Hach, die goldene Trophäe der Klub-WM müsste man sein! Man käme ganz schön rum. Gerade erst war sie zu Besuch im Weißen Haus in Washington, D.C.; jetzt steht sie schon auf der Dachterrasse eines kleinen Münchner Hotels – und im Hintergrund glitzert in der Sonne das Dach der Marienkirche, die nur einen Pokalwurf entfernt ist.
Neulich, im Oval Office, da wurde die Trophäe begleitet vom „King of Soccer“. So jedenfalls nannte Donald Trump seinen Gast Gianni Infantino, womit er dem Fifa-Monarchen möglicherweise unbeabsichtigt einen trefflichen Kosenamen verpasste. Der King of Soccer hatte sogar einen goldenen Schlüssel dabei, um den Pokal aufzuschließen. Ja, aufzuschließen. Infantino steckte den Schlüssel in ein Schloss auf der Rückseite – und zack: wurde aus einer goldenen Scheibe eine goldene Kugel. „Oh, wow! You gotta be kidding!“, rief Trump begeistert, als werde er Zeuge einer Beweisführung des Seefahrers Magellan, wonach Schiffe eben doch nicht herunterfallen, sobald sie den Horizont erreichen.

Am Montag, im Penthouse des Münchner Hotels, schaut Jan-Christian Dreesen, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, mit vergleichsweise unaufgeregtem Blick auf den Pokal und sagt: „Man hat mir gesagt, man kann ihn zu einer Scheibe machen.“ Kann man. Doch auch die Rückverwandlung funktioniert nicht ohne den goldenen Schlüssel. Und den hat Infantino nicht mitgeschickt auf diese Welttournee seines Pokals durch die Klubhäuser der 32 teilnehmenden Fußballvereine; eine Rundreise, die offenbar notwendig ist. Um ein bisschen Werbung zu machen für einen sportlichen Wettbewerb, bei dem sich zumindest diejenigen, die schon von seiner Existenz erfahren haben, fragen: Braucht’s das?! Und, falls ja: Wohin damit?

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Überraschend lange Zeit standen ja die Eckdaten und Finanzierungsgrundlagen dieses Prestigeprojekts von Gianni Infantino nicht fest. Inzwischen ist bekannt: Ausgetragen wird die Klub-WM zwischen dem 14. Juni und dem 13. Juli in den USA, zwischen Atlantik und Pazifik, mit einer leichten Bevorzugung der Ostküste. Das Turnier wird also gequetscht in ein Zeitfenster des internationalen Fußballbetriebs, von dem man dachte, es gäbe es gar nicht: hinein in jenen Wonnemonat, in dem die Profis in Jahren ohne EM und WM früher einmal ihren Sommerurlaub verbracht haben.
„Klar ist die Klub-WM eine brutale Belastung“, sagt der Bundestrainer Julian Nagelsmann
Damit ist nun zumindest für die führenden Nationalspieler von Bayern München und Borussia Dortmund Schluss. Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Leroy Sané oder Nico Schlotterbeck müssten ja selbst ohne Klub-WM schauen, wie sie ihre Sehnen und Muskeln zwischen dem letzten Bundesliga-Spieltag (17. Mai), einem möglichen Champions-League-Finale in München (31. Mai) und dem „Final Four“ der Nations League (4. bis 8. Juni) in Stuttgart und München geschont bekommen. Jetzt kommt hinzu: Nur zwei Tage nach dem Finale einer Veranstaltung, die der Oberbürgermeister Dieter Reiter vergeblich als „Nations-League-Dingsda“ abgewatscht hatte, um ihre Austragung in München zu verhindern, brechen die ersten Vorauskommandos von Borussia und FC Bayern schon in die USA auf. Und bevor jemand denkt, alles klar – dann spielen in Amerika eben die Nachwuchskicker der großen Klubs: Vom 11. bis 28. Juni findet in der Slowakei auch noch eine U21-Europameisterschaft statt.
Er werde bei der Kaderauswahl für die Nations League „keine Rücksicht“ auf Münchner oder Dortmunder Befindlichkeiten nehmen, hat Julian Nagelsmann am Wochenende klargemacht. „Ich glaube, das versteht auch jeder.“ Er sei keiner, der die Scheuklappen unten habe und sage, der Verein sei ihm egal, argumentierte der Bundestrainer. Aber das Final Four sei „eben ein Finale“. Und dann schob er noch etwas Hübsches nach: „Klar ist die Klub-WM eine brutale Belastung. Mehr sage ich erst mal nicht dazu.“
Musste er auch nicht. Jeder weiß: Des einen Belastung ist des anderen Entlastung. Für die Arbeitgeber der Profis bedeutet die Klub-WM einen warmen Geldregen, der das Zeug dazu hat, ihre jeweilige nationale Dominanz zu festigen. „Wir werden rund 30 Millionen Dollar Participation Fee bekommen“, verriet nun Jan-Christian Dreesen. Diese ist sozusagen das bedingungslose Grundeinkommen der Bayern. Es wird fällig, sobald sie aus dem Flieger steigen. Selbst dann, wenn sie keine einzige Partie gewinnen oder nicht mal ein Tor schießen. Die 30 Millionen ergeben sich aus der Antrittsgage und einem sogenannten Value Ranking. Also dem Beitrag, den jeder Klub – aus Sicht der Fifa – zur Steigerung des Turnierwertes beisteuert. Laut Dreesen ist der FC Bayern in dieser Rangliste selbstverständlich „bei den Klubs aus Europa im oberen Drittel“. Und sollten sich die Münchner sogar bis ins Finale nach New York kämpfen und schließlich den goldenen Schlüssel in den Lieblingspokal des King of Soccer stecken dürfen, dann sind bis zu 120 Millionen Dollar Preisgeld möglich. Nach einer SZ-Blitzkalkulation wären das beinahe zwei Drittel einer Ablöse für Florian Wirtz.
„Wenn man dann die Möglichkeit hat, bei einem Turnier viel Geld zu verdienen, sollte man die Chance nutzen.“
Karl-Heinz Rummenigge, einer der größten Wirtz-Ultras, hat auf einer Veranstaltung am Wochenende nicht zufällig die finanzielle Bedeutung der Klub-WM hervorgehoben. „Es ist bekannt, dass die letzten Vertragsverlängerungen alle recht ordentlich waren“, sagte der einflussreiche Aufsichtsrat, womit er noch einmal wie von Zauberhand dem für die neuen Verträge zuständigen Sportvorstand Max Eberl eine mitgab: „Wenn man dann die Möglichkeit hat, bei einem Turnier viel Geld zu verdienen, sollte man die Chance nutzen.“

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Offen ist, welche Spieler die Chance nutzen dürfen, viel Geld für ihren Arbeitgeber zu verdienen. Um die Belastung etwas abzufedern, dürfen die Teams auf einen bis zu 35 Spieler fassenden Kader zurückgreifen. Wobei Rummenigge sagt: „Ich zitiere da gerne meinen leider nicht mehr vorhandenen Freund Franz Beckenbauer, der immer gesagt hat, lieber spielen als trainieren.“ Eine B-Elf wollen die Bayern auf den Laufsteg des lukrativsten Sportmarkts der Welt jedenfalls nicht schicken. Es solle der „bestmögliche Kader“ das „bestmögliche Ergebnis“ erzielen, kündigt Dreesen an. Allein aus Eigennutz. Sonst sinkt bei der übernächsten Klub-WM das Value Ranking der Bayern (= weniger Geld).
Um die Premiere ihrer neuen Cashcow zu pushen, hat die Fifa vorsorglich diverse Ausnahmeregeln für die Klubs geschaffen. Über ein zusätzliches Transferfenster könnten Leihspieler wie Paul Wanner (Heidenheim), die zum Start der Klub-WM eigentlich noch verliehen wären, zurückgeholt werden oder Zugänge wie der Hoffenheimer Tom Bischof bereits vor dem offiziellen Anstellungsdatum am 1. Juli im Bayern-Trikot auflaufen. Und da einige Anstellungsverhältnisse, etwa die von Thomas Müller und Leroy Sané, Stand jetzt am 30. Juni beendet sein werden, gibt es zudem die Möglichkeit, besagte Verträge für die Dauer des Turniers kurzfristig zu verlängern. „Das ist alles noch nicht final und im Detail besprochen, wie wir hier verfahren werden“, sagt Dreesen.
Etwas Zeit ist ja auch noch, einmal um die Welt muss der Pokal der Klub-WM vorher noch touren. Im Grunde ist es wie beim olympischen Fackellauf. Nur reist die Trophäe nicht, um die Jugend der Welt zum fairen Wettkampf zu laden. Der King of Soccer schickt sie, um die Reichsten der Welt noch reicher zu machen.