu tun habe." Um dieses Treffen nicht zu verpassen, hatte sich Infantino sogar den Privatjet des Emirs von Katar geborgt.

Wie groß die Sorge war, in den Fokus der BA-Ermittlung zu geraten, zeigt auch eine Mail Arnolds an Infantino: "Wichtig ist nun die Sitzung in zwei Wochen. Wenn du willst, kann ich dich wiederum begleiten." Das zeigt, was die Beteiligten abstreiten: Dass Infantino Treffen mit der BA einfädeln ließ, bei denen es (auch) um persönliche Interessen gehen sollte. Sonderermittler Keller liegt nun auch das höchstinstanzliche Urteil aus St. Gallen vor. Darin heißt es, es sei "unglaubhaft", dass sich Lauber und Co. an ein Treffen nicht erinnern, die "angeführten Gründe überzeugen nicht". Dass gleich vier Personen einer Art Schwarm-Demenz unterliegen könnten, "ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung als abwegig anzusehen und lässt auf eine Absprache schließen".

Was ist also zu verbergen? Der Ball liegt nun bei Keller, er muss über eine Strafermittlung befinden. Nur dieser Schritt trennt Infantino noch vom Thronsturz: Wird ein Verfahren eröffnet, muss ihn das Fifa-Ethikkomitee suspendieren. So erging es Amtsvorgänger Sepp Blatter und auch Infantinos früherem Chef bei der Uefa, Michel Platini. Eine Sperre könnte zudem in ein weiteres Ethikverfahren münden, zu einer nach Aktenlage mit einer Lüge gerechtfertigten Dienstreise per Privatjet. Dass der Fifa-Boss nun zum zweiten Mal der Unaufrichtigkeit bezichtigt wird, diesmal von einem Bundesgericht, könnte sich womöglich bald zur Fifa-Ethikchefin im fernen Kolumbien, Claudia Rojas, herumsprechen.

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