Fußball-Weltverband:Das zwielichtige System der Fifa

Korruption, Betrug und dubiose Figuren: Die Führung des Fußball-Weltverbandes ist seit jeher umstritten. Blatter wurde gesperrt, doch unter Infantino läuft wenig besser. Eine Chronologie.

Jonas Beckenkamp

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Infantino wird wiedergewählt

FIFA-Präsident Sepp Blatter

Quelle: dpa

Führungskräfte ließen sich schmieren, Wahlen sollen durch Bestechung zustande gekommen sein und sportpolitische Gegner werden einfach ausgeschaltet. Es dürfte schwierig sein, eine Organisation zu finden, die ein schlechteres Image hat als die Fifa. Nun wird Gianni Infantino für eine weitere Amtszeit als Präsident bestätigt - obwohl unter ihm wenig besser läuft als unter Vorgänger Sepp Blatter (hier im Geldregen).

Lesen Sie hier eine Chronologie der Fifa-Geschichte.

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Nur weiße Männer

Fifa

Quelle: imago sportfotodienst

So sah sie aus, die Ehrentafel der bisherigen Fifa-Präsidenten, bevor Gianni Infantino übernahm. Nicht besonders lang, nur acht verschiedene Personen leiteten den Weltfußballverband seit seiner Gründung im Jahr 1904. Alle Chefs waren Männer, die teilweise sogar mehr als 30 Jahre ihr Amt bekleideten. Seit jeher ist die Fifa ein im Handelsregister eingetragener Verein im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Das heißt auch, dass der Verband eigentlich keine finanziellen Gewinne machen darf. Die Einnahmen, die beispielsweise bei Fußball-Weltmeisterschaften erzielt werden, müssen intern wieder investiert werden. Ob und wie das geschieht, darüber streiten Beobachter seit Jahren.

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Der Klassiker des Stimmenfangs

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Quelle: SZ

Die jüngere Historie der Fifa beginnt mit der Machtübernahme des Brasilianers Jean-Marie Faustin Goedefroid de Havelange, kurz João Havelange (Mitte). Der gelernte Rechtsanwalt aus Rio übertölpelte im Jahr 1974 den damals amtierenden Sir Stanley Rous bei der Wahl zum Präsidenten, indem er mit ein wenig Instinkt die politische Neutralität seines Vorgängers ausnutzte. Havelange, damals schon fast 60, positionierte sich geschickt als sachter Reformer und baute auf eine Aufstockung der WM von 16 auf 24 Teilnehmer. Nicht zuletzt durch diesen Klassiker des Stimmenfangs sicherte er sich seine Wahl - doch auch eine Reihe von braunen Briefumschlägen soll in Hinterzimmern an die passenden Leute gelangt sein.

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Havelange, der eiserne Boss

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Quelle: SZ

Havelange führte den Verband 24 Jahre lang - bis 1998. In seiner Amtszeit avancierte die Fifa zum größten und bedeutendsten Sportverband der Welt, ihm gehörten 2005 mehr Länder an als die Vereinten Nationen Mitglieder haben. Havelange galt als eiserner Boss mit grimmigen Wesenszügen, der die Geschicke des Verbands wie ein Pate lenkte. Seinen Kritikern, die ihn einen Despoten nannten, entgegnete er einst: "Als ich im Fifa-Hauptquartier ankam, da fand ich ein altes Haus vor und ein bisschen Geld in einer Schublade. Als ich 24 Jahre später meinen Posten räumte, besaß die Fifa Verträge und Besitztümer im Wert von mehr als vier Milliarden US-Dollar."

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Havelange rettet seine Wiederwahl

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Quelle: Eraldo Peres/AP

Bei seiner letzten Wiederwahl im Jahr 1994 soll Havelange schon allerlei Tricks angewendet haben, um nicht einem Putsch zum Opfer zu fallen. Ende 1993 war der Sonnenkönig ins sportpolitische Abseits geraten, weil er eine Auseinandersetzung mit Landsmann Pelé (Mitte) provoziert hatte. Das Idol der Seleção hatte den Fifa-Boss der Mitwisserschaft im Korruptionssumpf des brasilianischen Fußballs bezichtigt: Havelanges Schwiegersohn Ricardo Teixeira (re.) habe versucht, von Pelés Firma Schmiergeld für die Vergabe von TV-Rechten zu erpressen. Der Patron hielt mit starrem Familiensinn an Teixeira fest und servierte Pelé ab. Schließlich rettete Havelange seine Wiederwahl auf gewohnte Weise: Er versprach die Aufstockung der WM, diesmal auf 32 Teams - und sicherte sich erneut die Stimmen der Exoten von Fidschi bis Sambia.

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Die Ära Blatter beginnt

FIFA RIVALS JOHANSSON AND BLATTER SHAKE HANDS

Quelle: REUTERS

Im Schatten Havelanges positionierte sich bereits 1981 ein Generalsekretär namens Joseph S. Blatter (rechts). Trotz aller Reformnöte nach Havelanges Skandälchen überlebte der Schweizer Volkswirt aus dem Wallis alle Neustrukturierungen im Amt - wohl auch, weil er selbst schon zu viel über die Geschäfte seines Chefs und interne Geldflüsse im Verband wusste. 1998, als Havelange 82-jährig das Feld räumte, fiel die Wahl ausgerechnet auf Blatter, der mittlerweile zu dessen Ziehsohn geworden war. Blatter setzte sich auf höchst umstrittene Weise erneut durch, diesmal gegen Herausforderer Lennart Johansson (links) .

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Ein Hort der Vetternwirtschaft

JOAO HAVELANGE, SEPP BLATTER AND LENNART JOHANSSON CHAT BEFORE MATCH

Quelle: REUTERS

In einer turbulenten Nacht waren dem Schweizer plötzlich die Stimmen der afrikanischen Delegierten zugeflogen - Verlierer Johansson gab tags darauf entnervt auf: "Das Spiel ist aus, lasst uns Mittag essen gehen", rief der als Demokratisierer angetretene Schwede. Dass bei Blatters Wahl Bestechung im Spiel gewesen sein könnte, scheint wahrscheinlich, da am Abend nach der Wahl zwei Dutzend Funktionäre Johansson schworen, dass sie ursprünglich für ihn hätten stimmen wollen. Im Hotel soll es zu hektischen Verhandlungen gekommen sein, infolge derer die Afrikaner ihr Votum für 50 000 Dollar pro Nase verkauft haben sollen - rund 20 Delegierte sollen so von Johansson auf Blatter umgeschwenkt sein. Längst galt die Fifa als Hort der Vetternwirtschaft - erst recht nach den dubiosen WM-Deals für ...

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Und dann enthält sich Charles Dempsey

Blatter und Beckenbauer

Quelle: dpa

... die Jahre 2002 und 2006 mit Medienmogul Leo Kirch und der Schweizer Sportrechte-Agentur ISL, zwei Unternehmen, die später pleite gingen. Unklar ist bis heute, wie im Jahr 2000 über die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland entschieden wurde. Fest steht: Dem Mehrheitsvotum des Exekutivkomitees zugunsten Deutschlands gingen zahlreiche Merkwürdigkeiten voraus. Waffenverkäufe der deutschen Politik oder Investitionen der deutschen Wirtschaft in Asien sollen in Zusammenhang mit den WM-Voten stehen - am Ende gab die Enthaltung des neuseeländischen Delegierten Charles Dempsey den Ausschlag für die deutsche Bewerbung. Dass der mittlerweile verstorbene Dempsey bis kurz zuvor noch für Gegenbewerber Südafrika stimmen sollte und plötzlich sein Herz für die Deutschen fand, erklärte sich das Satiremagazin Titanic so: Ein Präsentkorb mit Schwarzwälder Spezialitäten sowie eine Kuckucksuhr könnten ihn bezirzt haben.

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"Rufmordkampagne" gegen Blatter

FILE PHOTO OF FIFA PRESIDENT BLATTER AND SECRETARY GENERAL ZEN-RUFFINEN IN SEOUL

Quelle: REUTERS

Gegner hatte Blatter genug: Doch weder sein Herausforderer bei der Präsidentenwahl 2002, der Kameruner Issa Hayatou, noch der frühere Blatter-Zögling Michel Zen-Ruffinen (re., damals Generalsekretär), der zu einem der Hauptkritiker seines Schweizer Landsmannes geworden war, konnten dem Fifa-Boss etwas anhaben. Kurz nach seiner Wiederwahl entließ Blatter Zen-Ruffinen, der mit elf von 24 Exekutivmitgliedern gar eine Strafanzeige wegen Korruption in zwei Fällen sowie wegen Amtsmissbrauchs und Missmanagements gestellt hatte. Zen-Ruffinens Kommentar: "Die Fifa wird heute wie eine Diktatur geführt." Blatter sprach dagegen von einer "Rufmordkampagne".

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Wieder kein Gegenkandidat

WM 2010 - Südafrika - Mexiko

Quelle: dpa

2007 fehlte dann ein Gegenkandidat zu Blatter. Seine erneute Wahl in Zürich beschrieben Medien als "Krönungsmesse", auch vom "Fußball-Paten" war wiederholt die Rede. Und der Chef? Inszenierte sich mittlerweile selbst als Großreinemacher im Verband, der versprach, dem Sumpf aus Gerüchten, Bereicherungsvorwürfen und Hinterzimmer-Deals ein Ende zu machen. Ernsthafte Herausforderer hatte der Schweizer ohnehin nicht - zudem erreichte er mit der WM 2010 in Südafrika eines seiner Lebensziele: Er konnte sich als Völkerverständiger feiern lassen, der erstmals ein Großevent nach Afrika gebracht hatte. An der Seite von Südafrikas Präsident Jacob Zuma (re.) eröffnete Blatter das Turnier.

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Blatters nächster Coup

Mohamed bin Mammam

Quelle: picture alliance / dpa

Ein Jahr später folgte dann Blatters erneute Amtsbestätigung als "Fußballcäsar". Obwohl mit großen Versprechungen angetreten, zog sein Wahlgegner Mohammed Bin Hammam (li.), damals Chef der Asiatischen Fußball-Konföderation (AFC), seine Kandidatur kurzerhand zurück. "Die jüngsten Vorfälle haben mich in offizieller und privater Hinsicht verletzt und enttäuscht", hieß es in einer Erklärung Bin Hammams, "ich kann es nicht zulassen, dass das Ansehen der Fifa mehr und mehr in den Schmutz gezogen wird. Deshalb habe ich beschlossen, meine Kandidatur zurückzuziehen." Die genannten "Vorfälle" bezogen sich auf Ermittlungen der Fifa gegen seine Person. Mit der WM-Doppelvergabe an Russland (2018) und Katar (2022) landete Blatter seinen nächsten Coup - und das, obwohl zumindest der Wüstenstaat nicht unbedingt als ausgemachtes Fußballland gilt.

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Verfahren gegen Bin Hammam und Jack Warner

Jack Warner vows revelations on FIFA President Joseph Blatter

Quelle: dpa

Die neu gegründete Ethikkommission des Weltverbands hatte ein Verfahren gegen Bin Hammam, Fifa-Vizepräsident Jack Warner und zwei Funktionäre des Karibischen Fußball-Verbands (CFU) eingeleitet - daraufhin war Blatters Wiederwahl nur noch Formsache. Mit einem Ergebnis, das an Abstimmungen in totalitären Staaten erinnerte, trat der Schweizer seine vierte Amtszeit an. Der wegen der Fifa-Ermittlungen in Verruf geratene und nun diverser Delikte beschuldigte Warner (li.) behauptete später, er habe die WM-Fernsehrechte für die Karibikregion von der Fifa wiederholt persönlich zu Billigpreisen für den Weiterverkauf erhalten, weil er Blatter bei dessen "brutalen" Wahlkämpfen entscheidend unterstützt habe. Ob es auch 2011 so gewesen ist?

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Nach außen gibt Blatter den Moralisten

Ukraine's President Viktor Yanukovich shakes hands with FIFA President Sepp Blatter during their meeting in Kiev

Quelle: REUTERS

Seither regierte Blatter fröhlich weiter und traf sich selbst mit den umstrittensten Polit-Größen der Welt. Zum Beispiel bei der EM 2012, als er sich vom wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch empfangen ließ. Um nach außen hin den Moralisten geben zu können, steht Blatter selbst der Fifa-Ethikkommission vor, die sich jetzt für mehr Transparenz im Verband einsetzen soll. Und nicht nur das: Auch in sportlichen Fragen gibt sich der Welt-Fußballboss neuerdings aufgeschlossen: So hat Blatter höchstpersönlich dafür gesorgt, dass die Fifa zukünftig auf Torlinientechnologie statt Tatsachenentscheidungen der Referees setzen wird - ein Mittel, das er selbst jahrelang abgelehnt hatte.

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Blatter erklärt seinen Rücktritt

65th FIFA Congress

Quelle: Getty Images

Auch der Korruptionsskandal um ranghohe Funktionäre konnte Blatter vorerst nicht vom Fifa-Thron stoßen - vorerst: Trotz Rücktrittsforderungen aus Sport und Politik wurde der Schweizer Präsident des Fußball-Weltverbandes beim Kongress in Zürich für weitere vier Jahre gewählt. Mit 133 zu 73 Stimmen gewann Blatter die Entscheidung gegen seinen einzigen Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein. Doch der Druck auf den obersten Fußballboss war wohl zu hoch - kurz darauf erklärte Blatter überraschend seinen Rücktritt. Sein Amt stellte er zur Verfügung: "Wir müssen große Reformen einleiten. Ich stelle mein Mandat zur Verfügung, ich habe hart für Veränderungen und Reformen gekämpft. Aber ich kann das nicht alleine machen."

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Verfahren gegen Blatter und Platini

Blatter und Platini

Quelle: dpa

Am 7. Oktober 2015 folgte ein schwerer Schlag für die Fifa: Die Ethikkommission sperrte Blatter und Platini vorläufig für 90 Tage. Der Grund: eine dubiose Zahlung von zwei Millionen Franken von Blatter an Platini. Dieser verspätet bekannt gewordene Vorgang aus dem Jahr 2011 warf Fragen auf: Ging es um Gefälligkeiten? Nach Darstellung der Beteiligten handelt es sich um eine verspätete Honorarzahlung für Platinis Dienste aus den Jahren 1998 bis 2002. Was für Dienste, wurde nicht bekannt. Blatter und Platini versuchten es daraufhin mit Einsprüchen, diese lehnte die Berufungskommission Mitte November ab. Als kurz darauf Platini den Internationalen Sportgerichtshof Cas anrief und eine vorläufige Aufhebung seiner Suspendierung verlangte, war klar, dass sowohl Blatter als auch der Franzose nicht mehr tragbar sind als Verbandschefs. Am 23. November eröffnete schließlich Fifa-Ethikrichter Hans-Joachim Eckert offiziell ein Verfahren gegen Blatter und Platini.

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Acht Jahre Sperre

Joseph Blatter

Quelle: Steffen Schmidt/dpa

Am 21. Dezember 2015 folgte das Urteil: Blatter und Platini wurden für je acht Jahre gesperrt. Die Ermittler vermuteten bei der ominösen Zwei-Millionen-Franken-Zahlung Schmiergeld für Blatters Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Sommer 2011. Die Funktionärs-Ära beider Männer war damit Geschichte.

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Unter Infantino wird kaum etwas besser

Gianni Infantino

Quelle: dpa

Nachfolger an der Spitze der Fifa wurde Gianni Infantino, der vormalige Generalsekretär der Uefa. Alles sollte besser werden, fairer, transparenter - doch daraus wurde nichts. Beobachter attestieren der Fifa unter Infantino, dass sie im gleichen Sumpf feststeckt wie zuvor schon unter Blatter. Handstreichartig stoppte Infantino beispielsweise die Untersuchungen der Ethikkommision gegen seine eigene Person. Größenwahnsinnig wollte er zudem bereits die WM 2022 in Katar auf 48 Teams aufblähen - der Plan scheiterte jedoch.

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Der Ausverkauf der Fifa

Al Sadd v Al-Duhail - Qatar Emir Cup Final

Quelle: REUTERS

Der bisherige Höhepunkt in Infantinos Amtszeit: Der Schweizer wollte die Rechte für eine Nationen-Liga und eine auf 24 Teams aufgestockte Klub-WM an eine nicht näher benannte Investorengruppe verkaufen - für 25 Milliarden Dollar! Dies sei der Ausverkauf der Fifa, schimpften Kritiker, und Infantino kam mit seinen Plänen bislang auch nicht durch. Man darf gespannt sein, was alles noch folgt.

© SZ.de/hum/ebc
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