Fußball-Weltverband:Schweizer Gericht stoppt Infantino-Ermittler

Fußball-Weltverband: Fifa-Präsident Gianni Infantino beim Kongress der Uefa im April.

Fifa-Präsident Gianni Infantino beim Kongress der Uefa im April.

(Foto: Richard Juilliart/AP)

Seit dem Vorjahr kümmerte sich der Sonderermittler Stefan Keller um anrüchige Vorgänge rund um Fifa-Boss Infantino. Nun wird er abgesetzt - doch das Verfahren geht weiter.

Von Thomas Kistner

Sieg auf Zeit für Gianni Infantino vor dem Schweizer Bundesstrafgericht: Der außerordentliche Bundesanwalt Stefan Keller darf nicht mehr gegen Fifa-Boss ermitteln. Die zuständige Beschwerdekammer hieß ein Ausstandsbegehr von Infantino gut. Grund sind öffentliche Äußerungen Kellers, die angeblich seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Allerdings ignorierte die Kammer Infantinos Forderung, alle bisherigen Amtshandlungen gegen ihn durch Keller für nichtig zu erklären. Diese bleiben bestehen, das Urteil ist nicht anfechtbar. Es braucht nun also einen neuen Sonderermittler.

In einer Erklärung nahm Stefan Keller die Sache zur Kenntnis, wies jedoch Vorwürfe zurück, er habe irreführende und tatsachenwidrige Informationen kommuniziert, wie es die Kammerrichter nahelegten. Laut Auskunft von Andrea Caroni, Chef der Schweizer Gerichtskommission, sind Keller und ein Vertreter der Aufsichtsbehörde AB-BA eingeladen, bei der nächsten Sitzung das weitere Vorgehen zu erläutern.

Es hatte überhaupt lange gedauert, einen entschlossenen Ermittler zu finden. Im Verfahren gegen Infantino geht es um mehrere nicht protokollierte Treffen mit Ex-Bundesanwalt Michael Lauber in den Jahren 2016 und 2017 sowie um Strafanzeigen im Kontext einer gegenüber der Fifa-Aufsicht mit Lügen begründeten Benutzung eines Privatjets. Keller, Gerichtspräsident in Obwalden, hatte von Beginn an mit öffentlich vorgetragenen Attacken aus dem juristischen und politischen Umfeld der Fifa zu tun. Er hielt zu oft dagegen und beging kommunikative Fehler. Drei seiner Medieninformationen seien "nicht in der gehörigen objektiven Art und Weise erfolgt" und hätten das "Sachlichkeitsgebot" verletzt, urteilte die Kammer.

Eine Serie von Possen und Pannen

Im Gesamtbild ist die Abstrafung Kellers keine Überraschung. Bisher fiel die Schweizer Strafverfolgung im Umgang mit den Sportverbänden nie als harte Instanz auf. Im Gegenteil. Innerhalb der globalen Fußball-Ermittlungsverfahren, ausgelöst durch das amerikanische FBI mit zwei Großrazzien in Zürich 2015, gaben die Schweizer Behörden ein amateurhaftes Bild ab. Insbesondere die Berner Bundesanwaltschaft (BA) wurde bald als Brettlbühne, später als veritabler Intriganten-Stadl auffällig. Die Serie von Possen und Pannen führte zum Abgang von Bundesanwälten, darunter der Behördenchef persönlich: Michael Lauber.

Zu den Pleiten zählte die geräuschlose Einstellung des deutschen Sommermärchen-Verfahrens um dubiose Millionen-Transaktionen vor der WM 2006. Der Gesamtvorgang erinnerte fachkundige Beobachter an eine Verschleppung: Nicht jedem Drehbuchautor würde eine Story abgekauft, in der das Bundesstrafgericht Tage vor Verjährungseintritt zu den zwei einzigen Verhandlungstagen lädt, die sie zudem nur mit Formalien verbringt. Seit mehr als einem Jahr warten die einst Beschuldigten nun auf die formale Verfahrenseinstellung.

So ging das durch die Bank. In einem Korruptionsverfahren, das auch Katars höchsten Fußballvertreter betraf, Nasser al-Khelaifi, wurde der zentrale Anklagepunkt nach einem Settlement in letzter Minute fallengelassen. Und ein im April 2016 eröffnetes Verfahren, das sich um einen von Infantino persönlich unterzeichneten TV-Vertrag mit südamerikanischen Marketendern drehte, die in anderen Strafverfahren aus dem Fifa-Kosmos angeklagt sind, wurde stets nur gegen Unbekannt geführt und 2017 geräuschlos eingestellt; nach Aktenlage wurde der Vertragsunterzeichner Infantino nie dazu befragt.

Härtetest für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Justiz

Oder ist dies bei seinen diskreten Tete-a-tetes mit dem Bundesanwalt Lauber geschehen? Auch solchen Fragen war der nun abgesetzte Sonderermittler Keller nachgegangen, offenkundig kam er gut voran. Wiewohl ihm auch die Justiz selbst Steine in den Weg legte: Zu zentralen Akten erhielt er keinen Zugriff.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass er gegen den ersten Teilnehmer der Fifa-Treffs mit der Schweizer Justiz ein Strafverfahren eröffnet hat: Andre Marty. Der langjährige Behördensprecher hatte für die BA die Meetings der Gedächtnisschwachen mitgeplant, zweimal war er auch selbst zugegen. Mit der Anklageerhebung wurde nun auch plötzlich Martys Kündigung bei der Berner Justiz bekannt. Nicht so schlimm: Trotz des Verfahrens hat er bereits den nächsten Job bei einer anderen Bundesunternehmung, der Schweizer Bahn.

Dass Keller nun auch dieses Verfahren sowie die Ermittlungen gegen Lauber und einen Walliser Staatsanwalt, der Infantino vertraulich zugearbeitet hatte, wird abgeben müssen, gilt als gesichert. Zu seiner Nachfolge ist in Bern bereits gerüchteweise zu hören, dass nun ein politisch besser vernetzter Sonderermittler eingesetzt werden soll. Dabei wird diese Auswahl endgültig zum Härtetest für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Justiz.

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