Der Fall Beckenbauer im Fußball-Weltverband (Fifa) dreht sich fort, und Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Bisher gab es die Kuriosität, dass der Deutsche einerseits unter dem Bann einer 90-Tage-Sperre für sämtliche Fußball-Aktivitäten steht, weil er fristgerecht nichts zu den Ermittlungen bezüglich der WM-Doppelvergabe nach Russland (2018) und nach Katar (2022) beigetragen hatte - andererseits aber ständig in Werbeclips der Fifa über die Bildschirme im Maracanã-Stadion zu Rio de Janeiro flimmerte.
Auch damit ist es jetzt vorbei, wie der Weltverband mitteilte: Von nun an soll der Spot nicht mehr laufen. Das ist die Reaktion auf den Widerspruch, dass Beckenbauer zwar gesperrt ist, er trotzdem als Werbefigur wirkt. Die Reaktion lässt sich aber auch als Signal deuten, dass die Fifa ihre Sanktion nicht so einfach beenden möchte, wie sich das Beckenbauers Management gerade erhofft.
WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Der Kaiser grüßt vom Bildschirm
Franz Beckenbauer ist von der Fifa für 90 Tage gesperrt und darf kein WM-Stadion betreten. Dennoch spricht er zu den Zuschauern im Maracanã - auf Englisch. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.
Zumal sich im Zuge der Affäre neue Fragen auftun - vor allem, was die WM in Russland anbelangt. Beckenbauer gilt als eines jener 13 damaligen Fifa-Exekutivmitglieder, die im Dezember 2010 für die sogar vom heutigen Staatspräsidenten Wladimir Putin höchstselbst vorangetriebene Kandidatur stimmten. Erst kürzlich bekräftigte diese Version sein langjähriger Medienpartner Bild.
Nur wenige Monate nach der Vergabe übernahm Beckenbauer dann aber ein Botschafteramt bei der Russian Gas Society, in der vor allem der staatlich kontrollierte und von Putin regelmäßig als außenpolitisches Machtinstrument eingesetzte Energiekonzern Gazprom das Sagen hat. Das ist als Vorgang schon erstaunlich genug, weshalb es nicht verwundert, dass in Fifa-nahen Kreisen davon die Rede ist, dass eben jene Botschafterrolle auch Teil des laut Beckenbauer 130 Fragen umfassenden Katalogs von Fifa-Ermittler Michael Garcia gewesen sein soll. Weder der US-Anwalt noch Beckenbauers Management wollen entsprechende Anfragen zu diesem Thema kommentieren.
Vorwürfe aus Australien
Das generelle Geschmäckle dieses Deals verstärkt nun auch noch die neue Aufregung um eine Aussage aus Australien. Die Ozeanier hatten sich für die WM 2022 beworben, waren allerdings mit nur einer Stimme in Runde eins ausgeschieden. Ende vergangener Woche sagte nun eine damalige Mitarbeiterin der australischen Bewerbung, Bonita Mersiades, in einem in der ARD ausgestrahlten Beitrag: "Ich erinnere mich, dass Herr Beckenbauer 2012 ein Botschafter für Gazprom wurde, darüber haben die Medien ja berichtet. Aber das erste Mal, dass ich davon gehört hatte, das war schon zwei Jahre vorher, während der Weltmeisterschaft 2010." In der Tat berichtete die Daily Mail bereits im Juni 2010, also ein paar Monate vor der Wahl, von Hinweisen, nach denen Beckenbauer Gazprom-Botschafter werden solle. Und für Mersiades' australisches Team arbeitete damals auch einer, der Beckenbauers Geschäfte aus größter Nähe kennt: Fedor Radmann, Sportlobbyist. Mit ebenfalls sehr guten Kontakten nach Russland.
Beckenbauers Management wies Mersiades' Darstellung auf Anfrage zurück. Ihre Behauptung entspreche "keineswegs den Tatsachen". Beckenbauer sei kein Botschafter von Gazprom, "und ebenso wenig gab es während der WM 2010 diesbezüglich Kontakte zur Russian Gas Society; diese sind erst 2011 entstanden".
Beckenbauer hatte nach eigener Darstellung zunächst nicht auf die Fragen von Fifa-Ermittler Garcia geantwortet, weil er sie nur in einem "Juristen-Englisch" erhalten habe und eine von ihm gewünschte Unterredung auf Deutsch abgelehnt worden sei. Die Fifa hingegen erklärte, Beckenbauer sei wiederholt "auf Englisch und Deutsch" um Informationen gebeten worden. Erst nach der Sperre beantwortete er die Fragen. Zunächst hatte die Fifa erklärt, die Sanktion gelte sogar für den privaten Besuch von Spielen. Davon ist sie nun abgerückt; als Privatmann dürfe sich Beckenbauer Tickets für die WM-Spiele kaufen.