Süddeutsche Zeitung

Ferrari in der Formel 1:Zum Schluss nochmal richtig Frust

  • Beim Saisonfinale der F1 erlebt Ferrari einen enttäuschenden Nachmittag.
  • Vettel und Leclerc fahren hinterher, Lewis Hamilton krönt seine überragende Saison mit einem weiteren Sieg.

Von Philipp Schneider

15 Runden waren noch zu fahren beim Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi, als im Funk ein Geräusch ertönte, das man in dieser Saison nicht allzu oft vernommen hatte. Es klang wie ein Lachen. Ein sattes und knackiges Lachen. Jemand lachte über Ferrari.

Max Verstappen hatte sich gerade erkundigt, ob er seinerseits ein Geräusch in seinen Kopfhörern richtig gedeutet hatte: Er meinte, während des Austauschs mit seinem Renningenieur im Hintergrund vernommen zu haben, wie beide Ferraris zum zweiten Mal zum Reifentausch rollten. Und nein, Verstappen hatte sich nicht verhört. Die Ferraris, obschon sie bereits vor dem zweiten Besuch an den Garagen hinter Verstappen fuhren, mussten noch einmal an die Box. Und Verstappen lachte.

Als Zweiter fuhr der Red-Bull-Pilot hinter dem Sieger Lewis Hamilton danach durchs Ziel. Beide Fahrer hatten nur einmal gehalten. Anders als Charles Leclerc im Ferrari, der mit 27 Sekunden Rückstand auf Verstappen Dritter wurde und zunächst noch befürchten musste, nachträglich disqualifiziert zu werden. Dazu kam es aber nicht. Und anders als Leclercs Teamkollege Sebastian Vettel, der zum Abschluss einer enttäuschenden Saison nur Fünfter wurde. Sowohl im Gesamtklassement als auch in diesem Rennen - also noch hinter Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil. Und Bottas war als Letzter in das Rennen gestartet.

"Ich muss es besser machen, ich kann es besser machen. Es war kein tolles Jahr von meiner Seite", räumte Vettel ein und kündigte an: "Ich lasse mich nicht unterkriegen."

Es ging vordergründig nicht mehr um viel beim Saisonfinale; die wichtigen Pokale waren ja schon längst an Hamilton und Mercedes verteilt worden. Es ging noch um die Reihenfolge der Piloten und Teams in der Endabrechnung. Es ging also um die Ehre.

Und um Geld. Theoretisch hätte Vettel seinen Teamkollegen in der Fahrerwertung noch überholen können. Aber dafür hätte schon einiges zusammenkönnen müssen. Leclerc wiederum hätte sich noch den dritten Platz von Verstappen schnappen können, womit er auch eine weitere Duftmarke im Stall von Ferrari gesetzt hätte, die Vettel nicht allzu gerne gerochen hätte. Auch dazu kam es nicht mehr.

Ein Gag-Schreiber hätte sich das Finale nicht besser ausdenken können. Denn vor dem Start verschickte der Automobilweltverband Fia eine Nachricht, die diese unbefriedigende Saison der Scuderia abrundete: Beim Auto Leclercs waren Unregelmäßigkeiten festgestellt worden: Die gemessene Spritmenge unterschied sich "signifikant" von den angegeben Werten. Leclerc durfte mitfahren, dreieinhalb Stunden nach Rennende entschieden die Rennkommissare dann: Es habe zwar ein Verstoß bei der korrekten Angabe der Benzinmenge vorgelegen. Ferrari erhielt aber nur eine Geldstrafe in Höhe von 50 000 Euro.

Die Rundfahrt in Abu Dhabi war das erste Rennen der Ferrari-Piloten nach ihrem Crash in Brasilien. Ob in der Zwischenzeit Verhaltensregeln besprochen worden seien, das ließ Teamchef Mattia Binotto offen. "Es gibt hier keine Antworten. Das ist etwas, was wir intern besprechen", sagte er. Vettel, der wegen der Geburt seines dritten Kindes mit einem Tag Verspätung zum Saisonfinale gereist war, gab sich viel Mühe, ein gutes Verhältnis zu Leclerc zu betonen. "Der Schlüssel für mich ist, dass wir miteinander klarkommen", sagte er. "Der Respekt ist da."

Ebenfalls wieder da waren schon am Samstag die strategischen Fehler, die sich bei Ferrari wie ein Roter Faden durch die Saison gezogen hatten: Diesmal schickten sie Leclerc in der Qualifikation zu spät auf die Strecke, um eine letzte gezeitete Runde vorzulegen. "Wir haben es vermasselt", gab Binotto anschließend zu. Leclerc rollte von Position drei ins Rennen, Vettel vom vierten Platz. Schneller als die Ferraris war auch Bottas im zweiten Mercedes, weil er aber zahlreiche Motorenkomponenten tauschen musste, wurde er ans Ende der Startaufstellung versetzt.

Von ganz vorne rollte Hamilton los, dahinter lauerten Verstappen und Leclerc. Ein bisschen fährt ja noch immer der Verdacht mit, dass bei der Benzinzufuhr der Ferrari-Motoren nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Die Ampeln gingen aus am Yas Marina Circuit - und gleich in der ersten Runde schoss Leclerc auch ziemlich spielerisch vorbei an Verstappen. Vettel, obwohl er als einziger Pilot aus der Spitzengruppe die schnellen und weichen Reifen am Auto hatte, kam nicht vorbei. Er konnte allerdings wie alle anderen Piloten auch nicht auf die Überholhilfe DRS zurückgreifen, bei der der Heckflügel umgeklappt werden kann - wegen eines technischen Defekts stand die Funktion bis zur 17. Runde nicht zur Verfügung.

An der Spitze setzte sich Hamilton schnell ab, nach sieben Runden hatte er einen Vorsprung von vier Sekunden auf Leclerc rausgefahren. Dahinter folgten in Abständen von jeweils zwei Sekunden Verstappen und Vettel. Nach 13 Runden kamen beide Ferraris direkt nacheinander zum ersten Stopp. Beim Reifenwechsel an Vettels Auto gab es Probleme hinten links: Leclerc wurde in 2,9 Sekunden abgefertigt, bei Vettel dauerte es 6,9 Sekunden.

Er fiel deshalb zurück hinter Sergio Perez und Bottas, der sich inzwischen auch ohne DRS von ganz hinten bis auf Platz fünf vorgekämpft hatte. Auf Platz vier rollte in diesem Moment übrigens Nico Hülkenberg in seinem vorerst letzten Formel-1-Rennen. Der Renault-Pilot verliert nach der Saison sein Cockpit an den Franzosen Esteban Ocon, zum Abschied wurde er Zwölfter.

An der Spitze fuhr Hamilton bis zum Schluss ein sehr einsames Rennen. Hinter ihm klagte Verstappen über Probleme mit seiner Motoreneinstellung. Aber der Niederländer war trotzdem schnell genug, um sich an Leclerc vorbeizuschieben (was ihn nicht davon abhielt, nach dem Überholmanöver weiter zu klagen). "Wir können daran nichts ändern. Du bist trotzdem schnell genug!", funkte Red Bull.

Das war er tatsächlich, zumal die zwei Ferraris noch einmal halten mussten zum Reifenwechseln.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2019/jbe
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