Fifa-Krise:So dreist ist der Fußball

Der Weltfußballverband und sein Boss geben vor der Wiederwahl Blatters ein unbeschreibliches Bild ab. Kaltschnäuzig ignoriert der Schweizer jeden fragwürdigen Vorgang. Dass der DFB und sein Präsident Theo Zwanziger einem Mann die Steigbügel halten, der sein selbstkreiertes Chaos weiter verwalten will, ist beschämend.

Thomas Kistner

Der Spruch des Sportjahres 2011, das lässt sich schon heute behaupten, stammt von Sepp Blatter. "Die Fifa hat keine Krise!", sagte der Präsident am Montag. Die paar Problemchen, verursacht von irgendwelchen "Teufelchen", kläre man in der Familie.

Zwanziger kandidiert fuer FIFA-Exekutivkomitee

Theo Zwanziger kandidiert für das FIFA-Exekutivkomitee, Sepp Blatter um eine weitere Amtszeit als Präsident.

(Foto: dapd)

Als er dann alle Fragen zu seinem Millionen-Geschenk inmitten des Präsidentschafts-Wahlkampfes an den Nord- und Mittelamerika-Verband Concacaf umkurvt und zum Abschluss des einstudierten Solo-Auftritts das blaue Heft mit dem Fifa-Ethikcode in die Kameras hielt, kam es zu lauten Medien-Protesten. Blatter rief noch ein paar Mal "Respekt", dann floh er von der eigenen Bühne.

Die Weltfußballverband und sein Boss geben vor der an diesem Mittwoch in Zürich zu vollziehenden Wiederwahl ein unbeschreibliches Bild ab. Kaltschnäuzig ignoriert Blatter jeden fragwürdigen Vorgang.

Auch den Mailverkehr seines Generalsekretärs Jerome Valcke, der ein rechtliches Nachspiel haben könnte: Valcke bezichtigte Katar, die WM 2022 gekauft zu haben; überdies gerierte sich der oberste Hauptamtliche der Fifa als Wahlkampfhelfer Blatters und forderte gar die Concacaf auf, ein offizielles Bekenntnis für den Amtsinhaber abzulegen.

Blatter schweigt dazu - und seine Ethikkommission, das einzige sogenannte Kontrollorgan, hat er eisern im Griff. Zeugen berichten, er habe sich bei seinem eigenen Verfahren am Sonntag sogar an den Tisch der Kommissionäre setzen wollen.

Vielleicht begreift der 75-Jährige ja wirklich nicht mehr, was in und mit seiner Fifa passiert. In Zürich jagt eine Intrige die nächste, Fifa-Vorständler und Medienscharen pendeln von einem konspirativen Treff zum anderen. Selbst die duldsamsten Sponsoren, Premiumpartner wie Adidas und Coca-Cola, hadern öffentlich mit der desaströsen Selbstdarstellung.

Und Blatter? Der ruft, zur Schieflage befragt, das Champions-League-Finale vom vergangenen Samstag in Erinnerung: "So toll ist der Fußball!" Und so dreist.

Blatter geht es nur ums Durchhalten. Ein paar Verbände sind aus Protest abgereist, aber das Gros seiner Fußballfamilie wird ihn wieder ins Amt hieven. Dabei ist längst nicht mehr die Frage, ob sich Blatter persönlich etwas zuschulden kommen ließ. Er ist der politisch Hauptverantwortliche am Fifa-Desaster. Punkt. Er hat die Konsequenz zu ziehen und das ramponierte Amt abzugeben.

Stattdessen lässt er sich von seinen Claqueuren in die vierte Amtszeit komplimentieren. Das zeigt das eigentliche Problem dieser Weltsport-Krise: Neben Guinea, Vanuatu und Togo stützen eben auch Verbände wie der mächtige Deutsche Fußball-Bund Blatter kompromisslos.

Das System Fifa braucht gerade jetzt treue Funktionäre wie Theo Zwanziger, der am Mittwoch ins exklusive Exekutiv-Komitee einziehen wird. Der DFB-Chef schaffte es bis zuletzt, Trennlinien zwischen einer heillos verlotterten Fifa und der zentralen Verantwortlichkeit des Mannes zu konstruieren, der die Fifa seit 36Jahren regiert und mitregiert hat.

Dass der DFB einem Mann die Steigbügel hält, der sein selbstkreiertes Chaos bis ins achtzigste Lebensjahr verwalten will, ist beschämend. Ein vorausschauender Verband sollte an Englands Seite für die Verschiebung einer Wahl eintreten, über die längst die ganze Welt lacht.

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