Fifa-Präsident:Nehmt Infantino den Fußball weg!

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Die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Gianni Infantino kann nur eine Konsequenz haben: Man muss ihn suspendieren - und nicht noch als "Freund des Fußballs" bezeichnen, wie es Rummenigge tut.

Kommentar von Claudio Catuogno

Zwei Reaktionen aus der Fußballblase fielen besonders ins Auge, nachdem die Schweizer Justiz am Donnerstag ein Strafverfahren gegen den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, 50, eröffnet hatte. Die erste trug Züge einer Pointe, war aber wahr. Die zweite kam von Karl-Heinz Rummenigge.

Zunächst zum wahren Witz des Tages: Ausgerechnet Infantinos Vorgänger Sepp Blatter, 84, war es, der sich nun als moralische Instanz gerierte mit der Feststellung, jetzt müsse "die Fifa-Ethikkommission Infantino suspendieren". Blatter, man erinnert sich, hat zwischen 1998 und 2016 jenen Morast mit angerührt, in dem der Weltfußball mitsamt seiner Glaubwürdigkeit dann versunken ist. Infantino hat das System bloß auf die Spitze getrieben. Und trotzdem: Blatter hat Recht mit der Ansicht, dass ein Fifa-Präsident nicht im Amt bleiben kann, wenn die Justiz gegen ihn ermittelt - in diesem Fall wegen Infantinos Geheimtreffen mit dem Schweizer Chefermittler Michael Lauber, hinter denen ein eigens eingesetzter Sonderermittler unter anderem "Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Begünstigung" vermutet.

Rummenigge nennt Infantino einen "Freund des Fußballs" - doch das Gegenteil ist der Fall

Blatter weiß, wovon er spricht. Als die Justiz 2015 gegen ihn Ermittlungen aufnahm, suspendierte ihn die Ethikkommission nach wenigen Tagen. Ära vorbei.

Und damit zu Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandschef des FC Bayern sprach am Donnerstagabend mit dem BR. Und was sagte er über jenen Mann, zu dem in der Schweiz sogar ein höchstrichterliches Urteil festhält, er sei Teil einer Lügenverschwörung? Nun: "Ich hoffe, dass er die Dinge geregelt kriegt. Weil: Eigentlich wäre er der Mann, um die Fifa in ruhiges Fahrwasser zu bringen." Er, Rummenigge, kenne Infantino als "Freund des Fußballs". Keine Pointe.

Man muss schon sehr betriebsblind, doppelzüngig oder von fragwürdigen Interessen geleitet sein, um sich weiterhin als Infantino-Freund zu offenbaren, zumal als Top-Vertreter des europäischen Fußballs. Der führt, mit dem Kontinentalverband Uefa als Speerspitze, ja längst eine erbitterte Abwehrschlacht gegen den Patriarchen vom Zürichberg. Weil Infantino inzwischen offenbart hat, was er plant: etwa, die Champions League der Uefa zu schwächen und den Reibach über weltweite Super-League-Turniere selbst einzustreichen. Dass er wenigen Großklubs dafür Millionen verspricht, könnte Rummenigges Wohlwollen erklären. Ansonsten hat Infantino in der Fußballwelt eigentlich nur noch dort Freunde, wo die in seiner Amtszeit vervielfachten Fifa-Entwicklungsgelder gerne genommen werden, wofür auch immer.

Und damit zur Schlüsselfrage der kommenden Tage: Wird Infantino suspendiert wie einst Blatter in ähnlicher Lage? Nun, Teil seines Systems ist es, dass er die internen Kontrollinstanzen auf sich zugeschnitten hat. Allerdings machen auch Infantino-Gegner Druck. Das Ringen läuft im Hintergrund. Öffentlich wehrt sich Infantino mit der ihm eigenen Großspurigkeit. Wie bitte? Ein Fifa-Präsident darf sich nicht mit dem Chefermittler eines Landes treffen? Ja, zählt diese Form der Unterstützung der Justiz denn nicht zu seiner "Aufklärungspflicht"?

Kein Wort darüber, dass er laut Aktenlage auch in eigener Sache bei Lauber vorsprechen wollte. Kein Wort zu der Frage, warum diese großherzige Art der Justizhilfe ganz diskret und ohne Protokoll in Hotels stattfinden musste. Und auch kein Wort zu der Frage, warum alle Beteiligten eines der Geheimtreffen unbedingt komplett vergessen mussten, ja: einfach weg! Das ist so grotesk, dass es den Bundesanwalt Lauber schon die Karriere gekostet hat. Und Gianni Infantino, der Freund des Fußballs: Man muss ihm diesen Weltfußball dringend wegnehmen, ehe er ihn vollkommen zerstört.

© SZ vom 01.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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