Fifa:Acht Prozent weniger Lohn

Fifa: Bundesanwalt Michael Lauber.

Bundesanwalt Michael Lauber.

(Foto: Stefan Wermuth/AFP)

Für Chef-Ermittler Lauber gibt es in der Justizaffäre um das Sommermärchen Konsequenzen.

Von Thomas Kistner

Eine Woche vor Prozessauftakt zur deutschen Affäre rund um die Fußball-WM 2006 vor dem Bundesgericht in Bellinzona gerät die Schweizer Strafjustiz endgültig aus den Fugen. Michael Lauber, Chef der Bundesanwaltschaft (BA) in Bern, soll im Zuge eines gerade abgeschlossenen Disziplinarverfahrens mit einer Gehaltskürzung bestraft werden. Lauber hatte diverse mysteriöse Geheimtreffen mit Gianni Infantino abgehalten, dem Chef des Fußball-Weltverbands Fifa. Wegen dieser mindestens drei Stelldicheins, an deren letztes Mitte 2017 sich absurderweise keiner von vier Beteiligten erinnern kann, waren Lau- ber und sein zuständiger Verfahrensleiter im Juni 2019 vom Bundesstrafgericht für befangen erklärt - und von den eigenen Fußballkomplexen suspendiert worden.

Welche gravierenden Konsequenzen Laubers unangebrachte Treffs mit dem umwitterten Fifa-Boss haben, tat jetzt die Neue Zürcher Zeitung kund: Wegen der Befangenheit des Bundesanwalts löst sich ein Strafverfahren wegen Geschäftsuntreue gegen zwei langjährige Fifa-Topfunktionäre, den früheren Generalsekretär Jérôme Valcke und den Ex-Finanzchef Markus Kattner, in Luft auf. Das Duo hatte im Vorjahr Beschwerde gegen Laubers Amtsführung eingereicht. Zuvor war durch Medien- und Justiz-Recherchen aufgeflogen, dass sich der Chefankläger persönlich immer wieder mit Infantino getroffen hatte; er ließ diese Treffen auch nie protokollieren. Und eines will er sogar vollständig vergessen haben: ein zweistündiges Meeting in direkter räumlicher Nähe zur Botschaft des Emirats Katar, das seinerseits tief in den Ermittlungskomplexen der BA zum Weltfußball steckt. Welchen Sinn wohl Geheimtreffen auf oberster Ebene ergeben, die erst nicht protokolliert und dann auch noch komplett vergessen werden?

Diese Treffs hatten jedenfalls zum Disziplinarverfahren der Aufsichtsbehörde (AB-BA) über die Bundesanwaltschaft im Vorjahr geführt. Die vorgesehene Strafe, Lohnkürzung für ein Jahr um acht Prozent, zu der Lauber noch Position beziehen konnte, sollte in den nächsten Tagen verkündet werden. Aber am Wochenende sickerte sie an den Zürcher Tages-Anzeiger durch und wurde publik. Zugleich teilte Laubers BA dem Blatt ihr "Befremden" darüber mit, "dass Informationen zum Entwurf des Entscheids der Aufsichtsbehörde an die Öffentlichkeit gelangt" seien. Auch müsse eine Verfügung der AB-BA noch "einer gerichtlichen Überprüfung standhalten".

Demnach will der in der helvetischen Politik eng vernetzte Lauber, der auch besten Zugang zum Geheimdienst hat, gegen das Verdikt vorgehen. Eine Lohnkürzung von acht Prozent für Amtspflichtverletzungen wäre happig, sie bliebe nur knapp unter der Obergrenze von zehn Prozent. Lauber selbst hatte bei seiner gleichfalls knappen, sehr skurrilen Wiederwahl im Herbst erklärt, er trete zurück, wenn ihm Fehlverhalten nachgewiesen werde. Aber danach sieht es nicht aus. Im Gegenteil. Wie die SZ aus eingeweihten Kreisen erfuhr, soll Lauber das Verfahren seiner Aufseher stark behindert haben. Aussagen eigener Mitarbeiter seien verweigert worden, ebenso die Herausgabe von Dokumenten. Der anstehende Bericht soll nun eine ziemlich selbstherrliche Amtsführung skizzieren.

Nach außen herrscht dieser Eindruck längst vor. Ein Verfahren nach dem anderen fliegt Laubers Behörde um die Ohren, der Fall Valcke/Kattner fügt sich da ins trübe Gesamtbild. Erst vor Tagen klagte die BA Valcke in einem anderen Verfahren wegen Korruption an, ebenso Nasser al-Khelaifi, den Chef des katarischen TV-Senders BeIn und des französischen Klubs Paris Saint-Germain. Tage vor Abschluss dieser Ermittlungen musste die Behörde dann den einzig wirklich heiklen Vorwurf gegen Khelaifi fallenlassen: Infantinos Fifa zog ihre Anzeige urplötzlich zurück und einigte sich "gütlich" mit dem Beschuldigten.

In dieses Bild passt auch das anstehende Strafverfahren zum Sommermärchen. Ab dem 9. März stehen vier Beschuldigte vor Gericht. Ob die früheren DFB-Funktionäre Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach sowie der Schweizer Ex-Fifa-General Urs Linsi aber wirklich erscheinen werden, ist höchst fraglich. Auch in diesem Prozess ist der Fall des Hauptbeschuldigten, Franz Beckenbauer, aus Gesundheitsgründen abgetrennt worden - und weil die Causa am 27. April verjährt, wird er definitiv straffrei ausgehen. Und das beschuldigte Quartett? Sehr wahrscheinlich auch. Experten in Deutschland und der Schweiz, die das Anklagepapier der BA kennen, beschreiben es als reichlich stümperhaft.

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