Fifa: Blatters Wiederwahl:Sie nannten ihn "Jack the Ripper"

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Die Wiederwahl von Sepp Blatter als Fifa-Präsident ist geglückt - die skurrilste Figur gab jedoch ein anderer ab: der suspendierte Vize Jack Warner. Der hatte stets von Blatter profitiert, stellte sich dann offen gegen ihn - um dem Schweizer schließlich doch die Wiederwahl zu sichern.

Carsten Eberts

Viele Jahre lang war Jack Warner Geschichtslehrer auf Trinidad & Tobago - er müsste also wissen, dass die Geschichtsbücher nichts vergessen. Im aktuellen Leben ist Warner jedoch hochrangiger Fifa-Funktionär und sogar Vize-Präsident des Weltfußballverbands. Genau dort fängt seine Geschichte an.

Dafür, dagegen, dafür: Jack Warner. (Foto: dpa)

Die Rolle Jack Warners ist die skurrilste Pointe des gesamten Fifa-Skandals und der Wiederwahl von Sepp Blatter. Gegen den Mann aus Trinidad und Tobago erscheint sogar Blatter als gradliniger Mann. Lange Jahre war Warner derjenige, der vom System Blatter stets am meisten profitierte. Dann stellte er sich offen gegen den Schweizer, kündigte sogar an, er wolle Blatters Wiederwahl persönlich verhindern - um kurz vor dem entscheidenden Fifa-Kongress doch eine Wahlempfehlung pro Blatter auszusprechen.

Vielen im Verband ist unverständlich, weshalb Warner nicht bereits vor Jahren suspendiert wurde. Wegen seiner scheinbaren Skrupellosigkeit schmückte ihn bald der wenig liebevoll gemeinte Spitzname "Jack the Ripper".

Seit 1990 fungiert Warner als Präsident des Kontinentalverbandes Nord- und Mittelamerika/Karibik (Concacaf), seit fast 30 Jahren erledigt er bei der Fifa Führungsaufgaben, als seine Haupteinnahmequelle galt der Handel mit Fernsehübertragungsrechten für die Karibik. Die erwarb Warner vor den Weltmeisterschaften 1990, 1994 und 1998 stets für den symbolischen Betrag von einem Dollar, verkaufte sie für ein Vielfaches - und wurde so zum Multi-Millionär.

Kurioserweise sicherte Warner dem jeweiligen Fifa-Präsidenten gleichfalls die Stimmen seines Kontinentalverbands. Sein Vermögen wird auf mindestens 15 Millionen Euro geschätzt.

Das ging so lange gut, bis die Fifa selbst auf die Idee kam, in der Karibik Geld zu verdienen. Warner war zwar verärgert, hielt Blatter jedoch die Treue - und suchte sich ein weiteres Schlupfloch: Er konzentrierte sich fortan auf das Ticketgeschäft.

Nach der WM 2006 in Deutschland errechnete die Redaktion der BBC-Sendung Panorama, dass Warner mit überteuerten Ticketpreisen mindestens eine Million US-Dollar Profit gemacht haben soll. Von der Fifa wurde Warner dafür zwar gerügt - mehr jedoch nicht.

Vor der WM-Vergabe im Dezember 2010 stieg Warner plötzlich um. Er stellte sich auf die Seite von Mohamed bin Hammam, dem späteren Blatter-Herausforderer und stimmte überraschend für Katar - obwohl er als Concaf-Präsident eigentlich Mitbewerber USA zugewandt vermutet wurde. Warner wurde beschuldigt, er habe sich kaufen lassen. Doch zunächst wurde es wieder ruhig.

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Nach der umstrittenen Wiederwahl von Sepp Blatter als Fifa-Präsident zieht die internationale Presse nicht nur über den Machtapparat des Weltverbands her. Auch Deutschland und England müssen für ihre Rolle viel Kritik einstecken.

Die Pressestimmen in Bildern.

Bis das Thema pünktlich zur Präsidentenwahl wieder aktuell wurde. Zusammen mit bin Hammam wurde Warner vier Tage vor der Wahl vor die Ethik-Kommission des Verbands zitiert, wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe vor der Vergabe der WM 2022 nach Katar. Sie sollen Vertretern von 25 karibischen Fußballverbänden jeweils 40.000 Dollar zugesteckt haben, damit diese bin Hammam wählen. Die Funktionäre sollen das Geld in einem Hotelzimmer in Trinidad erhalten haben - gegen eine Empfangsbestätigung.

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Die Pressestimmen in Bildern.

Warner und bin Hammam wurden vorläufig suspendiert, letzterer trat gar von seiner Kandidatur zurück. Und Warner? Der wollte nun auspacken. Blatter müsse "gestoppt werden", sagte er, obwohl der Schweizer längst einziger Kandidat war.

Für Dienstagnachmittag, einen Tag vor der Wahl, wollte er gar an einer Pressekonferenz teilnehmen, auf der weitere schmutzige Details zur angeblichen Bestechlichkeit Blatters präsentiert werden sollten. Warner sprach von einem "Fußball-Tsunami", der über die Fifa-Welt hereinbrechen würde.

Am Dienstagabend dann der Umschwung: Ganz offen empfahl Wendehals Warner den Mitgliedern seiner Karibischen Fußball-Union CFU, nun doch für Blatter zu stimmen. "Bei unserem letzten Treffen haben wir vereinbart, als eine Union den Amtsinhaber Blatter bei seiner Mission, Präsident zu bleiben, zu unterstützen", schrieb Warner den Delegierten: "Ich möchte Ihnen versichern, dass sich daran nichts geändert hat. Wir haben uns entschieden und müssen uns daran halten."

Die Vermutung liegt nahe, dass Warner die Zeichen der Zeit erkannt hat. Blatters Wiederwahl war für ihn nicht zu verhindern - also stellte er sich weider auf die Seite des Schweizers. Wer in der Fifa noch etwas werden will, hat als Gegner Blatters eben keine allzu guten Chancen.

Ob Blatter darauf eingeht? Warner ist noch einige Tage supsendiert, was danach geschieht, ist ungewiss. Zumindest für seine neue "Komission aus weisen Personen" plant Blatter ohne Warner: Der Präsident nominierte lieber Johan Cruyff. Und den früheren amerikanischen Außenminister Henry Kissinger.

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