Süddeutsche Zeitung

Fifa:Rätsel um Treffen Nummer vier

  • Der oberste Ermittler der Schweiz, Michael Lauber, steht wegen seiner Rolle in den Ermittlungen rund um den Fußball-Weltverband Fifa weiterhin im Fokus der Justiz.
  • Nicht nur wegen seiner diskreten, nicht protokollierten Treffen mit Gianni Infantino erklärte das Bundesstrafgericht der Schweiz den Juristen für befangen.
  • Bislang war von drei Zusammenkünften die Rede, nun soll nach SZ-Informationen sogar ein viertes Treffen stattgefunden haben - allerdings ohne Infantino.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Michael Lauber, der oberste Ermittler der Schweiz, rutscht immer tiefer hinein in einen handfesten Justizskandal. Seit Monaten steht der Chef der Berner Bundesanwaltschaft (BA) in der Kritik, insbesondere wegen seiner Rolle in den Ermittlungen rund um den Fußball-Weltverband Fifa - und wegen seiner diskreten, nicht protokollierten Treffen mit dessen Präsidenten Gianni Infantino. Jüngst erklärte das Bundesstrafgericht der Schweiz den Juristen für befangen im Fußball-Komplex; das ist ein gewaltiger Rückschlag für die Nachforschungen im globalen Sumpf um korrupte Funktionäre und fragwürdige Geldflüsse. Laubers auf Herbst vertagte Wiederwahl erscheint völlig illusorisch, der Ruf der Schweizer Justiz bei der Aufarbeitung internationaler Wirtschaftskriminalität hat längst Schaden genommen.

Nun also der nächste Rückschlag für Lauber in der problematischen Beziehung seiner BA zur Fifa. Bisher sind drei Treffen Laubers mit Infantino bekannt, von denen der Behördenchef allerdings nur zwei - im März und im April 2016 - als gesichert einräumt. Das dritte, im Juni 2017, ist zwar gut dokumentiert, es wollen jedoch alle damals Beteiligten kollektiv vergessen haben; so erzählen sie es allen Ernstes. Und nun gibt es nach SZ-Informationen mindestens eine weitere - sprich: die bereits vierte - Zusammenkunft des Bundesanwaltes mit Vertretern der Fifa-Spitze. Sie fand im Herbst 2015 statt und geht auch aus Schweizer Justizpapieren hervor.

Warum in Laubers Büro?

Laubers Gesprächspartner auf Seite der Fifa war bei diesem Treffen nicht Infantino, der damals noch als Generalsekretär bei Europas Fußball-Union Uefa fungierte und erst im Februar 2016 zum obersten Repräsentanten des Weltfußballs gewählt wurde. In Laubers Behörde angetreten war Marco Villiger, damals Chefjurist der Fifa; für die BA war neben Lauber noch Olivier Thormann zugegen. Letzterer war damals der leitende Ermittler im Fußball-Komplex, später wurde er von der Aufgabe entbunden. Es gab gegen ihn sogar eine (dann eingestellte) Strafuntersuchung wegen seines jovialen, allzu vertraulichen Umgangs mit Villiger. Das Bundesstrafgericht erklärte jüngst auch ihn für befangen.

Der Behördenchef und der leitende Ermittler: beide befangen, wenn es um den Fußballsumpf geht. Willkommen bei der Schweizer Justiz? Der Treffpunkt im Herbst 2015 war nach Aktenlage Laubers Büro. Das genaue Datum ist unklar; nach SZ-Informationen könnte es Oktober oder November 2015 gewesen sein. Auch für die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft (AB-BA), die gegen Lauber wegen dessen Tête-à-Têtes kürzlich ein Disziplinarverfahren eröffnet hat, soll dieses Treffen nun ein Thema sein.

Grundsätzlich ist festzuhalten: Ein Meeting zwischen dem BA-Ermittlungsleiter, also Thormann, und dem Fifa-Justitiar, etwa zur Abklärung technischer Details, ist per se kaum zu monieren. Es gab ja durchaus Themen angesichts von elf Terabyte konfiszierter Fifa-Daten, welche die BA in diversen, den Fußball betreffenden Verfahren auszuwerten hatte. Doch warum in Laubers Büro? Warum mit dem Behördenchef, der sich laut BA doch nie in operative Vorgänge eingemischt hat? Wurde wenigstens dieses Treffen protokolliert? Wer hat es in die Wege geleitet, um was genau ging es dabei? Bekannt ist dazu nur Thormanns Aussage, als er im Zuge der Strafermittlung gegen ihn einvernommen wurde: Der Fifa-Chefjurist habe beim Dreier-Treffen in Laubers Büro "bezüglich Vorgängen in der Fifa" informiert.

Für den obersten Ermittler der Schweizer Justiz wird die Sache jedenfalls immer bedrohlicher. Als im Herbst 2018 erstmals enthüllt wurde, dass sich Lauber diskret mit Infantino traf, musste er zum Rapport bei seiner Aufsichtsbehörde, der AB-BA. Zu dem Zeitpunkt waren nur zwei Treffen bekannt, eben die von März/April 2016. Und bei diesem Rapport, teilte die AB-BA später offiziell mit, habe Lauber erklärt, es sei "zu keinen weiteren Treffen mit Vertretern der Fifa oder Uefa auf Stufe Bundesanwalt gekommen".

Grundsätzlich verteidigt die BA Laubers Treffen mit der Fifa-Spitze

Dass dies mit den Fakten schwierig in Einklang zu bringen ist, zeigte sich schon im vergangenen Frühjahr. Da flog das dritte Date von Lauber/Infantino auf, im Juni 2017 - jenes, an das sich heute angeblich niemand mehr erinnern kann. Und jetzt also ein viertes Treffen "mit Vertretern der Fifa auf Stufe Bundesanwalt" -, über das Lauber damals laut AB-BA auch nicht informiert hatte. Falls dieses Dreier-Treffen 2015 in Laubers Büro nicht zu beanstanden ist, müsste es korrekt protokolliert worden sein - dann aber fragt sich, warum dieser Sachverhalt auch von den Aufsichtsorganen bisher nie kommuniziert wurde. Immerhin beschäftigen die Treffen zwischen Lauber und der Fifa die Öffentlichkeit seit Monaten, über die Schweiz hinaus.

Die BA beantwortet eine konkrete Anfrage nach Grund, Inhalt und der Dokumentation dieses Treffens nicht; mehr als das bisher Gesagte gebe es nicht mitzuteilen. Grundsätzlich verteidigt die BA Laubers Dates mit der Fifa-Spitze mit dem Argument, dass solche "Koordinierungstreffen" bei großen Strafverfahren im Sinne von effizienteren Ermittlungen notwendig seien. Was eine interessante Sichtweise ist, wenn das Koordinierte entweder nicht protokolliert oder von allen gleich wieder vergessen wird. Auch die AB-BA will nicht konkret Stellung nehmen. Das Aufsichtsorgan verweist auf das Disziplinarverfahren, das es wegen Laubers Verhalten im Fußball-Kontext Anfang Mai einleitete; während dieses laufe, wolle man sich nicht äußern. In der Untersuchung geht es um mögliche Amtspflichtverletzungen Laubers - nur hat die Untersuchung noch gar nicht begonnen. Erst nächste Woche soll geklärt sein, welche externe Fachperson sie leitet.

Nicht nur drei, sogar vier Gesprächsrunden sind es jetzt also, die Lauber rechtfertigen muss. Was von diesen Treffen zu halten ist, stellte soeben das Bundesstrafgericht in Bellinzona klar. Die Anwälte der früheren Fifa-Topleute Markus Kattner und Jérôme Valcke, gegen die die BA Ermittlungsverfahren eröffnet hat (unter anderem wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung), wollten Lauber für befangen erklären lassen. Die Bundesstrafrichter gaben ihnen Recht - und begründeten dies in ungewohnt drastischen Tönen.

Laubers Argumentation vermöge "nicht zu überzeugen", hieß es. Völlig unklar blieb den Richtern, "weshalb seine Teilnahme an diesen Treffen für die geordnete Durchführung der Verfahren unabdingbar gewesen sei". Es fehle "jegliche Transparenz" gegenüber den anderen Parteien im Fifa-Komplex - "mit dem Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen das rechtliche Gehör zu gewähren", lasse sich die hier gewählte Vorgehensweise "nicht vereinbaren". Damit begründe Lauber Umstände, "welche bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in dessen Unparteilichkeit zu erwecken". Intransparenz, Misstrauen. Das allein klingt vernichtend. Aber es geht weiter.

Zweck und Inhalte der Treffen blieben "nach wie vor unklar". Die Wahl der Orte - 2016 und 2017 kamen Lauber und Infantino samt Anhang in Edelgastronomien in Bern und Zürich zusammen - sei "zumindest unüblich". Und zur Auswirkung der Treffen auf konkrete Verfahren, rügen die Richter, gebe es "sich diametral widersprechende Ausführungen" von BA-Vertretern.

Überdies bemängeln sie etwas besonders Brisantes: Lauber habe entgegen der Vorschriften "auf operativer Ebene persönlich Einfluss genommen". In dem Urteil ist auch die Stellungnahme eines Staatsanwaltes vermerkt, der sagt, er sei im Frühjahr angewiesen worden, ein Verfahren einzustellen. Ausgerechnet jenes gegen Kattner, den langjährigen Fifa-Finanzchef.

Zwar teilt die BA nun mit, das Verfahren gegen Kattner sei "noch hängig". Aber der vom Bundesstrafgericht monierte Eingriffsversuch von oben rückt auch die Frage in den Fokus, welche Rolle der langjährige Finanzchef und Interims-Generalsekretär der Fifa im Herbst 2015 spielte.

Sollten Kattner Ermittlungen erspart werden?

Die Fifa steckte damals in größten Turbulenzen. Ende September war der langjährige Chef Sepp Blatter gesperrt worden - und auch sein designierter Nachfolger Michel Platini. Ganz plötzlich war eine mysteriöse Zahlung von zwei Millionen Franken der Fifa an Platini aus dem Jahr 2011 aufgeflogen. Diese explosive Information hatte ein kundiger Fifa-Insider der BA gesteckt, so schätzen es Kreise um die US-Justiz ein. Der damalige Generalsekretär Valcke war bereits gesperrt; den Verbandsapparat leitete ein ebenso stiller wie ambitionierter Mann: Markus Kattner.

Trug er dazu bei, dass die BA urplötzlich zwei aufsehenerregende Funde verwerten konnte, die bis heute die einzigen geblieben sind? Erstens die Blatter/Platini-Zahlung - und zweitens die Transaktion über 6,7 Millionen Euro der deutschen WM-2006-Organisatoren an den Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus, die im April 2005 über ein Fifa-Konto lief. Letzterer Vorgang hatte die Sommermärchen-Affäre ausgelöst. Beide Millionen-Belege liefen seinerzeit über Kattners Schreibtisch. War er es also, der seinerzeit das Duo Blatter/Platini zu Fall brachte? Wollte Lauber ihm deshalb Ermittlungen ersparen? Auf Anfrage, ob er mit Hinweisen an die BA 2015 etwas zu tun hatte, wollte Kattner sich Anfang Juni nicht äußern - mit Verweis auf die laufenden Verfahren.

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Quelle:
SZ vom 29.06.2019/dsz
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