Fußball-Weltverband:Die Fifa und der Morast von Afrika

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Ein seltener Moment der Demut: Fifa-Vizepräsident Ahmad Ahmad (vorne links) und Weltverbandsboss Gianni Infantino.

(Foto: Pressefoto ULMER/Markus Ulmer/Imago)
  • Gegen Ahmad Ahmad, den Chef von Afrikas Verband, werden immer mehr Vorwürfe laut.
  • In einem der SZ vorliegenden Brief beklagt der Finanzdirektor des Afrika-Verbandes, er habe immer wieder Geld für korrupte Zwecke ausgeben müssen.
  • Nun passiert etwas Absurdes: Die Fifa übernimmt die Regie in Afrika.
  • Es ist ein von der Europa-Union Uefa scharf kritisierter Vorgang.

Von Thomas Kistner

Nicht mal im Sport kommt es oft vor, dass der Witz des Jahres schon zur Jahresmitte feststeht. Für den Fußball lässt sich das nun sagen: Unschlagbar ist Giannis Infantinos Hymne auf sich selbst bei der Krönungs-Groteske der Fifa im Juni in Paris. "In drei Jahren ist diese Organisation von einer vergifteten, fast kriminellen Vereinigung zu dem geworden, was sie sein soll. Niemand spricht mehr über Korruption!", schwadronierte der Patron.

Das Gegenteil trifft zu. Der Fifa lagen sogar schon zum Zeitpunkt dieser Hymne auf sich selbst Korruptionshinweise vor, sie betreffen afrikanische Spitzenfunktionäre und reichen weit in Infantinos Reich. In einem der SZ vorliegenden Brief beklagt Mohamed El Sherei, Finanzdirektor des Afrika-Verbandes Caf, er habe immer wieder Geld für korrupte Zwecke ausgeben müssen. Caf-Boss Ahmad Ahmad habe ihm geneigte Funktionäre mit Geld und einer opulenten Pilgerreise nach Mekka verwöhnt; zudem habe er "Doppelzahlungen für WM-2018-Missionen" veranlasst, für die WM in Russland. Hat Afrika keine bessere Verwendung für Verbandsmittel?

Bei Infantinos Pariser Liturgien auf die porentief reine Fifa war das kein Thema. Aber schon am Morgen danach schnappte die Polizei seinen Vertrauten, den Fifa-Vizepräsidenten Ahmad, in dessen Luxushotel und nahm ihn bis zum Abend in die Mangel: wegen Korruptionsvorwürfen.

Messi wirft der Conmebol Spielmanipulation vor

Ahmad zählt wie Alejandro Dominguez, der Chef der Südamerika-Föderation Conmebol, zu Infantinos Paladinen im Weltfußball-Vorstand. Der Name des Paraguayers Dominguez taucht in den New Yorker Fifa-Prozessen der US-Justiz auf, zudem fällt er als steter Stichwortgeber für Infantinos Vorhaben auf: Er schob die jüngst gescheiterte Aufstockung der WM 2022 in Katar auf 48 Teams an. Nun hat Dominguez mächtig Ärger mit seiner Copa América. Die Südamerika-Meisterschaft litt nicht nur unter Publikumsschwund und der brachialen politischen Selbstinszenierung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Lionel Messi wirft der Conmebol, die er und andere Topspieler nur "Corrupbol" nennen, Spielmanipluation vor. Dafür drohen Argentiniens Superstar zwei Jahre Sperre, aber Dominguez und Co. trauen sich das kaum, weil Argentiniens Verband AFA für diesen Fall den Ausstieg aus dem Turnier angekündigt hat. Was doppelt problematisch für Conmebol wäre, weil die Copa 2020 in Argentinien stattfinden soll.

Öffentliche Korruptionsvorwürfe also in Südamerika, die ohne Sanktion bleiben. Allerdings steuern Conmebols zehn Verbände deutlich weniger Voten zu Infantinos Wahl-Operetten bei als Afrikas 56 Nationalverbände. Der Caf ist das wahre Schwergewicht. Das weiß Infantino, der gleich nach seiner Amtsergreifung 2016 in Afrika einiges umgestellt hatte. Dort fand er seine sportpolitische Schlüsselfigur in Ahmad Ahmad, der den unbedeutenden Fußball in Madagaskar anführte. Über Nacht erblühte in dem Inselstaat im Indischen Ozean die neue Machtstruktur des Weltfußballs. Der vormalige Fischerei-Minister Ahmad führte Infantino eine persönliche Vertraute zu, die Koordinatorin für das UN-Entwicklungsprogramm, Fatma Samoura. Zwar hat die 56-Jährige keinerlei Bezug zum Fußball, doch offenbar bewog Infantino genau das, die Senegalesin zur obersten Hauptamtlichen im Weltfußball zu machen: zur Fifa-Generalsekretärin.

Ahmad wurde Caf-Boss, obwohl ihn das Ethikkomitee im Visier hatte

Und Ahmad? Hatte nicht umsonst vermittelt. Bei den Caf-Wahlen 2017 stürzte er mit Infantinos Assistenz den langjährigen Throninhaber Issa Hayatou, einen erklärten Gegner Infantinos. Ahmad wurde Caf-Boss, obwohl ihn das damals hoch angesehene Fifa-Ethikkomitee schon im Visier hatte: Der Madagasse hatte nach klarer Aktenlage 2010 Geld von dem wegen Korruption lebenslang gesperrten Mohamed Bin Hammam aus Katar kassiert.

Kaum war Ahmad installiert, schasste Infantino die unbequemen Fifa-Ethiker und holte eine Kolumbianerin rein, die ihm Südamerikas Funktionäre als "Superamiga" angepriesen hatten. Claudia Rojas, die "Super-Freundin", müsste nach Aktenlage längst gegen Ahmad ermitteln. Schon Ende März hatte ein weiterer gefeuerter Caf-Mitarbeiter, Generalsekretär Amr Fahmy, ein 300-seitiges Dossier zu Ahmad vorgelegt, darin auch die Geldschiebereien, die die Pariser Justiz interessieren - und: Vorwürfe wegen sexueller Belästigung.

Chefermittlerin Rojas ist auf Tauchstation

Aber Infantinos blütenweiße Fifa tut erkennbar alles, um Ahmad aus der Schusslinie zu nehmen. Das zeigt der jüngste Vorstoß von El Sherei. Der bis vor kurzem oberste Kassenwart der Caf erklärt, er habe der Fifa nicht nur Doppelzahlungen an Funktionäre bei Fifa-Einsätzen, sondern auch "Entschädigungszahlungen" vorgelegt, die Ahmad für sich und seinen Compliance-Mann veranlasst habe, also den eigenen Aufpasser; auch dieses Geld sei parallel zu Fifa-Einsätzen geflossen.

Chefermittlerin Rojas ist im Fall Ahmad auf Tauchstation, wie stets, wenn Infantino oder sein Umfeld betroffen ist. Aber die Fifa weiß um die Gefahr der neuen Korruptionswelle. Bevor die Caf-Opposition den Problemfall Ahmad aufgreifen konnte, bat dieser seinen Freund Gianni um völlig Absurdes: Die Fifa möge doch für eine Weile die Regie in Afrika übernehmen. Ein von der Europa-Union Uefa scharf kritisierter Vorgang; auch manche Afrikaner sehen hier einen "Rückfall in die Kolonialzeit". Aber Infantino/Ahmad haben offenbar keine andere Wahl. Im Juni setzten sie ihre gemeinsame Vertraute als Chefaufseherin ein: Fatma Samoura. Infantinos Allzweckwaffe, die ihren Millionenjob Ahmad verdankt, soll nun dessen Morast in Afrika verwalten, wohl, um mehr Enthüllungen zu verhindern. Wie die von Ex-Finanzchef El Sherei.

Der hatte der Fifa schon am 31. Mai Material zu Ahmad übersandt - wie kann es dann sein, dass er am 8. Juli von der bereits Fifa-gesteuerten Caf gefeuert wurde? Zug um Zug drängt sich die Fifa selbst als Ziel für Ermittlungen auf. Allerdings nicht in der Schweiz, wo soeben die Karriere des Bundesanwalts an dessen obskuren Treffen mit Infantino zu zerschellen droht. Derweil geht in der Fifa der Exodus hoher Offizieller weiter. Wie berichtet, verlässt Compliance-Chef Ed Hanover den Verband. Vielleicht bleibt, wenn nur genug Aufpasser Reißaus nehmen, Hochbrisantes wie der Fall Ahmad ja am Ende aus logistischen Gründen liegen.

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