Fifa:Krachende Pilgerreisen nach Mekka

FIFA-Vize und Afrikas Verbandschef Ahmad

Fifa-Präsident Gianni Infantino verliert seinen Gefolgsmann Ahmad Ahmad: Der Fifa-Vize wird für fünf Jahre gesperrt.

(Foto: Omar Zoheiry/dpa)

Der umstrittene Fifa-Vize Ahmad Ahmad ist mit einer vom Weltverband verhängten Fünf-Jahres-Sperre auffallend gut bedient - in Afrikas Fußball versickerten unter seiner Führung Millionen.

Von Thomas Kistner

Beim Fifa-Wahlkongress in Paris, Anfang Juni 2019, hatte Gianni Infantino einen echten Schenkelklopfer parat. Der Fußball-Weltverband, erzählte dessen Präsident, habe sich unter ihm aus der kriminellen Vergangenheit gelöst und in einen Musterfall für Ethik und Geschäftsintegrität verwandelt. "Niemand spricht heute mehr über Skandale oder Korruption!", rief Infantino. Und während der Applaus der Funktionärswelt durch die Messehalle brauste, bereiteten ganz in der Nähe die Beamten des Pariser Zentralbüros für Korruption (Oclif) den nächsten Zugriff auf der Fifa-Chefetage vor. Im Visier hatten sie Infantinos Getreuesten. Ahmad Ahmad, den Boss des Afrika-Verbandes Caf.

Am Morgen darauf nahmen sie den Madagassen im Fifa-Hotel fest, es folgte ein ganztägiges Verhör. Die Ermittler spürten Ahmads Rolle bei einem teuren Deal mit einer Ausrüsterfirma nach, die mit einem Freund von ihm verbandelt war. Jetzt sorgte dieses Geschäft, neben vielen anderen finanziellen Ungereimtheiten, dafür, dass das Fifa-Ethikkomitee den Caf-Präsidenten für fünf Jahre sperren musste; zuzüglich einer Geldstrafe von 200 000 Franken. Ahmad, teilt die Fifa am Montag mit, habe "Loyalitätspflichten verletzt, Geschenke und sonstige Vorteile angeboten, Gelder veruntreut und seine Stellung als Caf-Chef missbraucht".

Seit der Pariser Polizeiaktion suchte Infantino Distanz zu seinem Afrika-Statthalter. Zwar hatte Ahmad schon vor Infantinos Amtsantritt 2016 Ethik-Ermittlungen am Hals, aber als Stimmbeschaffer auf dem Kontinent war er ziemlich hilfreich. Überdies führte er Infantino damals eine gute Freundin zu, mit der er als Fischereiminister Madagaskars beste Erfahrungen gemacht hatte: Fatma Samoura, Mitarbeiterin im UN-Hilfsprogramm.

Die Senegalesin hatte rein gar nichts mit Fußball am Hut; womöglich führte genau das zum Karrieresprung der UN-Mitarbeiterin ins mit einem Millionensalär dotierte Chefbüro des Weltfußballs: Infantino machte sie zur Generalsekretärin. Und Monate später kam in Afrika auch der Dritte im Bunde ans Ziel. Mit diskreter Wahlhilfe der neuen Fifa-Spitze löste Ahmad den langjährigen Caf-Präsidenten Issa Hayatou ab.

Ahmads Regime führte den Kontinent in die Spaltung. Manche absurde Entscheidung wie die Kündigung eines bis 2024 laufenden TV-Vertrages mit dem Pariser Rechtekonzern Lagardère im Herbst 2019 fand offenbar den Segen der Fifa. Lagardère erwog Klage, am schwersten aber hat sich damit wohl der Caf selbst geschadet: Es findet sich partout kein Interessent, der die entstandene Milliardenlücke schließen will.

Nach Ahmads Festnahme am Rande der Frauen-WM 2019 und angesichts immer mehr Anzeigen von Caf-Mitarbeitern wurde der Fifa-Spitze klar, dass es mit diesem Kameraden nicht weitergehen konnte - aber einfach fallen lassen konnte sie Ahmad offenbar auch nicht. Sie verfiel auf eine abenteuerliche Idee. Im August 2019 setzte die Fifa in Abstimmung mit Ahmad dessen alte Bekannte Samoura als faktische Chefin über den chaotischen Caf ein.

Die Fifa-Generalsekretärin musste sogar in die Caf-Zentrale nach Kairo umsiedeln. Kritiker geißelten dies als postkolonialen Akt; nach Ablauf des sechsmonatigen Intermezzos wurden die Fifa-Konquistadoren mit klaren Worten vor die Tür gesetzt.

Infantino hat für Ahmad schon einen Nachfolger im Blick

Aber nun lag neben den Ermittlungen gegen Ahmad und der mysteriösen Lagardère-Vertragsaffäre auch ein vernichtender Report auf dem Tisch. Die Wirtschaftsprüfer von PwC enthüllten, wie unter Ahmad zwischen 2017 und 2019 rund 24 Millionen Dollar in dunklen Kanälen versickert sein sollen. In jenem Zeitraum habe die Fifa 51 Millionen Dollar an den Caf überwiesen, 24 Millionen davon seien an Funktionäre ausgereicht worden. Unklar ist der Verbleib von Entwicklungsgeldern in Millionenhöhe, es gibt seltsame Zahlungen auf Privatkonten von Verbandsbossen und absurde Ausgaben für Geschenke und Reisen. Richtig krachen ließen es Ahmad und Kollegen insbesondere bei einer luxuriösen Pilgerreise nach Mekka.

Erkenntnisse lieferte der PwC-Report auch zu Ahmads Ausrüster-Deal mit der französischen Firma Tactical Steel, der die Pariser Strafermittler aktiviert hatte. Demnach gebe es zum Verbleib von sechs Millionen Dollar nur Mails zwischen Ahmads Büro und Tactical Steele. Sollte sich erhärten, dass in Ahmads Caf Millionen versickerten - in Funktionärstaschen, für Reisen, Hochzeiten, Begräbnisse -, wäre erneut die US-Justiz gefragt.

Die war schon 2015 in Zürich eingerückt und hatte hohe Funktionäre festgesetzt; viele wurden später in New York verurteilt. Auch hier ging es um Misswirtschaft, allerdings im Verband Lateinamerikas. Das juristische Beben fegte die alte Fifa-Spitze um Infantinos Vorgänger Sepp Blatter hinweg.

Nun könnte die mysteriöse Kündigung des Lagardère-Deals die Justiz erneut auf den Plan rufen; seit Kurzem befragen sogar die Fifa-Ethiker Ahmad und dessen Caf-Stellvertreter Constant Omari zu Hintergründen, Sublizenzierungen und Schattenfirmen bei den Caf-TV-Geschäften. Der Kongolese Omari, wie Ahmad Mitglied im Fifa-Rat, war 2019 in seiner Heimat wegen Korruptionsverdachts vorübergehend festgenommen worden.

Er und weitere Funktionäre sollen Staatsgelder veruntreut haben. Es braucht also neue Gesichter für die Caf-Präsidentenwahl im März, und Infantino, heißt es in Afrika,soll schon einen neuen Favoriten gefunden haben: Ahmed Yahya aus Mauretanien. Dass auch der auf Ahmads Mekka-Pilgerliste steht, hat seine Caf-Kandidatur nicht verhindern können.

Und Ahmad? Mit nur fünf Jahren Sperre ist er auffallend gut bedient. Zumal den Ethikern noch etwas anderes gegen ihn vorliegt: Beschwerden wegen sexueller Belästigung zahlreicher weiblicher Angestellter. Das milde Strafmaß gegen den Infantino-Vasallen lässt ahnen, dass darüber gar nicht verhandelt wurde.

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