Ferrari in der Formel 1:Zwei Einzelkämpfer in einer Box

Australian F1 Grand Prix - Previews

Gewaltiger Kulturwandel: Kimi Räikkönen und Fernando Alonso.

(Foto: Getty Images)

Fernando Alonso und Kimi Räikkönen in einem Rennstall zu vereinen, ist ein mutiges Experiment von Ferrari. Doch die Niederlagen der vergangenen Jahre zwingen die Italiener zu mehr Risiko.

Von René Hofmann, Melbourne

Vor dem Saisonauftakt lassen sich die meisten Formel-1-Teams etwas Besonderes einfallen, um ins Gespräch zu kommen. Am Dienstag spielte Nico Hülkenberg zusammen mit Sergio Perez, seinem neuen Teamkollegen bei Force India, in Melbourne Australian Rules Football, eine besonders kämpferische Rugby-Form.

Am Mittwoch sprach Daniel Ricciardo über die Perspektiven, die sich neben Weltmeister Sebastian Vettel bei Red Bull für ihn nun auftun sollen; die Perspektiven, die sich dabei boten, waren grandios: Der Australier saß im obersten Stock eines Wolkenkratzers, auf der einen Seite streifte der Blick über Melbournes imposante Hochhaus-Kulisse, auf der anderen Seite über die Rennstrecke und die dahinterliegende Meeresbucht. Am Donnerstag werden Lewis Hamilton und Nico Rosberg, die beiden Mercedes-Fahrer, direkt am Wasser einen Auftritt absolvieren.

Strandleben, Hochhäuser, das satte Grün eines Football-Platzes - die meisten Fahrer werden vor ausgesprochen hübschen Kulissen in Szene gesetzt. Aber nicht alle. Ausgerechnet die spannendste Piloten-Paarung tritt dort auf, wo Melbourne von der Stadt abrupt zur Vorstadt wird, hinter dem Hochhaus-Casino, wo Aldi und Woolworth ihre Filialen haben und ein asiatischer Schnäppchen-Jäger alles feilbietet, was vom Fasching übrig blieb; kein Teil teurer als 3,50 Euro. Fernando Alonso und Kimi Räikkönen sollen ab sofort für Ferrari gemeinsame Sache machen. Ausgerechnet Alonso und Räikkönen!

Als der Spanier 2010 bei Ferrari einstieg, wurde der Finne mit einer stattlichen Abfindung vom Betriebshof gewiesen. Nach zwei Sabbatjahren in der Rallye-WM und zwei im Formel-1-Lotus wurde er nun wieder zurück nach Maranello geholt, als Ersatz für Felipe Massa, aber auch, um Alonso in die Schranken zu weisen, der als arger Einzelkämpfer die Scuderia zuletzt nicht mehr wirklich mitgerissen hat. Zwei Weltmeister in Rot - das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Das hat es überhaupt erst einmal gegeben: 1953 Alberto Ascari und Giuseppe Farina.

"Wir sind es leid, Zweiter zu werden"

Die historische Dimension offenbart, wie gewaltig der Kulturwandel ist nach drei zweiten Plätzen in den vergangenen vier Jahren. "Wir sind es jetzt wirklich leid, Zweiter zu werden", hat Ferrari-Präsident Luca Cordero di Montezemolo bei seiner Weihnachtsansprache vor allen Mitarbeitern gesagt. Alonso und Räikkönen: Zwei Alphatiere in eine Box zu sperren - das ist gewagt. Es zeigt, wie sehr die Demütigungen der vergangenen Jahre die Risikobereitschaft der Italiener haben reifen lassen, die bisher stets auf geregelte Machtverhältnisse zwischen den Fahrern setzten und auch nie davor zurückschreckten, diese per Stallorder anzuweisen.

Alonso bezwang 2005 und 2006 im Renault Michael Schumacher, der damals noch für Ferrari fuhr. Räikkönen holte als Schumacher-Nachfolger 2007 den bislang letzten Titel für Ferrari. "Die zwei Galácticos" ruft der Moderator, als Alonso und Räikkönen für ihren Auftritt erscheinen und über einen roten Teppich an einer Sponsorenwand zu zwei fest montierten Fahrrädern schreiten sollen, auf denen sie gleich demonstrieren dürfen, wie wichtig angesichts der neuen Regeln Energieeffizienz ist. Das belegt auch ein Film, der direkt nebenan auf einer großen Leinwand zu bewundern ist, vor der tiefe Ledersessel und gesalzenes Popcorn stehen.

"Man will immer der Bessere sein"

Roter Teppich, Sponsorenwand - das klingt nach ganz großem Kino, ein bisschen wie bei der Oscar-Verleihung. Aber der rote Teppich liegt im Schatten einer Autobahn-Brücke, die Fahrräder stehen in einem kleinen Zelt und Alonso und Räikkönen kommen nicht geschritten, sondern eher geschlurft. Und sollten sie tatsächlich Lust auf das gemeinsame Strampeln haben, verstecken sie diese wahnsinnig gut hinter ihren dunklen Sonnenbrillen. Das Miteinander ist tatsächlich harmonisch - in der zur Schau gestellten Unaufgeregtheit, in der beide es angehen.

"Wir wollen den Titel gewinnen. Wir sind bereit dafür": Im Januar hat Alonso das gesagt. Inzwischen hat sich bei den Testfahrten gezeigt: Ferrari ist ein ganz gutes neues Auto gelungen und ein recht solider neuer Sechszylinder-Motor. Ob damit in Melbourne der Sieg herausspringen kann? "Das ist das Ziel", sagt Räikkönen im Zelt, "wenn wir ankommen, sollten wir auch aufs Podium kommen können."

Ansonsten sagt er vor allem Neins: Das Team habe sich seit seinem Abschied 2010 nicht groß verändert. Die viele neue Technik beeinflusse die Fahrweise nicht groß. Und einen Weltmeister neben sich zu haben, sei auch nichts Besonderes. "Man will immer der Bessere sein": So sieht das Räikkönen.

Inzwischen ist er 34 und der Älteste im Fahrerfeld. Alonso ist zwei Jahre jünger, geht damit aber auch nicht mehr als Youngster durch. Das ist die große Hoffnung der Ferrari-Führung: Dass sich da zwei Erwachsene auf Augenhöhe begegnen, die von alleine verstehen, dass es allen schadet, wenn ihre Rivalität zu weit geht. Ehrgeiz als Antrieb, kontrolliert durch Einsicht - das ist ein interessantes Konzept.

Die Konstellation wird prickelnd bleiben, selbst wenn beide nicht um einen Platz auf dem Podium kämpfen können. Dafür ist in der Vergangenheit genug passiert. Zum Beispiel hat Räikkönen in Melbourne schon zweimal gewonnen, das letzte Mal im vergangenen Jahr. Alonso war im Albert Park erst einmal der Schnellste.

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