Fifa-Führungskrise:Warten auf den Tsunami

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Spitzenfunktionäre unter Korruptionsverdacht, offene Zweifel an der rechtmäßigen Vergabe der Fußball-WM 2022, Präsidentschaftswahl ohne Gegenkandidaten: Die Führungskrise der Fifa spitzt sich zu - nun warten viele auf jene ominöse Pressekonferenz, die wie eine Welle über den Weltverband schwappen soll.

Joseph Blatter ging am Dienstagmorgen auf Werbetour in eigener Sache, doch die Wahl des Fifa-Präsidenten ist länge eine Farce. Der englische Fußballverband FA verlangte inzwischen die Verschiebung der für Mittwoch angesetzten Wahl.

Fifa-Präsident in Eile: Sepp Blatter verlässt die Pressekonferenz. (Foto: AFP)

Zudem sollen nach bislang unbestätigten Angaben "neun oder zehn" Delegierte der Asiatischen Fußball-Konföderation AFC bereits abgereist sein aus Protest gegen die Suspendierung des einstigen Präsidentschaftskandidaten Mohamed bin Hammam. Das wäre ein verheerendes Signal für den im Kreuzfeuer stehenden Amtsinhaber Blatter.

Der 75 Jahre alte Schweizer hatte um 9:30 Uhr im Züricher Nobelhotel "Renaissance" ein paar Grußworte an die AFC-Vertreter gehalten und wollte trotz des desaströsen Zustandes seines Verbandes intensiv für sich werben. "Es muss schlimm gewesen sein", berichtete ein Fifa-Insider später.

AFC-Chef Bin Hammam war am Sonntag von der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes wegen Korruptionsvorwürfen vorläufig suspendiert worden. Der 62-Jährige bestreitet alle Vorwürfe, auch die einer gekauften WM 2022 in Katar, und legte prompt Einspruch gegen seinen Ausschluss ein.

Für Verwirrung und Rätselraten sorgte auch am Dienstag eine angebliche Enthüllungs-Pressekonferenz zur WM-Vergabe an Katar. Laut eines Mitglieds der "Entourage" eines ehemaligen Fifa-Offiziellen sollte sie am Nachmittag in einem Fünf-Sterne-Hotel in Zürich stattfinden. Das Hotel teilte aber mit, dass dort keine Pressekonferenz geplant sei.

Sogar Belege und Kontoauszüge waren angekündigt, die Korruption bei der erfolgreichen WM-Bewerbung Katars belegen sollten. Die Namen von vier hochrangigen Mitgliedern der FIFA-Exekutive standen auf einer dubiosen Einladung, die von einem noch dubioseren Informanten verschickt wurde. Bei den Beschuldigten solle es sich angeblich um Issa Hayatou (Kamerun), Nicolaz Leoz (Paraguay), Julio Grondona (Argentinien) und Rafael Salguero (Guatemala) handeln. Nur: Die mit großem Getöse angekündigte Pressekonferenz fand bislang nicht statt.

Nun heißt es, das Hotel habe keinen Raum zur Verfügung gestellt - der Informant soll nun auf der Suche nach einer neuen Lokalität sein, um die Pressekonferenz doch noch abhalten zu können. Aus dem Bundesamt der Justiz in der Schweiz hieß es, dass es sich bei der Email, wonach die Pressekonferenz verboten worden sei, um eine Fälschung handelt.

Fifa-Exekutivmitglieder
:Sepp und der Sumpf

Fast die Hälfte der Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees steht oder stand inzwischen unter Betrugsverdacht - meist geht es um die Stimmen bei der Vergabe von Posten oder Weltmeisterschaften und um kleinere Geschenke und Zahlungen in Millionenhöhe. Die Fälle im Einzelnen.

Nun könnte es die Fifa dort treffen, wo es wirklich schmerzt: Wichtige Sponsoren und Geldgeber halten sich mit Kritik am schlimmsten Skandal der 107-jährigen Fifa-Geschichte nicht zurück. Ein Sprecher des amerikanischen Getränkegiganten Coca-Cola nannte das Führungschaos "beunruhigend und schlecht für den Sport". Der Konzern wolle der Fifa als Sponsor aber weiter die Treue halten.

Fifa-Exekutivmitglieder
:Sepp und der Sumpf

Fast die Hälfte der Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees steht oder stand inzwischen unter Betrugsverdacht - meist geht es um die Stimmen bei der Vergabe von Posten oder Weltmeisterschaften und um kleinere Geschenke und Zahlungen in Millionenhöhe. Die Fälle im Einzelnen.

Auch der fränkische Sportartikel-Hersteller Adidas verurteilte die jüngsten Entwicklungen. "Der negative Tenor der öffentlichen Debatte um die Fifa ist weder gut für das Image des Fußballs, noch der Fifa und seiner Partner", sagte Firmensprecher Jan Runau am Dienstag. Er bestätigte zugleich eine Fortsetzung der "langjährigen und erfolgreichen Partnerschaft".

Als dritter Werbepartner des Fußball-Weltverbandes hat nun auch die Fluglinie Emirates die FIFA kritisiert. "Emirates ist wie alle Fußball-Fans in der Welt enttäuscht über die Vorfälle, die um die Führung des Sports kreisen", sagte Firmensprecher Boutros Boutros am Dienstag in einer Pressemitteilung.

Zudem wurden Vorwürfe laut, bei der WM-Vergabe 2022 nach Katar sei Geld geflossen. "Die derzeitige Situation ist nicht gut für den Sport und wir haben die FIFA aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, die aufgekommenen Vorwürfe zu klären", teilte das Unternehmen Visa mit.

Die Fifa hält an dem absurd anmutenden Wahltermin fest, obwohl immer neue Details dieses schmutzigen Spiels bekanntwerden. So soll paraguayische Spitzenfunktionär Nicolas Leoz als Gegenleistung für seine Unterstützung der WM-Bewerbung Englands gefordert haben, dass der traditionsreiche englische Pokalwettbewerb nach ihm benannt wird.

Dies offenbarte der Anwalt James Dingemans, der nach den englischen Bestechungsvorwürfen gegen vier Fifa-Spitzenfunktionäre einen knapp 200-seitigen Untersuchungsbericht für Englands Fußballverband FA angefertigt hatte. Dieser Report wurde weitergereicht an die Fifa, die am Montagabend eine 33 Seiten lange Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse veröffentlichte. Dingemans präsentierte eine E-Mail, in der Leoz über einen Verbandsvertreter verlangt haben soll, dass der FA-Cup, immerhin der älteste Pokalwettbewerb der Welt, seinen Namen trägt.

Nach kurzen Diskussionen, ob eventuell ein anderer Wettbewerb nach Leoz benannt wird, habe das Bewerbungskomitee jedoch sämtliche Pläne verworfen. Leoz, seit 1986 Präsident des südamerikanischen Verbandes CONMEBOL, bestreitet alle Vorwürfe.

Ex-FA-Chef David Triesman hatte vor drei Wochen sogar behauptet, der 82-Jährige habe einen Ehrenrittertitel für seine Stimme gefordert. Bei der Parlamentsanhörung am 10. Mai hatte Triesman neben Leoz drei weitere Mitglieder der Fifa-Exekutive der Bestechung bezichtigt. Leoz, Fifa-Vize Jack Warner (Trinidad und Tobago), Brasiliens Verbandschef Ricardo Teixeira und Worawi Makudi (Thailand) hätten "unsachgemäß und unethisch" gehandelt und unlautere Forderungen als Gegenleistung für Stimmen gestellt.

Nach einer ausgiebigen Untersuchung wurden alle vier Funktionäre von den Triesman-Vorwürfen vorläufig entlastet. Es seien keine Beweise gefunden worden, hatte Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke am Sonntag erklärt. Auch Fifa-Präsident Blatter schloss weitere Ermittlungen vorerst aus. "Es sind keine weiteren Schritte nötig", sagte der Schweizer auf seiner Pressekonferenz am Montagabend.

Fifa-Exekutivmitglieder
:Sepp und der Sumpf

Fast die Hälfte der Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees steht oder stand inzwischen unter Betrugsverdacht - meist geht es um die Stimmen bei der Vergabe von Posten oder Weltmeisterschaften und um kleinere Geschenke und Zahlungen in Millionenhöhe. Die Fälle im Einzelnen.

Die Bestechungsvorwürfe gegen Funktionäre des Weltfußballverband werden in der Schweiz nicht rechtlich verfolgt. Das stellte der Informationschef des Bundesamtes für Justiz, Folco Galli, am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa noch einmal klar.

Auch angesichts der jüngsten Ereignisse bei der Fifa habe sich an dieser Sachlage nichts geändert, sagte Galli. Zwar stellt das schweizerische Recht sowohl die aktive wie auch die passive Privatbestechung unter Strafe. Es sei aber "zweifelhaft, ob Vorfälle wie die aktuellen Korruptionsvorwürfe gegen Fifa-Vorstandsmitglieder von diesen Bestimmungen erfasst werden", hatte Galli schon früher erklärt.

Der Präsident der Schweizer Konferenz der Strafverfolgungsbehörden, Felix Bänziger, hatte beklagt, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das auch die Strafverfolgung der Privatbestechung regelt, ausschließlich den wirtschaftlichen Wettbewerb schützt. "Das ist eine skandalöse Lücke, für die ich immer noch kein Verständnis habe", sagte Bänziger.

Die Regierung, der Bundesrat, hatte sich im November 2004 mit dieser Frage befasst. Die Politik debattierte seinerzeit, ob auch Sportvereinigungen wie etwa die Fifa in Zürich oder das in Lausanne ansässige Internationale Olympische Komitee (IOC) unter den juristisch relevanten Tatbestand fallen.

Dies erscheine dann zweifelhaft, "wenn Mitglieder eines solchen Verbandes beispielsweise von einer für die Organisation einer Veranstaltung kandidierenden Stadt finanzielle Vorteile für die Erteilung des Zuschlags entgegennehmen würden", stellte die Regierung damals fest. Es sei fraglich, ob es sich um ein vom Gesetz erfasstes Geschäftsgebaren handele und ob die Kandidatenstädte in einem Wettbewerbsverhältnis im Sinne des Wettbewerbsrechts zueinander stünden.

Anders wäre zu entscheiden, wenn mit Bestechungszahlungen an oder von privatwirtschaftlichen Unternehmen auf ein Wettbewerbsverhältnis eingewirkt würde, etwa beim Abschluss von Sponsoringverträgen. Die Schweizer Regierung ist grundsätzlich der Ansicht, dass es an den Verbänden sei, "Vorkehrungen zu treffen, um ihre internen Wahl- und Abstimmungsmechanismen frei von unstatthafter Beeinflussung zu halten".

Allerdings wurde das Bundesamt für Sport von Sportminister Ueli Maurer beauftragt, bis Mitte 2011 einen Bericht zum Problem der Korruption in Sportverbänden zu erstellen. Das steht noch aus

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