Ermittlungen gegen Fifa:Jetzt aber mal langsam

Fifa-Boss Gianni Infantino

Fifa-Präsident Gianni Infantino: Eine Strafanzeige gegen ihn wird geprüft. Seit langem.

(Foto: Martin Ruggiero/AP)
  • Beschleunigen oder entschleunigen? Wenn es um Fifa-Präsident Gianni Infantino geht, ist das Tempo der Schweizer Ermittler verräterisch.
  • Auch bei einer neuen Strafanzeige.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Anfangs ging alles flott. Gianni Infantino rückte am 26. Februar 2016 an die Spitze des Fußball-Weltverbandes Fifa. Bereits am 22. März traf er sich mit Michael Lauber, dem Chef der Schweizer Bundesanwaltschaft BA. Am 22. April kamen die beiden erneut zusammen. Es waren geheime, entgegen der Vorschrift nirgendwo protokollierte Dates - obwohl zu diesem Zeitpunkt schon Ermittlungen der BA rund um die Fifa liefen. Später brachten die Treffen Lauber so sehr in die Bredouille, dass er in den Fußballverfahren seiner eigenen Behörde für befangen erklärt wurde; bis heute läuft ein Disziplinarverfahren. Aber als die Treffen aufflogen, rechtfertigte er sie so: Sie seien nötig gewesen, um komplexe Verfahren sinnvoll durchzuführen - und zwar "gemäß dem Beschleunigungsgebot".

Beschleunigungsgebot? Das Wort beschäftigt nun Schweizer Juristen. Es steht in Paragraf 5 der Schweizer Strafprozessordnung und mahnt eine zügige Abwicklung an. Allerdings zeigt sich nun, dass die BA dieses Gebot bei ihrer (auch international kritisierten) Arbeit gerade dann, wenn es um Infantino geht, sehr flexibel auszulegen scheint. Sie schlägt gern genau das Tempo an, das dem Fifa-Patron zupasskommen dürfte. Mal so und mal so.

Aktuell geht es um eine Strafanzeige gegen den Fifa-Boss wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung. Infantino habe durch großzügige Geschenke an einen Privatfreund, der ihm zufällig mit seinen Drähten zur BA zu Diensten war, das Vermögen der Fifa geschädigt: Das ist ein Vorwurf, der sich auch aus den Fifa-Ethikregularien gut untermauern lässt. Die Anzeige liegt nun schon seit Mai bei der Bundesanwaltschaft vor. Doch auch ein halbes Jahr danach teilt die Behörde auf Anfrage nur mit, dass sie diesen Vorgang prüfe.

Geld aus dem Fifa-Haushalt - für einen Jugendfreund?

Die Anzeige stammt von Theo Zwanziger, früher Präsident des Deutschen Fußball-Bunds und im Kontext der WM-2006-Ermittlungen um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro selbst von der BA angeklagt. Anfang Mai brachte Zwanziger die Anzeige im Rahmen einer Vernehmung vor. Ein Aspekt der Anzeige war die Wiederholung eines Vorgangs, den Zwanziger schon früher vorgebracht hatte - aber der Untreuevorwurf wegen der Geschenkorgie war eine bemerkenswerte Erweiterung.

Der Empfänger der Gaben war der Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold, der im Beziehungsgeflecht zwischen Infantino und der Bundesanwaltschaft eine herausragende Rolle spielte. Arnold traf sich im Kontext der Fußballermittlungen schon früh - sogar schon vor Infantinos Wahl - mit Vertretern der Bundesanwaltschaft. Er arrangierte kurz nach der Wahl 2016 auch das erste der insgesamt drei Geheimtreffen. Zugleich erhielt Arnold, fand ein Sonderermittler heraus, wertvolle Geschenke. Eine Reise zu einem Fifa-Kongress war darunter, ein Aufenthalt bei der WM in Russland, teure VIP-Tickets - "erhebliche, sozial unübliche Vorteile", bilanzierte der Sonderermittler. Auf mindestens 20 000 Euro summiert sich der Wert. Und bevor die Sache aufflog, wurde gar betrieben, dass Arnold ein mit 75 000 Franken im Jahr vergütetes Amt in einer Fifa-Kommission erhält.

Geld aus dem Fifa-Haushalt - für einen Jugendfreund? Infantino und Arnold finden, dass es in dem Kontext kein Fehlverhalten gegeben habe. Und die Bundesanwaltschaft? Das ist nun die Frage. Sie erscheint hier erkennbar befangen; andererseits: So einfach wegbügeln kann sie die Anzeige aufgrund der schweren Vorwürfe wohl nicht. Und so wundern sich fachkundige Beobachter nun zunehmend über die Dauer der BA-internen Prüfung.

"Das lange Liegenlassen widerspricht dem Beschleunigungsgebot", sagt der Basler Jurist und Uni-Dozent Markus Mohler. Denn darin heißt es: "Die Strafbehörden nehmen die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss." Und dies wiederum bedeutet laut Mohler "zunächst eine rasche erste Prüfung, ob ein Verfahren einzuleiten ist oder nicht". Rasch? In der Welt der Bundesanwaltschaft kann selbst so eine erste Vorprüfung schon mal sechs Monate dauern. Die BA will die Frage, wie sich in dem Fall ihr Verhalten mit dem Beschleunigungsgebot verträgt, nicht beantworten.

Die Bundesanwaltschaft prüft noch, ob sie vielleicht ermittelt. Seit mittlerweile sechs Monaten

Es ist nicht das erste Mal, dass das Tempo der BA bei Vorgängen rund um Infantino verräterisch wirkt. Anfang 2016, als Infantino just vom Uefa-General zum Fifa-Präsidenten aufgestiegen war und er und Lauber so schnell zu den Dates hetzten, gab es gleich zwei juristische Themen, die den Schweizer interessieren mussten. Das eine betraf Infantinos Ex-Chef Michel Platini, den früheren Uefa-Präsidenten. Der war ja stets als neuer Fifa-Boss vorgesehen; er wurde es aber nicht, weil sich im Herbst 2015, Monate vor der Wahl, ein Vorgang fand, der ihm 2011 zwei Millionen Franken aus der Fifa-Kasse eingebracht hatte - und nun die Verwicklung in ein Strafverfahren der BA. Aber sieh an: Auch dieses Verfahren geht bis heute, also mehr als vier Jahre danach, nicht richtig voran. Das Beschleunigungsgebot lässt grüßen.

Das zweite Thema war ein Vorgang aus 2006, als Infantino Uefa-Direktor war und einen fragwürdigen TV-Rechte-Deal signierte. Der berüchtigte argentinische Jinkis-Clan um Vater Hugo und Sohn Mariano erhielt TV-Rechte und vermittelte sie mit mehreren Hunderttausend Dollar Gewinn an eine Gruppe namens Teleamazonas weiter - eine Firma, die diese Rechte schon in den Jahren davor besessen und sich gerade erneut am Bieterverfahren beteiligt hatte. Der BA waren Teile des Vorganges schon bekannt, aber erst nach einer detaillierten SZ-Publikation im April 2016 im Rahmen der Panama Papers eröffnete sie ein Verfahren. Aber nicht gegen den bekannten Unterzeichner des Vertrages, Infantino, sondern gegen unbekannt.

Infantino wurde nicht einmal befragt, obwohl er doch den Deal signiert hatte. Warum das nie passiert ist? Wie so vieles will die BA - immerhin die oberste Strafermittlungsbehörde der Schweiz - auch das nicht konkret beantworten. Passiert ist in diesem Verfahren dann aber durchaus etwas: Im November 2017 beendete die BA nach überschaubaren Aktivitäten die Ermittlung und lieferte erneut eine für Experten irritierende Begründung: Die Uefa und ihre Marketingagentur hätten den Vertragsinhalt zwischen Jinkis und Teleamazonas ja nicht gekannt - und daher nicht gewusst, dass die Rechte viel teurer weiterverkauft wurden. Ist nicht just das die Aufgabe von Sportmanagern: in Transparenz dafür zu sorgen, dass der Hauptteil der Gewinne im Fußball verbleibt, statt auf den Konten südamerikanischer Agenten? Infantino jedenfalls war die Sorgen bald los.

Sieht man die Chronologie seiner Berührungspunkte mit jener Bundesbehörde, deren Chef Lauber in Sachen Fifa schon als befangen vom Platz gestellt wurde, dann stellt sich kundigen Beobachtern nun die Frage, welcher Weg diesmal gefunden werden könnte - damit auch aus der Untreueanzeige nichts erwächst, das den Schweizer Fifa-Chef erschüttern kann.

Zur SZ-Startseite

Umstrittener Schweizer Bundesanwalt
:Eine veritable Jux-Show

Trotz seiner aufgeflogenen Geheimtreffen mit Fifa-Chef Infantino wird der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber im Amt bestätigt. Schwer angeschlagen geht er in die dritte Amtszeit - seine erste Reaktion zeugt allerdings nicht von Einsicht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: