Süddeutsche Zeitung

Vorwürfe gegen Gianni Infantino:Die Fifa spielt Richter

Laut Weltverband soll Fifa-Präsident Gianni Infantino im Amt bleiben - trotz einer Strafermittlung. Dabei liegt die Frage, ob Infantino im Amt bleibt, gar nicht bei der Fifa.

Von Thomas Kistner

Es sollte wohl wie eine gute Nachricht für Gianni Infantino klingen, was der Fußball-Weltverband (Fifa) am Samstag über die Nachrichtenagentur AP verbreiten ließ. Wie Entwarnung für den Fifa-Präsidenten, gegen den die Schweizer Justiz ein Strafverfahren führt. Infantino könne trotzdem normal weiterarbeiten, teilte die Fifa mit: "Nichts hindert den Präsidenten daran, seine Aufgaben zu erfüllen."

Und: Er werde "weiterhin seine Funktionen innerhalb der Fifa übernehmen". Doch muss man wissen, dass die Fifa in diesem Fall gleichbedeutend ist mit: Infantino. Die Administration stützt ihren Chef, wenn sie zudem mitteilt, Infantino sei Subjekt einer Untersuchung, aber "weder angeklagt noch schuldig". Sie sei "überzeugt, dass am Ende der Untersuchungen bestätigt wird, dass der Fifa-Präsident durch die Erfüllung seiner Treuhandpflichten und das Treffen mit dem Schweizer Generalstaatsanwalt nichts Falsches getan hat".

Tatsächlich liegt die Frage, ob Infantino im Amt bleiben kann oder provisorisch suspendiert wird, gar nicht bei der Fifa - sondern beim formal unabhängigen Fifa-Ethikkomitee, das die Kolumbianerin Claudia Maria Rojas leitet. Nach bisher gelebter Praxis müssten die Ethiker Infantino aufgrund eines laufenden Strafverfahrens sperren; so, wie im Jahr 2015 seinen Vorgänger Sepp Blatter in ähnlicher Situation.

Bei dem Verfahren zu Infantino geht es um geheime Treffen mit Michael Lauber, dem Chef der Berner Bundesanwaltschaft. Eines der Treffen wollen die zwei und weitere Teilnehmer gar total vergessen haben. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat dazu jüngst ein Urteil gefällt: Absprache zu einer Lüge. Am Sonntag schwang sich die Fifa in einem bizarren Pressetext zum Richter über die Justiz auf. Zur Verfahrenseröffnung teilt sie mit: "Aus Sicht der Fifa lag kein Grund vor, diese Ermittlungen einzuleiten. Konkrete Hinweise auf ein strafrechtliches Fehlverhalten liegen nicht vor."

Das würde wohl jeder Beschuldigte so sehen. Auch erzählen Infantinos Leute, der Sonderermittler Stefan Keller habe "weder hinreichende Anhaltspunkte, noch eine klare und nachvollziehbare Rechtsgrundlage" zur Verfahrenseröffnung dargelegt. Weiter heißt es ("um dies ein für alle Mal klarzustellen"): Die Fifa und ihr Chef weisen jede Anschuldigung "kategorisch" zurück, dass Infantino jemals versucht habe, unangemessenen Einfluss auf den Bundesanwalt ausgeübt zu haben.

Just dieser Vorwurf ist aber nun Teil der Ermittlung: Eine Rolle spielt dabei ein Mailverkehr Infantinos, in dem er darlegt, er wolle Laubers Anklagebehörde beim nächsten Treffen seine persönliche Sicht auf eine neue Strafermittlung darlegen - diese drehte sich um einen Vertrag mit seiner Unterschrift.

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SZ vom 03.08.2020/jbe
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