Fifa:Fragwürdige Freundschaft

neue Vorsitzende Fifa-Ethikkommission

Maria Claudia Rojas.

(Foto: Privat)
  • SZ-Recherchen werfen die Frage auf, ob die neue Ethik-Chefin Maria Claudia Rojas wirklich als unabhängig gelten kann und die Kernanforderung erfüllt, um den Ethikerstab zu leiten.
  • Denn offenbar ist sie gut vernetzt in Kolumbiens unruhigem Fußball - und mit dessen traditionell schillernden Protagonisten.
  • Stark irritierend ist ihre frühere Nähe zu Luis Bedoya, dem langjährigen Chef des kolumbianischen Fußballverbands FCF.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Dass sie nicht neutral ist, hat Maria Claudia Rojas kürzlich selbst zugegeben. Sie sei, sagte die neue Ethik-Chefin des Fußball-Weltverbands Fifa dem Blatt El Tiempo, großer Fan von América de Cali - jenes Klubs in ihrem Heimatland Kolumbien, der ob engster Verflechtungen mit dem lokalen Kokain-Kartell viele Jahre im Visier der US-Drogenbekämpfer war. Aber diese Art Leidenschaft ist das geringste Problem, wenn nun ihre Neutralität in den Fokus rückt.

SZ-Recherchen werfen die Frage auf, ob Rojas wirklich als unabhängig gelten kann und die Kernanforderung erfüllt, um den Ethikerstab zu leiten. Denn offenbar ist sie gut vernetzt in Kolumbiens unruhigem Fußball - und mit dessen traditionell schillernden Protagonisten.

Rojas kam erst vergangene Woche ins Amt. Beim Fifa-Kongress in Bahrain servierte Weltverbands-Boss Gianni Infantino überfallartig die allzu effektiv arbeitenden Chefs der Ethikkammern ab. Anstelle von Cornel Borbély und Hans-Joachim Eckert installierte er zwei Neue, die er als "die besten Spezialisten" rühmte. Spruchkammer-Chef ist nun der Grieche Vassilios Skouris, einst Präsident am Europäischen Gerichtshof. Und die Untersuchungs- und damit wichtigste Kammer soll Maria Claudia Rojas führen: Rechtsanwältin, Jura-Dozentin sowie 2014/15 zur Karrierekrönung Präsidentin des Staatsrates, des obersten nationalen Verwaltungsgerichts. Nun aber könnte sie zur Belastungsprobe für den Weltverband werden.

Das Fifa-Reglement in solchen Fällen ist eindeutig

Stark irritierend ist ihre frühere Nähe zu Luis Bedoya. Die amerikanische Justiz lastet dem langjährigen Chef des kolumbianischen Fußballverbands FCF in einer 23-seitigen Anklageschrift zum Geschäftssumpf um die Fifa "diverse kriminelle Aktivitäten" an, "inklusive Betrug, Bestechung und Geldwäsche zum Zweck persönlicher Vorteile". All diese Delikte liefen seit Anfang 2007; nun wartet der 57-Jährige auf seine Verurteilung in den USA. Die geschassten Eckert/Borbély hatten ihr Ethikurteil zu Bedoya schon im Mai 2016 fertig: Der Kolumbianer wurde auf Lebenszeit aus dem Fußball verbannt.

Mit diesem Mann verband die neue Chefermittlerin Rojas eine "freundschaftliche Beziehung". So zeigte sie selbst das jedenfalls im Rahmen einer Klage, die der FCF gegen eine nationale Behörde führte, bei der zuständigen Stelle an. Gerichtspapiere vom April 2014 zeigen, dass sich Rojas ob der Freundschaft für befangen hielt. Doch der Antrag wurde abgewiesen. Begründung: Weil aus "einfacher Freundschaft keine tiefen Gefühle von Affinität und intimer Nähe abgeleitet werden können, welche die erforderliche Unparteilichkeit (...) beeinträchtigen" könnten.

Unabhängig davon, wie eng die Freundschaft zum bösen Fifa-Buben Bedoya war, erscheint das Fifa-Reglement in solchen Fällen eindeutig: Ein Kandidat für eine unabhängige Kommission hat beim obligatorischen Integritäts-Check vor der Kür alle Informationen, die einen eventuellen Interessenskonflikt bilden könnten, von sich aus anzuzeigen. Geschieht das nicht, ist die Person automatisch für das Amt disqualifiziert. SZ-Quellen zufolge lag den Fifa-Integritätsprüfern aber kein Hinweis auf besagte Bedoya-Freundschaft vor.

Glaubwürdigkeit der Fifa so gering wie in Sepp Blatters Ära

In Governance- und Fußballkreisen wird noch eine weitere Frage debattiert: Auch der Draht zwischen Chefermittlerin Rojas und Bedoyas Nachfolger Ramon Jesurun soll sehr gut sein. Jesurun rückte 2015 an die Spitze des Nationalverbands und 2016 in Infantinos Fifa-Rat ein. Er war es auch, der seine Landsfrau in einer späten Rochade aufs Fifa-Schachbrett hob: Vier Wochen vor dem Fifa-Kongress in Bahrain schlug er die Juristin vor. Auf eine konkrete Anfrage bezüglich ihrer Beziehungen zu Bedoya und Jesurun äußerte sich Rojas am Freitag nicht direkt, nur ganz allgemein: Ihre Arbeit sei stets unter "höchsten ethischen Standards und in voller Unabhängigkeit und Transparenz" erfolgt. Die Fifa verwies zur Frage, ob ihr Rojas' Beziehungen bekannt seien, lediglich darauf, dass sie den Integritäts-Check bestanden habe.

Seit dem Kongress ist die Glaubwürdigkeit der Fifa so gering wie in Sepp Blatters Ära. Infantino hatte in Bahrain seine Wünsche für die Besetzung des Ethikgremiums ohne Rücksicht auf Statuten durchgeboxt. Diese sehen vor, dass der Fifa-Rat vier Monate vor der Kür die Kandidaten für die Chefposten vorschlagen muss. Das geschah nicht. Wegen solcher Manöver in die Kritik geraten, relativiert die Fifa nun sogar das eigene reformierte Reglement. Ihre neue Sichtweise lautet: Das sei keine Muss-, nur eine Kann-Bestimmung.

Als heikel könnte sich aber erweisen, dass gründliche Integritätsprüfungen bei Rojas und anderen wegen der späten Nominierung nicht mehr möglich waren. Der in Bahrain ebenfalls überfallartig abgelöste Chef des Governance-Stabs, Miguel Maduro, hatte deshalb seine Checks unter Vorbehalt gestellt: Träten neue Sachverhalte auf, seien diese zu prüfen. Das könnte nun auch Rojas' Funktionärs-Drähte betreffen, sollten diese engerer Natur sein. Mit Blick auf die neuen Ethikerstäbe muss die Fifa aber nicht nur Fragen zur neuen Chefermittlerin klären.

Zu wenig unabhängige Mitglieder im Verhältnis zu den abhängigen

Gleich mehrere der 16 Mitglieder haben zugleich ein Amt in ihrem Nationalverband inne: Michael Llamas ist Chef von Gibraltars Föderation, José Mejia Generalsekretär in Honduras und Margarita Echeverria Generalsekretärin in Costa Rica. Laut Fifa verstoße das nicht gegen die Statuten. Doch zumindest ein Aufweichprozess ist auch hier zu sehen; es fragt sich ja, wie unabhängig solche Funktionärs-Ethiker sein können. Der Druck wächst. Gerade verließen zwei angesehen Menschenrechtsexperten das Governance-Komitee, aus Protest gegen Maduros Rauswurf. Das macht den Stab formal handlungsunfähig, er hat zu wenig unabhängige Mitglieder im Verhältnis zu den abhängigen, darunter übrigens nun auch DFB-Vize Rainer Koch.

Den Posten Maduros, Ex-Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, erhielt Mukul Mudgal. Der einst hohe Richter aus Indien gilt als Getreuer des mächtigsten Funktionärs Asiens, Ahmad Al-Sabah (Kuwait) - der soeben sein Fifa-Ratsmandat abgab. Die Klageschrift der US-Justiz beschreibt ihn als "Mitverschwörer" im Fifa-Korruptionssumpf.

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