Süddeutsche Zeitung

Wiederwahl von Fifa-Chef Infantino:"Wir lieben Sie, Mr. President"

Skandale, welche Skandale? Die Fußballwelt applaudiert den umstrittenen Fifa-Chef Gianni Infantino bei einer absurden Huldigungsshow in eine weitere Amtszeit. Das einzige brenzlige Thema moderiert die Fifa bewährt ab.

Von Johannes Aumüller

Ganz ergriffen gab sich Gianni Infantino oben auf der Bühne. Er bleibe lieber sitzen, weil er sonst umfallen könnte, säuselte er ins Mikrofon, direkt nach seiner, nun ja, Wiederwahl zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes. Dann begann er seine Dankesworte, und er kam bis zu den "vielen", die ihn lieben, und auch den "wenigen", die ihn hassen würden. "Ich liebe alle, besonders heute", sagte er, und als er dann eine Pause machte, warf seine Generalsekretärin Fatma Samoura untertänigst ein: "Wir lieben Sie, Mr. President."

Aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen hat Samoura die anwesenden Mitgliedsverbände danach nicht aufgefordert, dem Fifa-König die Füße zu küssen, und auf einen Fußweg aus Palmwedeln hat die Kongresschoreografie auch verzichtet. Aber das kann ja noch kommen. Es war auch so absurd genug, wie dieser Kongress in Kigali zu einer Huldigungsshow für Gianni Infantino geriet. "Normalerweise mag ich es nicht, über mich selbst zu sprechen, aber manchmal muss man das vielleicht ein bisschen machen", sagte er zwischendurch mal, und er tat das sogar im Stehen und ohne direkt umzufallen.

So begann Infantino, 52, also mit einer Begrüßungsrede, in der er es schaffte, das Genozid-Denkmal für die Hunderttausenden Opfer des ruandischen Völkermordes, das Wort Inspiration und seine Entscheidung, bei seinem ersten Fifa-Wahlkampf vor acht Jahren in einer schweren Situation nicht aufzustecken, quasi in einem Atemzug zu nennen.

Später folgte ein Vortrag darüber, was er Tolles schon erreicht habe und was er noch viel Tolleres noch vorhabe: zum Beispiel eine Steigerung der Einnahmen auf 7,5 Milliarden Dollar in einem Vierjahreszyklus und auf bald sogar elf Milliarden. Oder eine Equal-Pay-Regelung, die ab 2026/27 für die Weltmeisterschaften von Männern und Frauen gelten soll. Bei der nächsten Frauen-WM im Sommer sind 110 Millionen Dollar vorgesehen und damit nur ein Viertel der Summe, die es für die Männer in Katar gab.

Und schließlich beendete er den Kongress, indem er die erste Hälfte der auf 30 Minuten angesetzten Pressekonferenz zu einem Verteidigungsmonolog in eigener Sache nutzte. "Ich verstehe nicht, warum einige von Ihnen so gemein sind", sagte er in die Journalistenrunde; er verstehe nicht die Feindseligkeiten und ständigen Attacken auf die Fifa und ihren Präsidenten.

Einige europäische Nationen hatten vorher erklärt, Infantino "nicht zu unterstützen"

Tja, wo sollte man anfangen bei einer Suche nach einer Antwort auf diese Frage? Bei seinen schrägen Auftritten, wie er sie nun bei seiner Medienschelte in Kigali oder vor der WM bei seiner Medienschelte in Doha hinlegte? Oder beim laufenden Strafverfahren zu seinen Geheimtreffen mit dem früheren Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber? Oder noch besser bei den falschen Angaben, mit denen eine teure Privatjet-Reise begründet wurde?

Zwischen all der Lobpreisung und Selbstverteidigung ließ sich Infantino der guten Ordnung halber auch noch wählen von den mehr als 200 Mitgliedsverbänden der Fifa. Wobei: Was heißt eigentlich wählen? Einige europäische Nationen hatten vorher erklärt, Infantino "nicht zu unterstützen" - darunter auch der Deutsche Fußball-Bund. "Wir haben in den vergangenen Wochen zu verschiedenen Fragestellungen von der Fifa keine oder nur unzureichende Informationen erhalten", begründete das der DFB-Boss Bernd Neuendorf; es ging ihm da nicht zuletzt um Fragen zur Menschenrechtssituation in Katar.

Aber dieses "nicht unterstützen" war halt so eine Sache im Saal von Kigali. Denn die Fifa-Statuten sehen vor, dass eine Präsidentenwahl per Akklamation erfolgen kann, wenn es nur einen Kandidaten gibt. Man beachte dabei das Wörtchen "kann". Es könnte also auch jemand aufstehen und sagen, dass er mit diesem Prozedere nicht einverstanden ist und eine geheime Abstimmung beantragen - aber das tat in Kigali niemand, auch nicht der DFB. Bei einer Wahl in der Kabine hätte man sehen können, wie es wirklich um die Unterstützung von Gianni Infantino in der Fußballwelt bestellt ist. So aber klatschte das Gros im Saal munter drauf los und erhob sich, und dann war Infantino schon wieder ein Präsident, der hinterher sagen konnte, dass ihn doch fast die ganze Welt unterstütze.

Überhaupt gab es in den paar Stunden Kongresszeit, für die der große Tross nach Kigali geflogen war, keinen einzigen Wortbeitrag eines Delegierten. Zu keinem der vielen Skandale. Und beim einzigen theoretisch leicht brenzligen Thema wandte die Fifa-Führung die bewährte Abmoderierungsstrategie an. Der norwegische Verband wollte das Thema Katar und Menschenrechte auf die Agenda setzen, seine Präsidentin Lise Klaveness hatte das Thema schon beim vergangenen Kongress auf der Bühne vorgetragen. Nun präsentierte die Fifa einen Einspieler, in dem der Vorsitzende des Subkomitees für Menschenrechte einige Ausführungen machte.

Tenor: Man werde eine Bewertung des menschenrechtlichen Erbes des Turniers vornehmen. Fragen oder Anmerkungen? Keine. Gut, dass alle nach Kigali gejettet sind, und wieder nach Hause. Bis zum nächsten Wahlkongress in vier Jahren.

Gianni Infantino kann bis mindestens 2031 im Amt bleiben

Es gehört ja zu den Kuriositäten des Fifa-Betriebes, dass Infantino dann überhaupt nochmal kandidieren darf. Eigentlich ist seit einer Reform eine Fifa-Präsidentschaft auf drei Amtszeiten begrenzt. Und Infantino ist nun schon drei Mal gewählt worden. Aber in der Fifa-Welt gelten auch eigene mathematische Gesetze: Sie hat beschlossen, dass die ersten drei Jahre (2016 - 2019) nicht als erste Amtszeit gelten, weil die Wahl mitten in der Legislaturperiode erfolgte.

So kann Infantino bis mindestens 2031 im Amt bleiben - wobei er vielleicht noch daran arbeiten kann, wie er seine Wiederwahlen zelebriert. Als sich sein IOC-Kompagnon Thomas Bach vor zwei Jahren als Ringe-Präsident bestätigen ließ, konnte man dessen Ausführungen so verstehen, dass er Kontakt zu Pierre de Coubertin, dem verstorbenen Begründer des modernen Olympismus, aufgenommen hatte. So was könnte sich Infantino auch mal überlegen. Aber wer im Jenseits wäre eigentlich würdig genug, von ihm angefunkt zu werden?

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