Fifa-Chef Infantino:Der Solist aus Zürich

Fifa-Chef Infantino: Gianno Infantino (links) in Feldherrenpose, Wladimir Putin guckt zu.

Gianno Infantino (links) in Feldherrenpose, Wladimir Putin guckt zu.

(Foto: Alexei Nikolsky/AP)
  • Für seinen ominösen Milliardendeal erhält Fifa-Chef Infantino von den Kontinentalverbänden eine deutliche Abfuhr.
  • Infantino führt die Fifa gerne im Alleingang, doch seine Macht schwindet.
  • Um seine Wiederwahl zu retten, gerät nun die WM 2022 in sein Visier.

Von Thomas Kistner

Auf offener Bühne wurde Gianni Infantino gestoppt. Aber nicht mit kollegialer Milde; stattdessen bedurfte es harter Drohungen. Sogar Infantinos Posten als Chef des Fußball-Weltverbandes Fifa habe auf dem Spiel gestanden, sagt ein hoher Vertreter der Europa-Union Uefa. Und tatsächlich lässt sich Infantinos jähes Einlenken am vergangenen Freitag fast nur so verstehen: Da musste er jedenfalls sein mysteriöses und nie konkretisiertes Milliardenprojekt, das er mit Gönnern aus der Golfregion und Fernost ausgeheckt hatte, damit über zwölf Jahre angeblich 25 Milliarden Dollar in eine Klub-WM mit 24 Teams und eine Weltliga der Nationalmannschaften fließen, fallen lassen.

Noch am Tag vor seinem Einlenken soll Infantino beim Chef des Nord- und Mittelamerika-Verbandes Concacaf, Victor Montagliani, für das Milliarden-Monopoly geworben haben. Der Kanadier habe aber ebenso abgewunken wie der Uefa-Präsident Aleksander Ceferin (Slowenien). Auch die Kontinentalchefs Asiens und Afrikas waren nicht angetan. Sie alle hatten seit März mit großen Irritationen Infantinos rastlose Werbetour verfolgt, die den Fifa-Boss schließlich sogar vor die Haustür der europäischen Spitzenvereine führte.

Infantino hat sein Milliarden-Geraune nie seriös unterfüttert

Die sieben größten Klubs bat er nach Zürich, um für die Teilnahme an einer wie auch immer reformierten Klub-WM zu werben. Details zum neuen Modell sind zwar nicht bekannt. Aber Real Madrid, der FC Barcelona und Manchester City ließen sich offenkundig von der Aussicht auf zusätzliche dreistellige Millionenbeträge einwickeln. Sogar die Champions League sollte das neue Format finanziell in den Schatten stellen. Wenn sich am Samstag in Kiew im Champions-League-Finale Real Madrid und der FC Liverpool messen, winken dem Sieger 15,5 Millionen Euro; alles in allem kommt der Titelträger dann auf knapp 60 Millionen aus dieser Champions-League-Saison. Infantinos imaginäre Klub-WM indes sollte jedem Teilnehmer bis zu 100 Millionen bringen, war zu hören. Genaueres ist nicht bekannt, die Fifa hat sich auch hier nie substanziell geäußert.

Gab es Gründe, die wahren Absichten hinter dem 25-Milliarden-Deal zu verschleiern? Die Branche fragte sich etwa, wie die Teilnehmer der Klub-WM ermittelt werden sollten. Auf einer Werbetour bei italienischen Klubs hätten Infantinos Emissäre dazu Andeutungen gemacht, heißt es: Die Geldgeber selbst würden über die Teilnahme entscheiden. Also jene rätselhaften Investoren, die einen 49-prozentigen Anteil an den neuen Formaten erkaufen wollten - und die Fifa. Die dann übrigens direkt ins Geschäftsfeld der Uefa hätte hineinfunken können. Allerdings hat die Uefa, so heißt es aus deren präsidialem Umfeld, im Ringen mit Infantino nie um ihre Königsklasse gebangt.

Da Infantino sein Milliarden-Geraune nie seriös unterfüttert hat, trafen die Kontinentalchefs eine Absprache. Schon Anfang Mai hatten sie eine Dringlichkeitssitzung bei Infantino geschwänzt. Aber die Investoren hatten ein Ultimatum bis zum 30. Mai gesetzt, nun wurde die Sache ernst. Während Infantino immer wilder agierte, beschlossen die Kontinentalchefs, dass sie einer Sondersitzung, die es ja für so eine Entscheidung brauchen würde, nur dann zustimmen, wenn diese zur Vertrauensabstimmung über Infantino gemacht werde.

Das hatte höchste Brisanz: Im 36-köpfigen Fifa-Council sind die Vertreter Europas, Asiens, Afrikas und Nord-/Mittelamerikas klar in der Überzahl. Mit den Stimmen der gefügigen Südamerikaner und möglicherweise Ozeaniens, so die Kalkulation der Uefa-Vertreter, sowie ein paar versprengten Voten wäre Infantino kaum über 20 Prozent gekommen. Und diese Niederlage wäre sogleich in die Forderung nach seinem Rücktritt gemündet. "Hätte er das Votum abgehalten, hätte es kein Zurück für ihn gegeben", sagt ein hoher Uefa-Vertreter der SZ. Die Erdteil-Fürsten hätten dafür gesorgt, dass ihre Übereinkunft auch zu Infantino durchdrang. Am Freitag habe Infantino erkannt, dass die Sache viel zu riskant sei.

Infantino sucht verzweifelt nach Geldquellen

Er zog die Reißleine. Gerade hatte sein Vertrauter Zvonimir Boban noch Klubs in Mailand und London umgarnt, es sei sogar, spöttelt ein hoher europäischer Funktionär, "schon über Ajax Amsterdam gesprochen" worden. Am Freitag hatte der Vize-Generalsekretär dann eine ganz andere Aufgabe: Telefondienst. Boban sagte das Projekt bei den Großen und Wichtigen der Branche ab. Von der Uefa in Nyon bis zum FC Bayern. Die Münchner bestätigten der SZ, dass der Kroate auch ihnen das vorläufige Ende der Milliardenträume verkündet hat. Boban habe erklärt, der Druck sei aus der Sache erst einmal raus, sagte ein hoher Bayern-Vertreter. Das sei zu begrüßen, denn aus Münchner Sicht sei die Sache zu wenig fortgeschritten. Außerdem gehörten alle Stakeholder an den Tisch.

Das trifft zu, bedeutet aber, dass die Milliarden-Causa im Grunde endgültig vom Tisch ist. Denn die überwältigende Mehrheit der Stakeholder war es, die das Milliardengespinst von Anfang an geblockt hatte: die Dachverbände der Klubs, der Profiligen und die Spielergewerkschaft Fifpro. Zudem hatte Infantino, der die Fifa gern im Alleingang führt, obwohl er kein operativer Präsident ist, seinen Vorstand düpiert: Das Fifa-Council hatte dem Milliarden-Geraune schon im März in Bogota eine Abfuhr erteilt, weil Infantino nicht mal Andeutungen zu Investoren und Geschäftsgrundlagen gemacht hatte.

2019 wird gewählt bei der Fifa

Aber der komplette Vorgang zeigt: Der Chef sucht verzweifelt nach Geldquellen. Die Fifa-Reserven schmelzen, und für die WM im affärengetränkten Russland ist das Sponsorentableau nur gut zur Hälfte gefüllt; russische Firmen überall. Auch deshalb, so wird in der Branche vermutet, fährt die Fifa einen strikten Kuschelkurs mit den WM-Gastgebern; selbst drängende Dopingfragen um die Sbornaja werden weiträumig umkurvt. Was wiederum die Abwärtsspirale verstärkt: Unter Infantino nehmen die Imagewerte der Fifa Bodenkontakt auf.

Zudem sind bereits 2019 Wahlen. Der Schweizer, der vor zwei Jahren durch glückliche Umstände auf den Fifa-Thron gelangt war, kann diesen nur verteidigen, wenn er all den Kostgängern im Fifa-Orbit endlich die hohen Zuwendungen sichert, die er versprochen hatte. Aber neue Quellen sind nicht in Sicht, unlängst war Infantino wieder am Golf unterwegs. Es geht jetzt darum, schon bei der WM 2022 in Katar die Teilnehmerzahl von 32 auf 48 zu erhöhen - und nicht erst, wie bisher vereinbart, im Jahr 2026. Aber immer mehr Verbände scheinen des Solisten in Zürich überdrüssig zu sein.

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