Fifa-Kandidat Chung:Blatters Antipode

Former FIFA vice president Chung Mong-joon speaks during an interview with Reuters in Seoul

Der ehemalige Vizepräsident der Fifa: Chung Mong-Joon.

(Foto: REUTERS)
  • Nach der Präsidentschafts-Kandidatur von Michel Platini positioniert sich der Südkoreaner Chung Mong-Joon als Gegenkandidat.
  • Der frühere Vorsitzende des Asien-Verbands war immer ein Gegner von Sepp Blatter.
  • 2002 brachte der Südkoreaner die Fußball-WM in sein Heimatland.

Von Thomas Kistner

Chung Mong-Joon hat flott reagiert. Kaum hatte Michel Platini am Mittwoch seine Kandidatur für den Weltfußball-Thron bekannt gegeben, den Amtsinhaber Sepp Blatter im Februar 2016 verlassen will, warf Chung den Hut in den Ring - und setzte den Ton. Der Franzose Platini, Chef des Europa-Verbandes Uefa, sei als Reformer ungeeignet, sagte der Spross der koreanischen Autobauer-Dynastie Hyundai der BBC: "Platini ist ein Produkt des jetzigen Systems."

In der Tat, Platinis politische Karriere verdankt sich allein Blatters Regie. Chung indes, der von 1994 bis 2011 für den Asien-Verband AFC im Fifa-Vorstand saß, gehörte dort stets der Opposition an, den Blatter-Gegnern. Weshalb der 63-Jährige jetzt nur ein paar alte Fäden aufnehmen muss, wenn er das marode Blatter-System attackiert. "Es wird Zeit, dass die Fifa einen Präsidenten hat, der nicht aus Europa kommt. Deshalb habe ich eine gute Chance."

Blatter war kein Europa-Freund

Formal ist das richtig, trotzdem beginnt hier das Missverständnis. Der Schweizer Blatter handelte nie für Europa, im Gegenteil: Wäre es nach der Uefa unter Platinis Vorgänger Lennart Johansson gegangen, hätte ihn schon 2002 die Züricher Justiz aus dem Amt geholt. Damals stellten elf Fifa-Vorstände Strafanzeige gegen Blatter, auch Chung. Passiert ist nichts, Blatter wurde weiter von seinem Wahlvolk in Lateinamerika, Afrika und Asien auf den Thron applaudiert.

Chung war nie ein Blatter-Gefolgsmann wie Platini, den der Fifa-Boss 2007 gegen Johansson ins Uefa-Spitzenamt zu drücken half. Eine Alternative zum System ist er trotzdem nicht. Wie Mehrheiten im Sport kreiert werden, weiß er selbst bestens. Ende der Neunzigerjahre legte er sein Funktionärs-Meisterstück ab, als er die vom damaligen Fifa-Boss João Havelange an Japan zugesagte WM 2002 noch in ein Doppel- Turnier ummodeln ließ, das Südkorea mitveranstalten durfte.

Auch Chung mit dubiosen Geschäften

Wie dem Milliardär das gelungen sein soll, beschrieb Fifa-Vorstand Mohamed Bin Hammam (Katar) in einem Brandbrief am 22. Mai 2002: Chung habe "eine Riesenmenge Geld aufbringen" müssen, um die Verbände in aller Welt noch für eine Doppel-WM in Fernost zu begeistern. Und in Brasilien war die Aufregung groß, als aufflog, dass Verbandschef und Fifa-Vorstand Ricardo Teixeira plötzlich in den Genuss einer Hyundai-Niederlassung kam. Ebenso sein enger Geschäftsfreund José Hawilla. Letzterer, ein Marketingexperte, ist heute Zeuge des FBI. Kaum war Hawilla im Mai in den USA festgesetzt worden, floh Teixeira panisch aus Florida in die Heimat. Brasilien liefert Staatsbürger nicht aus, und Teixeira steht auf der FBI-Liste weit oben.

Deals in der Autoindustrie begleiteten auch Deutschlands Bewerbung um die WM 2006. Einer der damaligen Hauptförderer, DaimlerChrysler, besiegelte fast parallel zur WM-Vergabe im Sommer 2000 ein Kooperationsprojekt mit Hyundai, das Investitionsvolumen betrug 400 Millionen Euro. Natürlich wurde jede Verdachtslage dementiert, und Fifa-Vorstand Chung hat nicht verraten, ob er Deutschland gewählt hat. Bei der WM 2006 trat der südkoreanische Autobauer als Topsponsor auf.

Scheich Ahmed Al-Sabah ist der entscheidende Mann

Und dass Chung am Ende des WM-Jahres 2002 knapp am Amt des Staatspräsidenten vorbeischrammte, lag jedenfalls nicht an mangelnder Begeisterung in der Bevölkerung über das Abschneiden des Nationalteams beim Heimat-Turnier. Im Gegenteil: Bei jener WM war die Auswahl von Verbandschef Chung erst im Halbfinale an Deutschland gescheitert. Zuvor hatte ihr eine bizarre Serie von Schiedsrichter-Fehlern Siege in Achtel- und Viertelfinale über Italien und Spanien gesichert.

Das Fifa-Kandidatenkarussell zeichnet ein klares Bild: Alles bleibt in der Familie. Wichtig wird am Ende sein, welchem Kandidaten der kuwaitische Scheich Ahmed Al-Sabah zuneigt - er verwaltet aufgrund vieler Ämter im Weltsport das Gros der Voten aus Asien und Afrika. Wer auf den Thron will, braucht ihn als Helfer.

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