Fifa: Korruptionsvorwürfe:Fragwürdige Reinigung

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Die Fifa-Ethikkommission hat entschieden: Zwei womöglich korrupte Funktionäre aus Nigeria und Tahiti dürfen bei der WM-Kür nicht mitstimmen. Am Glaubwürdigkeitsproblem des Verbands ändert dies nichts.

Thomas Kistner

Als die Strafen gegen ein halbes Dutzend Sünder verkündet waren, sagte Claudio Sulser einen schönen Satz. Man könne die Welt nicht an einem Tag verbessern - "wir können aber damit anfangen", so der Chef der Fifa-Ethikkommission am Donnerstag in Zürich.

Ein kleiner Schritt, um die Welt zu verbessern: Die Ethikkommission der Fifa um Claudio Sulser sperrt zwei hochrangige Fifa-Funktionäre. (Foto: AFP)

Als Beleg hatte sein Gremium gerade die Vorstandsmitglieder Amos Adamu (Nigeria) und Reynald Temarii (Tahiti) - wegen diverser Verstöße gegen Fifa-Regeln - für drei bzw. ein Jahr von jeglichen Funktionen im Fußball suspendiert; desgleichen die ehemaligen Vorständler Slim Aloulou (Tunesien), Ahongalu Fusimalohi (Tonga), Amadou Diakite (Senegal) und Ismael Bhamjee (Botswana) für je zwei bis vier Jahre. Geldstrafen von 5000 bis 10.000 Schweizer Franken kamen noch obendrauf.

Der Fußball-Weltverband Fifa fängt also die Selbstreinigung an, laut Ethikchef Sulser gibt es jetzt kein Zurück mehr. Wie belastbar diese Behauptung ist, dürfte sich bald erweisen, womöglich noch vor der Doppelvergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 am 2. Dezember in Zürich. Das Fifa-Wahlgremium, die 24-köpfige Exekutive, wird an diesem Entscheidungstag auf 22 Leute ausgedünnt sein, die Kollegen Temarii und Adamu (der Revision angekündigt haben soll) dürfen ja nicht mehr.

Unbehelligt vom Säuberungsvorgang halten indes Skandalnudeln wie Karibik-Chef Jack Warner (erwirtschaftet Millionen mit Fifa-Tickets und -Rechten) oder Brasiliens Ricardo Teixeira (beschäftigte diverse Parlamentsausschüsse mit fragwürdigen Geschäften) über die neun WM-Bewerber Rat.

Unberücksichtigt bleibt auch weiterhin, dass ein Schweizer Gericht im Juni darlegte, hohe Funktionäre hätten der Fifa stramme 5,5 Millionen Franken zurückgezahlt. Nur so konnten sie einen Korruptionsprozess abwenden; vor Gericht wäre ihre Identitäten aufgeflogen.

Dass die Ethikkommission in solchen - gewichtigeren - Fällen stillhält, wirft ebenso ein trübes Licht auf die stolze Selbstreinigung wie der Umstand, dass in der aktuellen Affäre vier ehemalige Vorständler insgesamt härter bestraft wurden als die zwei aktiven. Obwohl sich nur letztere direkt in Bestechungsvorgänge verstrickt hatten, die von Undercover-Reportern der britischen Sunday Times inszeniert und gefilmt worden waren - während die vier Ehemaligen nur ausgeplaudert hatten, wer so alles empfänglich sei.

Die Fifa hat also etwas am Lack gekratzt. Sulser, ehemals Profi und heute Anwalt im Tessin, ließ gar anklingen, dass er die Medien-Hilfe nur bedingt schätzt. Die Times, die ihre Videos publik gemacht hatte, in denen Temarii und Adamu ihre Stimmen feilboten, hätte auch die Wahrheit "verdreht", rügte Sulser, was befremdlich wirkt angesichts der Tatsache, dass Vorständler verbannt wurden.

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Temarii wollte 1,6 Millionen Euro für eine Sportakademie, bei Adamu sollten 570.000 Euro Entwicklungshilfe direkt aufs Konto gezahlt werden. Im Gegenzug versprachen beide mehr oder weniger direkt ihr WM-Votum.

Ungeschoren davon kamen WM-Bewerber, die mit ins Zwielicht geraten waren. Das Kandidaten-Duo Spanien/Portugal (für 2018) und der Wüstensprengel Katar (2022) sollen Stimmpakete geschnürt haben, ein nicht unrealistisches Szenario. Doch fehlte es hier naturgemäß an Beweisen.

Festgehalten werden darf allerdings, dass sich längst nicht jeder so tölpelhaft anstellt wie die Sünder aus Tahiti und Nigeria. Das zeigte, am Vorabend des Ethiker-Urteils, der Länderspielknüller Brasilien gegen Argentinien (0:1), der im Wüstenstaat Katar stattfand. Was liegt näher für beide Teams?

Eine Million Franken pro Verband sollen ausgelobt worden sein, was wirklich an Rechte-Geldern in diese zwei Länder floss, die mit Teixeira und Julio Grondona (Argentinien) altgediente Fifa-Obristen an der Spitze haben, lässt sich kaum nachweisen.

Für Katar war der Latino-Klassiker ein 90-minütiger Werbeclip, verziert von herbeigekarrten Tribünengästen wie Zinedine Zidane und Alex Ferguson. So läuft das Spiel, und ob Katar wegen der läppischen 45 Grad im Sommer wirklich zu heiß für eine WM ist, wie nun der Fifa-Prüfstab monierte, wird sich bei der Wahl noch zeigen. Sulser hat am Donnerstag auch vom "großen Imageverlust für die Fifa" gesprochen. Es klang irgendwie präventiv.

© SZ vom 19.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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