Süddeutsche Zeitung

Fifa:Wer ist der stille Informant?

In der Schweiz bahnt sich der Prozess gegen die abgedankten Fußball-Chefs Sepp Blatter und Michel Platini an. Es geht um eine Millionenzahlung - doch das Verfahren könnte der Sportwelt noch viel Wichtigeres liefern.

Von Thomas Kistner

Es soll nun zum Prozess kommen gegen die einst mächtigsten Fußballbosse der Welt: Sepp Blatter, der 17 Jahre den Weltverband Fifa führte, und Michel Platini, der als designierter Nachfolger galt. Aus der Wachablöse wurde nichts, im Herbst 2015 eröffnete die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) ein Verfahren gegen das Duo. Heute ist diese Berner Behörde schon legendär: Für ihre Patzer in anderen Fifa-Verfahren, die verjährten oder versandeten - und für ihre klebrige Nähe zu dem Mann, der damals den verwaisten Blatter-Thron eroberte: Gianni Infantino.

Es macht stutzig, wie sehr sich aller Ehrgeiz der Berner Pannen-Behörde auf die Mutter ihrer Fußballverfahren fokussiert - das gegen Blatter und Platini. Es soll unbedingt stattfinden, auch die Fifa treibt als Nebenklägerin kräftig an. Seit 2015 spürt die BA zwei Millionen Schweizer Franken nach, die Blatters Fifa Jahre zuvor an Platini gezahlt hatte; der war damals Uefa-Präsident. Beide behaupten, das Geld sei im Zuge einer mündlichen Verabredung für Beratertätigkeiten Platinis geflossen, die von 1998 bis 2002 liefen. Die Ermittlung trug beiden lange Sperren im Fußball ein - und der Weg war frei für einen, dessen Karriere wohl geendet hätte, wäre Platini damals Fifa-Präsident geworden: Infantino. Er war zu jener Zeit Uefa-Generalsekretär und bei seinem Boss in Ungnade gefallen.

Ungeklärt ist bis heute, wie die legendär schlafmützigen Berner Bundesbeamten ausgerechnet von diesem Zwei-Millionen-Deal so blitzschnell erfuhren. Tatsächlich kannte den Vorgang nur ein sehr kleiner Insiderkreis. Die Identität des Hinweisgebers hat bis heute zentrale sportpolitische Bedeutung. Platini stürzte, die Fußballwelt verharrte angesichts von Razzien und Verhaftungen unter Regie der US-Justiz in Schockstarre, und hinter den Kulissen bahnte sich Infantino seinen Weg. Der General der führungslosen Uefa genehmigte sich ein dralles Budget für einen Fifa-Wahlkampf, den er offiziell nur führte, um den Thron warmzuhalten für seinen Boss Platini.

Infantino ist in seiner umgemodelten Fifa unverwüstlich

Blatter und Platini wittern Infantinos Kreise hinter ihrem jähen Sturz. Und dieser trug seit Amtsantritt auch selbst jede Menge bei zu diesem Verdacht. Eine seiner ersten Amtshandlungen war ein geheimes Treffen mit BA-Chef Lauber, Wochen später erfolgte das zweite. Pikant: Da lief schon eine neue Strafermittlung, zu einem von Infantino signierten TV-Vertrag - und Infantino wollte Lauber unbedingt von seiner Unschuld überzeugen. Jedenfalls wurde das Verfahren zum mysteriösen Infantino-Vertrag dann nur gegen unbekannt geführt und später eingestellt. Unter Druck gerieten Lauber und Infantino, als ein weiteres stilles Treffen aufflog. Eines, an das sich beide samt Entourage nicht erinnern wollten.

Lauber musste gehen, gegen beide wird seither ermittelt. Aber Infantino ist in seiner umgemodelten Fifa unverwüstlich. Dabei hat er sogar eine weitere Strafuntersuchung am Hals, weil er nach Aktenlage die Fifa-Compliance belogen hat, als er sich einen über 200 000 Dollar teuren Privatflug für eine Dienstreise genehmigte. Den Zweck des Luxustrips erklärte er mit einem wichtigen Treffen: ein Treffen, das er schlicht erfunden hatte.

Der Blatter/Platini-Prozess könnte der Sportwelt viel Wichtigeres liefern als die Auflösung der Frage, ob die beiden für ihre damalige Zahlung besser einen Vertrag aufgesetzt hätten. Viel spannender ist, dass die Beklagten nun vollen Aktenzugang erhalten müssten. Dabei könnten sie erfahren, welcher stille Informant damals die Berner BA auf sie angesetzt hatte. Zugleich trägt Blatters Anwalt einen der Infantino-Fälle ins Verfahren. Er verweist in der Klageerwiderung darauf, dass der Boss des Nebenklägers Fifa ja selbst im Visier der Strafjustiz steht: Wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung im Kontext der sündteuren Privatjet-Reise.

Keine Frage, die Causa der zwei längst ausrangierten Funktionäre verblasst vollständig gegen all die Fragen um Infantino. Dieser hat die einst gestrengen Fifa-Ethiker, die Blatter/Platini verbannten, längst durch handzahmes Gefolge ersetzt. Ob aber sein Arm noch immer so tief in die Schweizer Justiz hineinreicht wie zu Laubers Zeiten, das wird sich bald weisen müssen.

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