Süddeutsche Zeitung

Fifa-Kongress: Blatter wiedergewählt:Gott bleibt Gott

Joseph Blatter lässt sich von der Fifa-Familie als Präsident bestätigen. Es ist Blatter auf wundersame Weise gelungen, Konkurrenten auszuknocken und Kritiker in seine Ecke zu bringen - viele Funktionäre geben dabei eine unglückliche Figur ab. Am Tag seiner Wahl macht Blatter einen revolutionären Vorschlag, mit dem sich jedoch die nächste Generation herumplagen muss.

Jürgen Schmieder

Spannend war sie nicht, die Wahl zum Fifa-Präsidenten im Jahr 2011. Es gab nur einen Kandidaten, trotzdem wurden alle 203 Vertreter der Mitgliedsverbände einzeln nach vorne gerufen, um ihre Stimme abzugeben. Es war ein langwieriges Prozedere, weil es nur zwei Wahlkabinen gab und die Delegierten langsam und betont würdevoll nach vorne schritten. Am Ende erhielt Joseph Blatter 186 von 203 Stimmen, er ist für die kommenden vier Jahre als Präsident der Fifa wiedergewählt.

Die Wahl war die Antithese zu den Vorgängen der vergangenen Tage, die recht turbulent gewesen waren. Blatter war angeschlagen, die Pressekonferenz zwei Tage vor der Wahl war für ihn ein verbaler Boxkampf gewesen. Zuerst hatte er sich selbstbewusst und stark präsentiert. "Die Fifa hat keine Krise", hatte er den Journalisten trotzig entgegengeworfen und von "Teufelchen" gesprochen, die der Fifa schaden wollen.

Danach tänzelte er elegant um alle Fragen zu seinem Millionen-Geschenk inmitten des Präsidentschaftswahlkampfes an den Nord- und Mittelamerika-Verband Concacaf herum - um nach kritischen Fragen der Journalisten taumelnd im Ring zu stehen und schließlich zu flüchten.

Er war schwer angezählt, jener Fifa-Präsident, der sich nach allgemeinem Dafürhalten für unfehlbar hält und innerhalb des Weltverbandes eine gottgleiche Stellung einnimmt. Der 75-Jährige wollte unbedingt Gott bleiben - nicht zuletzt deshalb, weil mit einer Abwahl natürlich deutlich geworden wäre, dass Blatter der politisch Hauptverantwortliche am Fifa-Desaster ist.

Blatter kämpfte vehement und soll dafür sogar die Ethikkomission, das einzige sogenannte Kontrollorgan der Fifa, benutzt haben. Zeugen berichteten, dass er sich bei seinem eigenen Verfahren am vergangenen Sonntag sogar an den Tisch der Kommissionäre habe setzen wollen. Das Ergebnis ist bekannt: Blatter wurde von allen Vorwürfen freigesprochen, sein einziger Konkurrent Mohamed bin Hammam wurde suspendiert und erhielt am Mittwoch nicht einmal Zutritt zum Kongress.

Es waren turbulente Wochen für die Fifa und ihren Präsidenten: David Bernstein, Chef der britischen Football Association (FA), beantragte die Verlegung der Blatter-Wahl. Jack Warner, einst Blatter-Intimus, verlangte gar, dass jemand Blatter stoppen müsse und kündigte großspurig einen "Fußball-Tsunami" mit zahlreichen Enthüllungen auf einer für Dienstag vorgesehenen Pressekonferenz an.

Bei der Parlamentsanhörung am 10. Mai hatte der ehemalige FA-Chef David Triesman vier Mitglieder der Fifa-Exekutive (Nicolas Leoz, Jack Warner, Ricardo Teixeira und Worawi Makudi) der Bestechung bezichtigt. Sie hätten "unsachgemäß und unethisch" gehandelt und unlautere Forderungen als Gegenleistung für Stimmen gestellt. Mehrere Führungsmitglieder forderten danach eine Überprüfung der Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 an Katar.

Interessant dabei war, dass es Blatter innerhalb weniger Tage auf wundersame Weise gelungen ist, selbstbewusst in den Ring zurückzukehren, Konkurrenten wie bin Hammam auszuknocken und Kritiker in seine Ecke zu bringen. Jack Warner, der mit dem angekündigten Fußball-Tsunami, gab plötzlich keine Pressekonferenz, sondern rief den Mitgliedern der Karibischen Fußball-Union CFU zu, sie mögen für Blatter stimmen. Dafür wurde Warner wie seine drei angeklagten Kollegen vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen.

Warner gibt dabei, wie viele andere Funktionäre auch, eine arg unrühmliche Figur ab. Als er erkannte, dass Blatter nicht zu stürzen war, wechselte er zurück in dessen Ecke - wohl deshalb, um seine Stellung innerhalb der Fifa nicht zu gefährden. Generalsekretär Jérome Valcke manövrierte sich geschickt durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit einer möglichen Korruption bei der WM-Vergabe an Katar - und erhielt Unterstützung von Blatter.

Als treuer Helfer Blatters in den schwierigen Tagen tat sich Exekutivkomitee-Mitglied Chuck Blazer aus den USA hervor. Er gab den Belastungszeugen gegen Blatters Konkurrenten bin Hammam und dessen Unterstützer Jack Warner. Er hatte den beiden Bestechung "von Beginn" des Wahlkampfs an vorgeworfen. "Es war eine Verschwörung der beiden von Anfang an", hatte Blazer am Montag gesagt.

Als Generalsekretär des Nord-, Zentralamerikanischen und karibischen Fußballverbands (Concacaf) wurde Blazer aufgrund seiner Anschuldigungen suspendiert, durch seinen treuen Kampf an der Seite Blatters hat er sich in Stellung für höhere Aufgaben gebracht.

Blatter ließ sich also von der Fußballfamilie erneut ins Amt hieven, zum vierten Mal. Dabei gaben nicht nur Guinea, Vanuatu und Togo die bereitwilligen Helfer, sondern auch der mächtige Deutsche Fußball-Bund und dessen Präsident Theo Zwanziger. Der forderte zwar am Morgen vor der Wahl, dass die "WM-Vergabe nochmals auf den Prüfstand gebracht werden sollte", bekräftigte jedoch seine Unterstützung für Blatter: "Ich kann doch nicht aufgrund von Verdachtsmomenten, die sich gegen die Person Blatter nicht bewahrheitet haben, nun ist er nicht mehr wählbar."

Am Tag seiner Wiederwahl machte Blatter dann einen revolutionären Vorschlag. Nicht mehr die 24 Mitglieder des Exekutivkomitees sollen künftig über die Vergabe der Weltmeisterschaften entscheiden. "Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der FIFA beschlossen wird", sagte Blatter - und bekräftigte nochmals, der er sich für den einzigen hält, der in der Lage ist, den Weltverband zu führen: "Wir stehen vor Herausforderungen. Ich habe Ohrfeigen erhalten, die Verwarnung hat gut getan. Die Fifa braucht einen starken Führer, ich möchte das sein."

Sein Vorschlag, die WM-Turniere durch den Fifa-Kongress vergeben zu lassen, klingt erst einmal honorig. In Wahrheit jedoch ändert Blatter das System, von dem er jahrelang profitiert hat, um sein Vermächtnis ein wenig positiver zu gestalten. In wenigen Jahren wird er sich zurückziehen, unter seiner Präsidentschaft wird keine Weltmeisterschaft mehr vergeben, das hat Blatter mit der Doppelvergabe der Turniere 2018 und 2022 an Russland und Katar bereits geregelt.

Natürlich wird es keine Untersuchung geben, das hat Blatter bereits bekräftigt. Mit den Problemen einer WM in einem Land, das keine Fußball-Tradition hat und in dem während des Turniers Temperaturen von bis zu 45 Grad herrschen, wird sich die nächste Generation herumschlagen müssen. Und die nächste Vergabe einer WM findet im Jahr 2019 statt - also auch damit müssen sich andere als Blatter beschäftigen.

Vermutlich geht Blatter davon aus, dass er nicht als jener Präsident in Erinnerung bleiben wird, der die Fifa in die größte Krise seiner Geschichte geführt hat - sondern als jener Visionär, der den Weltverband aus dieser Krise mit revolutionären Veränderungen geleitet hat.

Blatter ist wiedergewählt, er ließ sich mit langem Applaus von den Delegierten feiern. Verwunderlich nur, dass er sie nicht eines seiner Lieblingslieder anstimmen ließ. Das lautet: "Großer Gott, wir loben Dich!"

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