Ferrari in der Krise:Zu wenig Kraft unter der Haube

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Seltsames Bild: Fernando Alonso (links) und Kimi Raikkonen in Bahrain. (Foto: dpa)

Nach drei Formel-1-Rennen steht Ferrari so schlecht da wie noch nie in der Ära Fernando Alonso. Das Team bekommt die neue Technik nicht in den Griff - dabei hat es maßgeblich an deren Einführung mitgewirkt.

Von René Hofmann

Es war eine Szene, in die sich viel hineininterpretieren ließ. Als Fernando Alonso am Sonntagabend beim Großen Preis von Bahrain als Neunter ins Ziel kam, mit mehr als 30 Sekunden Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton, ließ der Spanier seinen Ferrari vor seinem Team tanzen, als hätte er das dritte Rennen der Saison gewonnen. Seht her, ich kann's noch - konnte das heißen. Oder auch: Na danke für die rote Seifenkiste, in der ihr mich da losschickt!

Neunter und Zehnter: Es war ein ernüchterndes Ergebnis, das Alonso und sein Kompagnon Kimi Räikkönen bei dem Nachtrennen einfuhren. "Ich hatte nicht viel von diesem Rennen erwartet, aber ein bisschen mehr schon", sagte Luca Cordero di Montezemolo, bevor er die Strecke verließ. In dem Moment waren noch zwölf Runden zu absolvieren, auf denen sich Hamilton und sein Mercedes-Kollege Nico Rosberg aufs Unterhaltsamste um den Sieg balgten. Die Gazzetta dello Sport schnappte von Montezemolo beim Abschied noch den Satz auf: "Ich denke, hier gibt es nicht mehr viel zu sehen."

Der Ferrari-Präsident zeigt sich nicht oft an der Boxenmauer. Montezemolo hält es wie Firmengründer Enzo Ferrari, der schleuderte auch lieber aus der Zentrale in Maranello Blitze. Wenn Montezemolo kommt, dann setzt er stets Zeichen. Die Botschaften, die der 66-Jährige in Bahrain zurückließ, lauteten: "Wir sind zu langsam auf der Geraden. Es fehlt uns an Kraft. Vor allem das Motorenteam muss viel Arbeit für einen Qualitätssprung leisten." Und: Egal, wie gut die Show auch sein mag, wenn kein Roter um den Sieg kämpft, ist das für die Roten uninteressant.

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Vor vier Jahren hat Montezemolo den Spanier Alonso als Steuermann für die italienische Motorsport-Nationalmannschaft an Bord geholt. So mies wie aktuell war der Zwischenstand nach drei Rennen noch nie. 33 Pünktchen - das ergibt gerade einmal Rang fünf in der Konstrukteurswertung. Und die stolze Scuderia muss zugeben, dass dieses Bild keineswegs verzerrt ist. "Wir wurden Neunter und Zehnter ohne einen Crash oder irgendein Problem. Mehr war heute nicht drin", sagte Alonso. Und Räikkönen erzählte anschaulich, woran das gelegen hatte: "Die Autos mit den Mercedes-Motoren konnten uns sehr leicht auf den Geraden überholen." Diese seien "in einer anderen Liga" gefahren.

Doch nicht nur der - vergleichsweise - antriebsschwache Motor bereitet Kummer. Der F14 T, wie die Fans den Rennwagen in einer Internetumfrage tauften, klebt offenbar auch nicht so gut auf der Straße wie einige andere Autos. "In der nächsten Kurve hatte er auch noch viel mehr Traktion", berichtete Räikkönen erstaunt über den Moment, als ein Mercedes-getriebener Force India ihn überholt hatte: "Es fehlen nicht nur Pferdestärken."

Beim Saisonauftakt Mitte März in Melbourne hatte es noch so ausgesehen, als befände sich Ferrari zumindest in Schlagdistanz. Alonso war dort Vierter geworden, Räikkönen Siebter - und das, obwohl ein Software-Fehler beiden auf den ersten Kilometern nicht erlaubt hatte, die volle Leistung des Hybrid-Antriebs zu entfesseln. In diesem gibt es Elemente, die erst ab 100 km/h aktiviert werden dürfen.

Die eingebauten Computer hatten aber nie registriert, dass der Ferrari so schnell war, was natürlich einen wunderbaren Spott abgab: Hihi, ein Ferrari, der angeblich noch nicht einmal 100 km/h schafft!

Sowohl Alonso und Räikkönen konnten das System aber neu starten, woraufhin es dann doch flott dahinging. Nun aber legten die langen Geraden in Bahrain die Schwächen des Gesamtsystems schonungslos offen. Selbst die Kundschaft beschwert sich schon. Ihre Autos hätten leider "nicht den stärksten Antrieb" im Heck, moniert Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, die noch auf den ersten Punkt für den Rennstall 2014 wartet. Sauber bezieht seine Motoren von Ferrari.

Vor dem Bahrain-Rennen sprachen Montezemolo und Alonso unter vier Augen. Montezemolo, so erzählt es Alonso, habe ihm versichert, dass das ganze Team mit vollem Elan arbeite. Und Alonso, so erzählt es Alonso, versicherte dem obersten Ferrarista umgekehrt das Gleiche: "Ich werde mich nicht ausruhen, solange sich diese Situation nicht ändert." In dieser Woche stehen in Bahrain noch Testfahrten an. Das nächste Rennen wird am Ostersonntag in Shanghai gestartet. Dort hat Alonso im vergangenen Jahr gewonnen.

Damals spielte die Aerodynamik der Autos noch die Hauptrolle - was Montezemolo gewaltig missfiel. Mit dem Argument "Wir bauen doch keine Flugzeuge!" wirkte er auf eine Regeländerung hin. Mit dem Argument "Wir bauen doch keine Motor- räder!" verhinderte er, dass Vierzylinder- Motoren eingeführt wurden. Die neuen Sechszylinder-Turbo-Hybrid-Kraftzellen, die im Moment maßgeblich den Ausgang der Rennen beeinflussen - Ferrari hat ihre Einführung entscheidend befeuert. Das macht den Absturz so peinlich, den der Corriere dello Sport in nur drei Worten beschrieb: "Ferrari, tiefe Nacht."

© SZ vom 09.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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