Süddeutsche Zeitung

Affäre um Privatjet-Flug:Fifa-Chef Infantino droht neues Strafverfahren

Seit Sommer beschäftigt Infantinos Privatjet-Affäre die Schweizer Justiz. Schon im Dezember sah ein Sonderstaatsanwalt "Anzeichen für eine strafbare Handlung" - nun könnte das Verfahren konkret werden.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

In der Affäre um einen teuren Privatjet-Flug auf Kosten des Fußball-Weltverbandes baut sich für den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino ein immer bedrohlicheres Szenario auf. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Schweiz zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung kommt. Das liegt an einer bisher nicht bekannten Entscheidung der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) aus dem Februar, aus der sich ergibt, dass die Hoheit über das Verfahren rund um den Flug nun bei dem Juristen Stefan Keller liegt.

Die juristischen Aktivitäten rund um den Fifa-Boss sind kompliziert. Keller war im Sommer als Sonderstaatsanwalt eingesetzt worden. In dieser Funktion untersucht er die Geheimgespräche Infantinos mit dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber in den Jahren 2016/17, die letztlich zu Laubers Absetzung führten; in diesem Kontext gibt es gegen Infantino ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Anstiftung zu Amtsmissbrauch und Begünstigung. Zugleich soll Keller weitere Strafanzeigen gegen Infantino prüfen - darunter auch eine zur Privatflug-Affäre.

Vor knapp einem Jahr hatte die SZ enthüllt, dass 2017 nach einer Südamerika-Reise für Infantino ein zirka 200 000 Dollar teurer Charter-Heimflug aus Surinam organisiert worden war. Die Notwendigkeit für diese Reise war gegenüber den Fifa-internen Kontrollgremien mit einem angeblichen Termin in der Schweiz begründet worden, der nie stattfand. Im Dezember kam Keller zu dem Schluss, er sehe nach Prüfung der Anzeige "Anzeichen für eine strafbare Handlung von Fifa-Chef Infantino". Ihm erscheine aufgrund von Befragungen und Recherchen eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung angezeigt, schrieb Keller; die Eröffnung eines Strafverfahrens falle aber in die Kompetenz der Bundesanwaltschaft.

Infantino, der sämtliches Fehlverhalten bestreitet und von Rufschädigung spricht, wehrt sich gegen Kellers Untersuchungen. Diverse Anträge wies das Bundesstrafgericht zurück, in einem Punkt gab es ihm recht: Keller hatte bei der Prüfung zum Privatflug den früheren Fifa-Chauffeur einvernommen, obwohl er dazu laut Verfahrensordnung noch nicht berechtigt gewesen war. Prompt versandte die Fifa am Donnerstagabend eine frohlockende Pressemitteilung.

Der Sonderstaatsanwalt selbst kann jetzt handeln

Entscheidender für den Fortgang der Causa ist jedoch, dass es seit Kellers Statement im Dezember eine gravierende Veränderung in der Verfahrenshoheit gab. Dafür ist nun doch nicht die Bundesanwaltschaft zuständig, sondern eben Keller selbst. Dies ist das Ergebnis eines Beschlusses der Aufsichtsbehörde AB-BA im Februar sowie einer erst kürzlich erfolgten Verabredung mit der kantonalen Oberstaatsanwaltschaft Zürich. Hintergrund ist laut Keller, dass die Bundesanwaltschaft aus verschiedenen Gründen für die Zuständigkeit ungeeignet sei; etwa wegen der bis heute andauernden Tätigkeit von Mitarbeitern, die Ex-Bundesanwalt Lauber unterstellt waren, sowie wegen laufender Strafverfahren gegen wichtige Mitglieder der Bundesanwaltschaft.

Noch ist in der Flugaffäre kein Strafverfahren eröffnet. Aber die Entscheidung darüber obliegt nun einem Juristen, der bereits im Dezember zu dem Schluss gekommen war, dass ihm in der Sache eine Strafuntersuchung gegen den Fifa-Präsidenten angezeigt erscheine.

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