Süddeutsche Zeitung

Fußball:Ein Milliardär für Infantino

Fifa-Boss Gianni Infantino versucht schon länger, den afrikanischen Fußballverband nach seinem Gusto aufzustellen: Nun steigt der Unternehmer Patrice Motsepe zum neuen Präsidenten auf - begleitet von Empörung.

Von Johannes Aumüller

In Justizfragen hatte Gianni Infantino, der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, zu Beginn der Woche keinen Grund zur Freude. Da kassierte er vor dem Schweizer Bundesstrafgericht eine weitere Niederlage. Seit Sommer ermittelt der Sonderstaatsanwalt Stefan Keller gegen Infantino, es geht im Kontext seiner Geheimtreffen mit dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber um den Verdacht auf Anstiftung zu Amtsmissbrauch und Begünstigung. Infantino beantragte Akteneinsicht und eine Wiederholung der Beweiserhebung - doch das lehnte das Gericht ab. Kellers Ermittlungen gehen also wie geplant weiter.

Ein wenig erfolgreicher sieht, zumindest auf den ersten Blick, Infantinos Wirken in einer wichtigen sportpolitischen Frage aus. Am Freitag wählt Afrikas Fußball-Verband (Caf) in Rabat/Marokko einen neuen Präsidenten - und es ist ein Infantino genehmer Kandidat durchgedrückt worden: der südafrikanische Bergbau-Milliardär Patrice Motsepe. Das ist für Infantino im globalen Fußball-Machtkampf von erheblicher Bedeutung. Doch zugleich erzeugt die Tatsache, dass die Fifa bei der Wahl des Kontinentalchefs mitmischt und versucht, den Verband nach ihrem Gusto aufzustellen, in Afrikas Fußball große Empörung.

Motsepe, 59, ist eine erstaunliche Besetzung als Caf-Boss. Seit den Neunzigerjahren ist der Jurist aus Johannesburg im Bergbaugeschäft tätig und dabei so reich geworden, dass er als erster schwarzer Milliardär Südafrikas galt. Sein Firmenimperium umfasst längst viel mehr Branchen, und bis heute zählt er zu den vermögendsten Menschen des Kontinents. Seine politische Vernetzung könnte besser kaum sein: Sein Schwager ist Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa. Im Fußball trat Motsepe bisher lediglich in Erscheinung, weil er 2003 als Investor bei den Mamelodi Sundowns einstieg, einem Verein aus Pretoria, der sich seitdem zum erfolgreichsten Klub des Landes entwickelte: In fünf der vergangenen sieben Jahren gewann er die Meisterschaft, 2016 Afrikas Champions League.

Jetzt rückt der Milliardär an die Spitze des seit Jahren von Skandalen und Affären erschütterten Caf - und damit auch auf den Posten eines Vizepräsidenten bei der Fifa. Infantino braucht in dieser Rolle einen treuen und einflussreichen Gewährsmann. Der geschwächte Fifa-Boss sieht sich im internationalen Fußball vielen Gegnern gegenüber. Die Führung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) ist strikt gegen ihn, auch die südamerikanische Konföderation schwenkte im vergangenen Jahr auf den Anti-Infantino-Kurs ein, Asien ist traditionell brüchig. Umso wichtiger ist es für Infantino, den afrikanischen Verband mit seinen 54 Mitgliedern hinter sich versammeln zu können.

Gleich vier Kandidaten brachten sich ins Spiel, aber zu einer Kampfabstimmung kommt es nicht

Dabei zieht es sich durch weite Teile seiner seit Februar 2016 andauernden Regierungszeit, dass sich die Fifa-Führung in die Belange des Caf einmischt - ganz so, als könne sie aus dem fernen Zürich über Afrikas Fußball herrschen. Im Frühjahr 2017 kam es zur Ablösung des langjährigen Präsidenten Issa Hayatou, es übernahm Ahmad Ahmad aus Madagaskar. Der war vorher Fischereiminister seines Landes und der Mann, der Infantino eine neue Generalsekretärin zuführte: Fatma Samoura.

Doch Infantinos Vertrauter fiel rasch mit fragwürdigem Gebaren auf: Im Sommer 2019 vernahm ihn in die Pariser Staatsanwaltschaft, kurz danach lag auch bei der Ethikkommission der Fifa ein umfangreiches Dossier. In der zweiten Jahreshälfte 2019 entsandte Infantino seine Generalsekretärin als Oberaufseherin in die Caf-Zentrale. Er schützte Ahmad lange, doch irgendwann sahen sich sogar die gegenüber dem aktuellen Spitzenpersonal chronisch gnädigen Fifa-Ethiker zum Eingreifen gezwungen: Sie suspendierten Ahmad im November wegen mehrerer Verstöße wie der Veruntreuung von Geldern, etwa rund um eine luxuriöse Pilgerreise von Verbandschefs nach Mekka oder seine Rolle bei einem Ausrüster-Deal. Fünf Jahre Sperre gab es (die der Internationale Sportgerichtshof Cas diese Woche auf zwei reduzierte), und Infantino brauchte einen neuen Verbündeten.

Gleich vier Kandidaten brachten sich ins Spiel. Aber zu einer Kampfabstimmung kommt es nicht - weil unter Orchestrierung der Fifa alles vorab gelöst wurde. Nach zwei Treffen in Rabat und Nouakchott/Mauretanien in den vergangenen Wochen stand das Tableau: Motsepe wird Präsident, seine Kontrahenten Augustin Senghor (Senegal) und Ahmed Yahya (Mauretanien) sollen Vizeposten bekommen, Jacques Anouma (Cote d'Ivoire) eine Beraterrolle. "Ich freue mich sehr, dass die Fifa, wenn auch nur ein wenig, zu diesem entscheidenden Moment für den Fußball auf diesem großen Kontinent beitragen konnte", gab Infantino zu Protokoll. Ein starkes Signal für Afrika sei das.

Bei seinen Kritikern in Afrika hingegen löste sein Verhalten großen Unmut aus - zum Beispiel bei Musa Bility, früher Chef der liberischen Föderation und Caf-Vorstand. Er zählt zu den Funktionären, die 2019 im Kontinentalverband eine Sonderprüfung auf den Weg brachten, kurz danach wurde er allerdings von der Fifa wegen angeblicher Veruntreuung von Fußballgeldern gesperrt; dagegen geht er beim Cas vor. "Immer wieder hat Gianni Infantino dem afrikanischen Fußball gezeigt, dass er sein größter Feind ist", sagt Bility. Es sei ein Verhalten, das an den früheren belgischen König Leopold II. erinnere, der von 1885 bis 1908 despotisch und grausam über Kongo herrschte. Auch andere bemängeln die Intransparenz und die Einmischungen. Und es muss sich noch zeigen, ob der Plan mit dem Milliardär Motsepe auch aufgeht.

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