Fußball-Weltverband:Infantinos irrer Plan in Afrika

Fifa-Boss Gianni Infantino

Fifa-Boss Gianni Infantino

(Foto: Markus Schreiber/AP)
  • Präsident Gianni Infantinos Fifa hat das Chaos im afrikanischen Verband Caf weiter vergrößert.
  • Ein besonders irrer Plan: ein modernes Stadion für jedes der 54 Länder.

Von Thomas Kistner

Am Wochenende spielte Gianni Infantino seine Stärke aus: Er lächelte das selbst verursachte Chaos in Afrika weg. Beim Treffen mit den 54 Fußballverbänden des Erdteils in Rabat/Marokko verzauberte er deren Führer mit Versprechen für zeitnahe Milliardeneinkünfte, die jeder vernünftigen Grundlage entbehren. Aber der Fifa-Boss musste gut Wetter machen: Beim Afrika-Verband Caf hatte sein Weltverband die Probleme derart verschlimmert, dass er nun den stillen Ausstieg sucht.

Infantinos Weltverband hatte Anfang August die Führung des Caf an sich gerissen, Generalsekretärin Fatma Samoura wurde für sechs Monate als "Generaldelegierte" eingesetzt. Die Zeit ist abgelaufen, in Rabat wurde gestern beschlossen, dass Samoura wieder zurück nach Zürich soll.

Zwar hatte der seit 2017 amtierende Caf-Chef Ahmad Ahmad, umtost von Korruptionsvorwürfen und Ermittlungen, den Verband im Eiltempo heruntergerockt; doch war dieser Ahmad, wie auch Samoura, Infantinos Wahl. Und schon vor dem jähen Aufstieg im Fußballgeschäft war dieses Pärchen beruflich recht eng verbandelt: Ahmad war in Madagaskar Fischereiminister, die Senegalesin Samoura war dort Delegierte des UN-Ernährungsprogramms.

Das akkumulierte Können, das die zwei Ernährungsexperten in den Fußball einspeisten, hat Afrika in Turbulenzen gestürzt. Höhepunkt bildete im Oktober die Kündigung des bis 2028 laufenden Fernsehvertrages für die Afrika-Meisterschaften mit dem Langzeitpartner Lagardère über eine Milliarde Dollar. Die wütenden Franzosen streben per Schiedsgericht eine Kompensation von 90 Millionen Dollar an. Und Caf hat keinen Sendepartner mehr. Samoura war in die Caf-Zentrale in Kairo eingerückt, die Strippen zog dort aber ein anderer Infantino-Getreuer, der Italiener Mario Galavotti. Unter dem schillernden Advokaten wurde der Lagardère-Vertrag gecancelt. Eingedenk der intransparenten Führungsstruktur im Caf prüfen auch andere Rechte-Partner ihre Engagements, bestehende wie zukünftige. Das führte dazu, dass der Caf sogar die afrikanischen Qualifikationsspiele für die WM 2022 in Katar, die im März hätten starten sollen, in den Herbst verschieben musste. Schließlich sollen diese Spiele im Fernsehen zu sehen sein, gegen Entgelt. Aber wer soll übertragen? Einen TV-Partner gibt es nicht mehr.

Da droht bald viel Ärger

Während hier und da diskrete Verträge einzelner Caf-Vorstände auffliegen, die in anderen Hemisphären Staatsanwälte aktivieren würden, hat sich die Caf-Geschäftslage unter Ahmad/Samoura sehr bescheiden entwickelt. Als Ahmad im März 2017 übernahm, belief sich der Barbestand auf 136 Millionen Dollar, bis Mai 2019 war er auf 103 Millionen abgeschmolzen. Abzuziehen sind davon noch die Preisgelder für den letzten Afrika-Nationencup, zudem sollten ja satte Rücklagen für den Streit mit Lagardère gebildet werden. Die aktuelle Finanzlage dürfte sich eher am Rande schwarzer Zahlen bewegen.

Da droht also bald viel Ärger, womöglich auch verbandsrechtlich. Schon die Übernahme des Caf, der kein Mitglied der Fifa ist, war ein Ritt auf der Rasierklinge; ein Handstreich, über den bald der Sportgerichtshof Cas urteilen soll. Die Aussicht, dass alle Deals der letzten Monate für ungültig erklärt und heikle juristische Fragen auftreten könnten, spielt womöglich mit bei Infantinos Rückzugsbefehl an Samoura. Der offiziell ein Caf-Beschluss ist. Aber Infantino braucht Afrika. Der Kontinent ist das letzte Einfallstor, um seine Machtpläne im Weltfußball zu verwirklichen. Und der Caf ist nun so gespalten und desolat, dass der Zürcher Autokrat dort auch ohne Statthalterin reinregieren kann. Nach dem Scheitern seiner Pläne, die Fifa-Rechte mithilfe arabischer Investoren in eine Firma auszulagern, an deren Spitze er selbst sitzt, nimmt Infantino seit Monaten eine Klientel ins Visier, die ihn formal gar nichts angeht: die Profiklubs. Er bastelt an einer globalen Super-League der Vereine, unter dem Dach der Fifa. In Afrika soll das beginnen. Deshalb brachte er die Delegierten in Rabat auf dreiste Art in Stellung gegen Europa. Denn der Verband, die Uefa, hat die Machtspiele durchschaut und widersetzt sich ihnen systematisch.

Am Samstag präsentierte Infantino Afrikas Verbandschefs eine bizarre Rechnung. Gemeinsam wolle man eine Milliarde Dollar am Finanzmarkt erlösen, um damit, kein Witz, "in jedem der 54 Länder wenigstens ein erstklassiges Stadion zu bauen". Wie man mit 18 Millionen Dollar ein tolles Stadion bauen soll, blieb ebenso offen wie die Frage, ob Afrika nicht wichtigere Probleme zu stemmen hat. Noch dicker trug er dann auf, als er für seine Vision "einer pan-afrikanischen Klubmeisterschaft mit 20 bis 24 Teams" warb: Ja, dieses Projekt würde zwar weitere zwei Milliarden verschlingen, was sich mit der Stadion-Milliarde auf drei summiere - aber: "Diese drei Milliarden werden weitere drei Milliarden als Einnahmen generieren!" Stille im Saal. Tief schaute Gianni in die Gesichter der Funktionäre, dann folgte diese Erklärung: "Weil Afrikas Fußball die Kategorie wechseln wird!" Ist doch alles ganz einfach.

Afrikas Superliga würde "automatisch" unter die Top Ten weltweit rutschen. Und das, erklärte Infantino mit diabolischem Grinsen, "ist das, was die anderen nicht zulassen wollen!" Die anderen in Europa. Die Schlacht ist eröffnet.

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