Fifa-Kongress in Paris:Der DFB muss Infantino die Stirn bieten

FIFA-Präsident Gianni Infantino mit DFB-Funktionären 2019 in Berlin

Alle in eine Richtung? Fifa-Boss Gianni Infantino (Mitte) mit Rainer Koch (links) und Reinhard Rauball.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Fifa-Boss wird auf dem Kongress in Paris wiedergewählt - das steht fest. Spannend ist, ob die Deutschen die Pläne des Autokraten höflich abnicken.

Kommentar von Thomas Kistner

Am Mittwoch ist Kongress in Paris, dann kriegt die Fußballwelt wieder das, was sie verdient: Gianni Infantino an die Fifa-Spitze. Die Kür ist klassisch, ohne Gegenkandidat. Und während einige europäische Verbände noch über die Symbolik von Enthaltungen nachdenken, würde das servile Gefolge aus anderen Weltregionen den Affären-Funktionär am liebsten ins Amt applaudieren. "Infantino ist ein Geschenk für den Fußball", erläuterte gerade Nigerias Verbandschef Amaju Pinnick in der ARD. Pinnick und vier Getreue, nebenbei, werden am 1. Juli vor ein Strafgericht im heimischen Abuja zitiert. Wo es ums Übliche geht: Korruptionsverdacht mit Fördergeldern.

Aus deutscher Sicht ist spannend, welche Position der DFB in Paris vertritt. Er erholt sich ja noch von seiner jüngsten Funktionärs-Posse, Reinhard Grindels "Uhren-Affäre". Der Ex-DFB-Boss hat verwaiste Vorstandssitze in Fifa und Europa-Union Uefa hinterlassen, diese Plätze würde der DFB gern wiederhaben. Aber wie?

Neue Kandidaten hat er zur Hand, Interimspräsident Rainer Koch und Liga-Vertreter Peter Peters. Der DFB will sich neu aufstellen nach der letzten Grindelei, im Kern ist das löblich. Ein Spähtrupp um Koch nahm jüngst Fühlung zu Fifa und Uefa auf, um die Pläne vorzustellen. Im DFB sollen nicht mehr alle Ämter auf eine Person fallen, der Verbandschef nicht mehr in die hochdotierten Vorstände von Fifa und Uefa entsandt werden.

Klingt gut, hat aber einen Haken. In der Uefa ist Sitzungstourismus à la Fifa verpönt, erwünscht sind starke Verbandsrepräsentanten - Vorstände, die nicht erst den Chef daheim fragen müssen. Ganz anders in der Fifa. Hier herrscht ein Autokrat, der sein Ratsgremium als Abnicker-Runde begreift - so, wie Infantino auch alle internen Kontrollinstanzen auf Linie getrimmt hat, und zwar auf seine.

Dank Infantino ist der Fußball uneiniger denn je

Der DFB sollte also mehr zu bieten haben als weitere mausgraue Funktionsträger, die die sog. "Einheit des Fußballs" wie eine Monstranz vor sich hertragen. Es gibt keine Einheit, dank Infantino ist der Fußball uneiniger denn je. Fifa und Uefa lavieren am Rande der Spaltung. Die offizielle Einheits-Frömmelei ist nur ein Dreh für Funktionäre, die lieber tagen und tafeln, als sich Arbeit und Ärger aufzuhalsen. Doch die neuen DFB-Kandidaten bringen Höflings-Attitüden mit. Gerade Koch legt gern beeindruckt dar, wie groß doch Infantinos Support außerhalb Europas sei. Als wäre das nicht, erstens, selbstverständlich - und zweitens genau das Problem.

Im Unterhaltungsgewerbe Fußball wedelt der Schwanz mit dem Hund, dank eines absurden Wahlrechts, das Infantino nun die nächste Thronmesse beschert: Zahllose Kleinststaaten mit wenig bis gar keinem Ballbetrieb haben dieselbe eine Stimme wie der DFB. Nur verfügt dieser allein über 7,2 Millionen Mitglieder, er vertritt also mehr Sportinteressierte, als die kleinsten 50 Wahlländer der Fifa Einwohner haben. Und nein, Vergleiche mit globalen Institutionen wie der UN-Versammlung taugen hier nicht: In der Fifa geht's nur um Kicken und Unterhaltung, nicht um Völker-, Grund- und Menschenrechte.

Auch die neue Uefa wird genau hinsehen

Nauru, Montserrat und Co. sollen natürlich mitreden. Dass sie aber in ihrer sportlich bedeutungslosen Breite regelmäßig entscheiden, wer den Weltfußball lenkt, ist eine Absurdität, gegen die nur die zwei, drei Handvoll Große effektiv zu Felde ziehen können, an denen allein ja das globale Traumgeschäft hängt. Es wäre Aufgabe des DFB, eine Politik der Vernunft - auch der vernünftigen Sportentwicklung! - zu betreiben, nicht aber, dem Sonnenkönig dieses schrägen Konstrukts zu huldigen. Dass Kostgänger von Laos bis Lesotho für denjenigen votieren, der die Zuschüsse von einer auf fünf Millionen Dollar erhöht und immer mehr verspricht, ist ja keine sportpolitische Großtat, sondern das kalkulierbare Resultat menschlicher Gier.

Wie fahrlässig es ist, einer am Kerngeschäft desinteressierten Mehrheit die Ernennung des Führungspersonals zu überlassen, zeigt dabei gerade Infantino: 2018 wollte er quasi alle Fifa-Rechte in eine neue Firma mit Investoren verschieben, die 25 Milliarden Dollar aufzubringen versprachen und deren Identität er bis heute verbirgt. Auch vor seinen Vorständen, die seinen Coup vereitelten. Dafür und für andere Alleingänge attackierte ihn auch Grindel offen. Dass die neuen DFBler diese Stirn haben, ist leider zu bezweifeln.

Die Fifa ist wieder auf der abschüssigen Bahn

Klar ist jedenfalls jetzt schon, sie können sich in Bezug auf die Fifa nicht auf das Übliche hinausreden: Man halte sich öffentlich zurück, um in vertrauter Runde Tacheles zu reden. Wer das erzählt, betrügt das Publikum. Infantino hat sich seit 2016 als hemmungsloser Autokrat entlarvt, Konsens kennt er nicht. Ein Auszug seiner gescheiterten Projekte, neben dem obskuren 25-Milliarden-Deal: Es gibt keine globale Nations League, und auch keine neue Klub-WM vor 2024, geplatzt ist die Ausweitung der WM 2022 in Katar auf 48 Teams, zugleich klafft ein Riss im Verhältnis zu Europa. Es ist also nicht anmaßend, sondern notwendig, dem Mann Einhalt zu gebieten. Auch wenn Kollegen aus Samoa und Surinam das anders sehen.

Gerade DFB-Funktionäre müssen erkennen, dass sich über allem wieder das alte, gewaltige Problem aufbaut: Die Fifa ist auf der abschüssigen Bahn. Im Entwicklungshilfebereich lodern Brandherde, interne Prüfer suchen das Weite. Darunter der Compliance-Chef; die Fifa schweigt jedenfalls auf die Frage, ob ihre amerikanischen Audit-Leute gerade von der Fahne gehen. Das weist auf fehlende Transparenz und eine hohe Brisanz der Lage hin. Wenn internen Buchprüfern der Einblick in globale Finanztransfers fehlt, könnte das bald die US-Justiz mobilisieren. Hellhörig ist die ohnehin, seit allerlei stille, unprotokollierte Treffen Infantinos mit dem Schweizer Bundesanwalt publik wurden. Gegen diesen laufen nun Ermittlungen.

Übrigens, auch die Uefa wird den neuen DFB genau studieren. Und ihn nötigenfalls von den Topgremien fernhalten - ein paar betuliche Deutsche mehr braucht im Weltfußball niemand. Außer Infantino.

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