Rund um den Fußball-Weltverband zieht der nächste große Skandal auf. Wie sich aus einem Beschluss des Schweizer Bundesstrafgerichtes ergibt, hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Fribourg nun einen langjährigen Vertrauten von Fifa-Präsident Gianni Infantino im Visier: den aktuellen, stark umstrittenen Generalsekretär des afrikanischen Kontinentalverbandes (Caf), Véron Mosengo-Omba. Es geht demnach um den Verdacht auf Missmanagement, Betrug und Urkundenfälschung.
Véron Mosengo-Omba, gebürtiger Kongolese und seit Langem Schweizer, war Studienfreund Infantinos an der Uni Fribourg, später auch im Sportmanagement. Und er galt als großer Wahlhelfer, als Infantino Anfang 2016 auch dank der Voten der afrikanischen Verbände den Fifa-Thron eroberte. Nach der Kür holte Infantino seinen Freund sogleich zum Weltverband, hier betreute Mosengo-Omba fortan die beliebte Entwicklungshilfe für die allzeit bedürftigen Föderationen Afrikas und der Karibik. Bald rückte er zum Chef für alle Mitgliedsverbände auf. Und im März 2021 wechselte er von der Fifa als Generalsekretär zum Caf. Wo Infantino seine Stammwählerschaft hat.
Dass an Afrikas Spitze Vertraute von Infantino werkeln, hat seltsame Tradition. Als Mosengo-Omba in der Verbandszentrale in Kairo einzog, herrschte dort ein filmreifes Finanzchaos. Hinterlassen hatte es ein anderer Getreuer Infantinos, der erst 2017 als Caf-Präsident installierte Ahmad Ahmad. Er war am Rande der WM der Frauen 2019 in Frankreich sogar festgenommen worden, zudem arbeiteten Wirtschaftsprüfer heraus, wie unter Ahmad allein zwischen 2017 und 2019 rund 24 Millionen Dollar in dunkle Kanäle versickert seien.
Ahmad wurde zum Risiko, und die Fifa vollzog eine absurd wirkende Rochade: Sie setzte, offiziell auf Bitte Ahmads, die Senegalesin Fatma Samoura als Caf-Aufseherin ein – ihres Zeichens im Hauptberuf Generalsekretärin in Infantinos Weltverband. Sie siedelte für ein halbes Jahr nach Kairo um, dann schickte sie ein wütender Caf-Kongress zurück nach Zürich. Und Ahmad wurde wegen korrupter Umtriebe gesperrt.
Monate darauf pirschte der nächste Infantino-Vertraute in die Afrika-Zentrale. Mosengo-Omba kam im Schlepptau des neuen, im März 2021 inthronisierten Präsidenten Patrice Motsepe; auch den Südafrikaner hatte Infantino protegiert. Die Talfahrt des Caf hielt an, zugleich stieg die Anzahl der Kostgänger. Statt zwei Vizepräsidenten benötigt Afrika nun fünf, erst am Dienstag wurde einer von ihnen in Dschibuti im Zuge einer Finanzaffäre verhaftet. Zwei Dutzend Funktionäre umfasst der Caf-Vorstand, er verschlang rund 500 000 Dollar an jährlichen Kosten – pro Kopf. Obendrauf kam ein Bonussystem: Nach Ablauf einer Amtsperiode darf der Caf-Boss 500 000 Dollar zusätzlich einsacken, die Vizes 250 000, das einfache Vorstandsmitglied 150 000.
In diesem Habitat führte der vormalige Fifa-Manager Mosengo-Ombas so lange Regie, bis es zum Bruch mit Afrikas Granden kam. Ende September forderte eine interne Kommission seine Suspendierung, erneut sollen internationale Wirtschaftsprüfer ran.
Parallel ist die Schweizer Justiz im Stillen schon seit Februar aktiv. Da wurden im Kanton Fribourg eine Untersuchung angeschoben, wie sich aus den Gerichtsunterlagen ergibt, die der SZ vorliegt und über die das Schweizer Justizrecherche-Medium Gotham City als Erstes berichtete.

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Doppeltes Präsidentengehalt, sein Assistent als Generalsekretär und die Rückkehr zur Willkür von einst: Gianni Infantino schneidet den Fußball-Weltverband ganz auf sich zu. Die Leidtragenden? Unter anderem die Deutschen, die die WM 2027 verlieren.
Der Anlass für die Ermittlungen: Die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) hatte eine Reihe von Verdachtsmeldungen auf Schweizer Konten erhalten. Unter anderem soll der „Generalsekretär“ wiederholt Prämien erhalten haben, die fünfmal höher lagen als der Höchstbetrag seines Arbeitsvertrags. Auch habe es allerlei Barbezahlungen gegeben. Laut Aktenlage bezog sich die MROS auf ein „Bündel an Beweisen, die den Verdacht auf Akte illoyalen Managements“ zugunsten des Funktionärs begründeten.
Eingedenk der zu befürchtenden Publikumswirksamkeit wollten die Kantonal-Ermittler die brisante Causa lieber an die Bundesjustiz weiterreichen. Sie argumentierten, dass im Falle, dass sich der Verdacht erhärte, dem Finanzplatz „schwerer Schaden zugefügt und der Ruf der Schweiz gefährdet“ werden könne. Das nationale Ansehen in Gefahr – da solle besser der Bund ran. Die Freiburger Justiz wandte sich deshalb ans Bundesstrafgericht, aber das führte zu nichts. Sie sollen die Sache nun selbst anpacken.
Delikate Fragen wirft der Fall des in Caf-Dienste gewechselten Infantino-Intimus auch an die Fifa auf. Denn die Skandalchronik des Afrika-Verbandes wurde über all die Jahre akribisch von dortigen Online-Medien begleitet und unablässig in die Welt getragen. Mitte August zerrte die Fifa plötzlich den US-Konzern Google vors Zürcher Handelsgericht. Im Kern griff die Fifa eine Webseite an, die in den Resultaten erscheine, wenn nach dem Weltverband gesucht wird. Die Seite widme sich ausschließlich der Fifa, stelle sie als korrupte Organisation dar, von mafiösen Strukturen durchzogen, und greife Funktionäre direkt an.
Vor zwei Wochen wies das Gericht die Klage ab. Google muss nichts löschen. Und merkwürdig: Laut Urteil erscheine die Webseite gar nicht, wenn man nur „Fifa“ googeln würde – anders als behauptet. Der Zensur-Versuch ging nach hinten los, die Fifa muss Google sogar entschädigen. Oder in eine nächste Instanz ziehen – was im Lichte der neuen Affäre besonders interessant wäre.
Die Fifa antwortete auf eine Anfrage zum Thema nicht; auch nicht auf die Frage, ob ihre Google-Klage mit dem Fall Mosengo-Omba zusammenhänge. Der taumelnde Generalsekretär meldete sich per X-Account: Bei den strittigen Zahlungen handle es sich um Löhne und Boni, die ihm vertraglich zustünden. Er habe die Strafbehörden und die Banken schon kontaktiert.
Er hatte sich schon im Juli per X über böse Presseberichte beklagt: Seine Bemühungen, den Caf „umzukehren und zu regulieren“, würden durch Berichte sabotiert, die keine Beweise enthielten. Das würde eine unabhängige Untersuchung im Caf bald aufdecken. So eine läuft nun in der Tat. Der Caf will ihn nicht nur suspendieren, sondern auch Anwälte einschalten.