Formel 1 in Barcelona:Abschied vom Ferrari-Mythos

Formel 1 in Barcelona: Charles Leclerc (re.) und Sebastian Vettel fuhren in Barcelona wieder nur hinterher.

Charles Leclerc (re.) und Sebastian Vettel fuhren in Barcelona wieder nur hinterher.

(Foto: AFP)
  • Beim Grand Prix von Spanien dominieren in der Formel 1 erneut Lewis Hamilton und Valtteri Bottas.
  • Die beiden Mercedes-Fahrer schaffen wieder einen Doppelsieg - Sebastian Vettel wird nur Vierter.

Von Philipp Schneider, Barcelona

Das Ende aller Träume kann in der Formel 1 schnell geschehen. Oder es kann sich ziehen. Am Sonntag dauerte es bis zur 46. Runde, ehe das Rennen eine Wende nahm und Sebastian Vettel für eine Moment erneut Hoffnung schöpfte. In jenem Augenblick, als Lance Stroll und Lando Norris kollidierten. Das Safety Car rückte aus, das Fahrerfeld schob sich zusammen. Charles Leclerc, Vettels Teamkollege, fuhr an die Box für einen neuen Satz Reifen, Lewis Hamilton ebenfalls. Für Vettel sah die Welt nun ein kleines bisschen besser aus, er war zumindest mal wieder vorbei an Leclerc, immerhin Vierter. Aber was war das für ein Trost?

Am Ende eines Rennens, in dem er sich im Prinzip vom Kampf um die Weltmeisterschaft verabschieden musste. Eines Rennens, in dem für Ferrari schiefgelaufen war, was hätte schieflaufen können. Der Start. Die Boxenstopps. Und auch die Rennstrategie. Hinter Lewis Hamilton, dem Sieger, rollte Vettel durchs Ziel. Hinter Valtteri Bottas, dem Zweiten. Und auch noch hinter Max Verstappen im Red Bull. Vor dem Rennen in zwei Wochen in Monaco hat Vettel bereits 48 Punkte Rückstand auf Hamilton.

Die Formel 1 ist am Sonntag an den Ort zurückgekehrt, an dem vor der Saison ein Mythos geboren wurde. Der Mythos des in diesem Jahr allen anderen Rennwagen überlegenen Ferraris. Auf dem Circuit de Catalunya werden die letzten Testrunden gefahren, bevor es ernst wird beim Saisonauftakt in Melbourne. In der ersten Testwoche hatten Vettel und Leclerc die mit Abstand besten Zeiten auf dem Kurs in Katalonien gezeigt, woraufhin Ferrari als Titelkandidat gehandelt wurde.

"Wir schreiben Geschichte, der fünfte Doppelsieg nacheinander", frohlockt Hamilton.

Der Mythos des weltmeistertauglichen Rennwagens der Scuderia überlebte die Rennen in Australien, in Bahrain, in China, in Aserbaidschan, auch wenn er mit jedem Rennwochenende ein wenig mehr verblasste. Vier Doppelsiege feierte Mercedes, zweimal gewann Bottas, zweimal Hamilton. Die Resultate spiegelten zwar nicht das wirkliche Kräfteverhältnis wider, in Bahrain beispielsweise lag Leclerc lange Zeit auf Siegkurs. Aber nun, nach dem fünften Rennen und dem fünften Doppelsieg endet der Mythos dort, wo er geboren wurde: auf dem Circuit de Catalunya. "Wir schreiben Geschichte", frohlockte Hamilton, presste so das Offensichtliche in Worte.

Um endlich Anschluss zu finden an Mercedes, hatte Ferrari zwei Rennen früher als gewöhnlich die zweite Ausbaustufe ihrer Motoren in die Autos geschraubt, überhaupt brachten sie reichlich viele neue Teile nach Spanien. Mercedes allerdings auch. "Das Wochenende war für uns ein großer Schritt zurück", sagte Vettel: "Wir wollten endlich schneller sein, das hat schon wieder nicht geklappt."

Bottas und Hamilton parkten zum vierten Mal im fünften Rennen nebeneinander in der ersten Startreihe, dahinter standen Vettel, der mehr als acht Zehntel langsamer gewesen war als Bottas, und Verstappen im Red Bull, der schneller gewesen war als der Fünftplatzierte Leclerc im Ferrari. Länger als einen Kilometer zieht sich die Start- und Zielgerade in Barcelona. Von der Pole Position bis zur ersten Kurve sind es 565 Meter. Nach dem Start lässt es sich gut überholen, danach kaum noch. Hamilton und Vettel reagierten schneller als Bottas.

Hamilton zog vor Kurve eins auf der Innenseite vorbei an seinem Teamkollegen, der klagte, seine Kupplung habe sich "komisch" angefühlt, Vettel probierte es außen. Als Vettel dämmerte, dass es nicht reichen würde, bremste er hart, Qualm stieg auf von seinem rechten Vorderreifen. "Ich habe einen Bremsplatten", funkte er. Das Manöver kostete ihn seinen Platz, Verstappen fuhr vorbei. Am Ende der ersten Runde betrug Hamiltons Vorsprung auf Bottas zwei Sekunden.

Es begann die Prozession. Es ist vor diesem Rennen viel über den Crash der zwei Silberpfeile vor drei Jahren geredet worden. Damals hatten sich Hamilton und Nico Rosberg in der ersten Runde von der Strecke geräumt. Und weil ja Bottas sogar als WM-Führender nach Spanien gereist war, war die Frage gewesen, ob sich 2019 eine ähnliche Torheit ereignen würde. Nun, sie ereignete sich nicht. Gekämpft wurde woanders, auf den Plätzen vier und fünf. Leclerc attackierte Vettel. Er scherte links aus, er scherte rechts aus. Vorbei kam er allerdings nicht.

Vettel hielt Leclerc nun auf. Das wusste er selbst und verhielt sich fair. Er funkte an seine Box, Leclerc dürfe ihn überholen. Und dann, funkte Vettel, würde er gerne so schnell wie möglich einen frischen Satz reifen erhalten. "Pit me when you can", funkte Vettel. Am Ende der langen Geraden zog Vettel nach rechts, machte Platz für Leclerc. Und nun gab Leclerc Gas. Innerhalb von nur drei Runden fuhr er drei Sekunden Vorsprung auf Vettel heraus. Nach fünf Runden waren es schon 5,5 Sekunden. Aber was half es Leclerc, was half es der Scuderia? Das Tempo der drei Fahrer vor ihm konnte er nicht halten. Nicht einmal Verstappens Red Bull konnte Leclerc in diesem Moment folgen.

Ferrari reagierte spät; erst nach 19 Runden befreiten sie Vettel von seinem faulen Vorderreifen. "Der erste Stint war ein Schuss in den Ofen", klagte Vettel später. Eine Runde später rollte Verstappen an seine Versorgungsstation - in Runde 26 auch Leclerc. Und als der wieder auf die Strecke bog, sortierte er sich gerade so vor Vettel wieder ein. Leclerc fuhr nun auf harten Reifen, Vettel auf der nächstweicheren Mischung. Am Rande sei erwähnt, dass beide Stopps 4,4 Sekunden dauerten, also eine Ewigkeit. In beiden Fällen lag es an der für den linken Hinterreifen zuständigen Fachkraft, dass so viel Zeit verloren ging.

Obwohl Vettel schneller fuhr als Leclerc, ließ sich die Scuderia viel zu viel Zeit für die nächste Stallorder. Erst in der 36. Runde forderte der Kommandostand Leclerc auf, Vettel passieren zu lassen. Danach hielt Vettel zum zweiten Mal, Verstappen ebenfalls. Leclerc war nun vorübergehend Dritter. Und dann kollidierten Lance Stroll und Lando Norris, das Rennen nahm eine Wende. Für Ferrari war sie zu klein.

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