Süddeutsche Zeitung

Fifa: Bestechungsvorwürfe:Die Milliarden-Maschine

Die Fifa bewegt viel Geld, wird aber rechtlich behandelt wie ein Angelklub. Die Vorgänge um die anstehende Doppel-WM-Vergabe liefern gute Argumente für die Schaffung einer Rechtsgrundlage, damit Funktionäre belangt werden können.

Klaus Hoeltzenbein

Die Falle, in der die Fifa steckt, hat sie sich selbst gestellt. Erstmals wird der Weltfußballverband an diesem Donnerstag zwei der höchst lukrativen Weltmeisterschaften auf einmal vergeben. Marktwirtschaftlich widerspricht das allen Erfahrungen, denn jüngst erst war am Fifa-Stammsitz in Zürich bejubelt worden, dass die Vermarktung der WM 2010 in Südafrika noch mehr Umsatz erbracht habe als jene von 2006 in der Wirtschaftsmetropole Deutschland.

Da die Fifa nie die Motive benannt hat, warum die Veranstalter 2018/2022 im Paket verkündet werden, muss spekuliert werden, und da schnappt die Falle zu. Die Doppel-Vergabe bringt auch doppelte Aufmerksamkeit - und wird am Ende doppelt so viele Enttäuschte hervorbringen, die leer ausgehen. Ob Wladimir Putin schon vorher wusste, wie es ausgeht? Russlands Ministerpräsident sagte seine Zürich-Reise kurzfristig mit der Begründung ab, sein Land sei in einen "skrupellosen Wettbewerb" mit den übrigen Kandidaten geraten.

Der Vorlauf der Kandidatenkür war derart affärenreich, dass Beobachter wie die weltweit agierende Organisation Transparency International gefordert hatten, die Wahl zu verschieben. In dieser geht es darum, sich eine Mehrheit unter den ursprünglich 24 Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees zu sichern. Jetzt sind es nur noch 22, nachdem Amos Adamu (Nigeria) und Reynald Temarii (Tahiti) suspendiert wurden. Sie hatten verdeckt arbeitenden englischen Reportern angeboten, ihre Stimmen gegen Geld zu verkaufen. Gegen drei weitere Mitglieder wurde jüngst der Vorwurf der Bestechlichkeit erhoben, doch diesem Trio blieb das Stimmrecht erhalten.

Im Schnitt sind die Exekutivmitglieder fast 65 Jahre alt, die sich um Fifa-Präsident Sepp Blatter, 74, scharen. Und wer nach dem Motiv fahndet, warum Weltmeisterschaften plötzlich im Doppelpack vergeben werden, der gelangt zu einer simplen These: Die Granden haben vorrangig im Sinn, den WM-Zyklus bis zum Ende ihrer Amts- (oder Lebenszeit) zu kontrollieren, um in vielerlei Weise daraus noch privaten Nutzen zu ziehen. 2014 wird in Brasilien gespielt, das Turnier 2018 geht nach Europa, für 2022 ist gar Katar ein heißer Kandidat - für zwölf Jahre besteht also künftig eine Planungssicherheit für Finanzen und Familie.

Neu ist nicht, dass WM-Vergaben angezweifelt werden. Mit ins Grab genommen hat beispielsweise der Neuseeländer Charles Dempsey das Geheimnis, warum er sich bei der Wahl zur WM 2006 - entgegen dem Auftrag seines Verbandes - der Stimme enthielt und somit ein 12:11 für Deutschland ermöglichte. Neu ist auch nicht, dass in der Fußballfamilie die Korruption blüht, das wurde in der Schweiz, der Heimat der Fifa, gerichtlich festgestellt. Persönliche Folgen hatten die nachgewiesenen Bestechungen keine, für direkte Ermittlungen gegen Funktionäre des Weltsports gibt es dort bislang keine rechtliche Grundlage. Die Fifa, die Milliarden umsetzt, gilt den Eidgenossen rechtlich als privater Verein, ähnlich einem Angelclub. Neu ist nun aber, dass in der Schweiz der politische Druck wächst, endlich eine Rechtsgrundlage zu schaffen, auf der Staatsanwälte künftig gegen Funktionäre der dort zuhauf ansässigen Weltsportverbände ermitteln können, falls Korruptionsverdacht besteht. Die Vorgänge um die Doppel-WM-Vergabe liefern dafür gerade gute Argumente.

Und mit Verkündung der Ausrichter 2018 und 2022 ist es ja nicht vorbei. Im Gegenteil, anschließend werden die Enttäuschten aufstehen, das Ergebnis beklagen und einige vielleicht sogar jene Skrupellosigkeit konkret beschreiben, von der Wladimir Putin so kryptisch spricht. Niemand muss sich an Absprachen und Allianzen halten, denn das nächste Turnier-Geschenk ist erst in vielen Jahren zu verteilen. Die jetzt am Verfahren Beteiligten werden dann kaum mehr im Amt sein. Sie müssen deshalb auf niemanden Rücksicht nehmen.

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SZ vom 02.12.2010/jbe
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