Felix Sturm:Ein Boxer kämpft um seine Freiheit

Felix Sturm

Boxer Felix Sturm nach einem Kampf im Jahr 2015.

(Foto: dpa)
  • Felix Sturm hat sich seinen Platz in der Geschichte des Boxens erkämpft, fünfmal gewann er den Weltmeistertitel im Mittelgewicht.
  • Seit Anfang April sitzt der 40-Jährige in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Köln, nachdem er auf einer Fitnessmesse in Köln festgenommen worden war: Verdacht der Steuerhinterziehung.

Von Benedikt Warmbrunn

Die Geschichte des Boxens und der größten Boxer hat Felix Sturm immer fasziniert. Im Laufe der Jahre, hat er einmal erzählt, hat er sich eine DVD-Sammlung mit Hunderten von Kämpfen angelegt. Der faszinierendste Kampf aus Sturms Sicht: Roy Jones Jr. gegen James Toney, 1994. Die beste Runde: Thomas Hearns gegen Marvin Hagler, 1985. Die beste mentale Leistung: Muhammad Ali gegen George Foreman, 1974 in Kinshasa. Wenn Felix Sturm über die Größten des Boxens gesprochen hat, dann war er wieder ein kleiner Junge. Dann war er nicht der Boxer, der danach strebt, selbst einer der Größten zu werden.

Felix Sturm hat sich seinen Platz in der Geschichte des Boxens erkämpft, fünfmal gewann er den Weltmeistertitel im Mittelgewicht. Im Juni 2004 boxte er in Las Vegas gegen Oscar De la Hoya, es war einer der besten Kämpfe eines Deutschen in den USA überhaupt; Sturm war dominant, er konterte mit Haken, er wechselte die Auslage, nie fand De la Hoya ein Mittel gegen den Außenseiter. Die DVD des Kampfes gehört in jede ernstzunehmende Sammlung. Sturm verlor, aber das Urteil war umstritten. Sturm boxte weiter, gewann wieder, gab sich zwischendurch den Kampfnamen "Leonidas", wurde muskulöser, brachte einen Energydrink heraus. Doch der kleine Junge in ihm war bei seinen öffentlichen Auftritten nur selten zu erkennen. Sturm war ein Boxer, der sich gerne an der eigenen Größe berauschte.

Dabei vergaß er einen wichtigen Grundsatz, den die Geschichte des Boxens immer wieder gelehrt hat: den, dass die, die zu lange von der eigenen Unantastbarkeit überzeugt sind, immer auch wieder tief fallen. Dass sie sich überschätzt haben, erkennen sie oft erst dann, wenn es zu spät ist.

Im Ring stand Sturm zuletzt im Februar 2016

Mittlerweile ist Sturm 40 Jahre alt, ob er ein aktiver oder ein früherer Boxer ist, ist zurzeit so unsicher wie noch nie. Im Ring stand er zuletzt im Februar 2016, wenige Monate später legte er seinen WM-Titel nieder, offiziell wegen einer Ellenbogenverletzung. Seit Anfang April sitzt Sturm in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Köln, nachdem er auf einer Fitnessmesse in Köln festgenommen worden war: Verdacht der Steuerhinterziehung.

Wann Sturm zurück in die Freiheit darf, steht nicht fest. Das Amtsgericht hatte Mitte April eine Haftverschonung beschlossen, unter anderem gegen eine Kautionszahlung in Höhe von einer Million Euro. Das Landgericht hatte diesen Beschluss wieder aufgehoben, mit der Begründung, dass bei Sturm eine Fluchtgefahr vorhanden sei. Dessen Anwalt Gottfried Reims sagt, dass er die Vorwürfe, die er den Akten entnehmen kann, alle widerlegen könne. Er hat Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts eingereicht.

Zudem läuft gegen Sturm ein zweites Verfahren. Nach seinem Kampf im Februar 2016 gegen den Russen Fjodor Tschudinow war Sturm positiv auf Stanozolol getestet worden. Er hatte dagegen geklagt, da seiner Auffassung nach nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Probe von ihm stamme - oder ob sie nicht, so sein Vorwurf, im Labor verunreinigt worden sei.

Gespräche über Duell mit Abraham

Hinweise auf eine Manipulation aber, teilte das Oberlandesgericht Anfang April mit, gebe es nicht, der Strafsenat erkannte einen sogenannten "hinreichenden Tatverdacht". Nach der vorläufigen Bewertung schätzt der Strafsenat also eine Verurteilung für wahrscheinlicher ein als einen Freispruch. Das Oberlandesgericht wies jedoch auch in dieser Angelegenheit darauf hin, dass für Sturm unverändert die Unschuldsvermutung gelte. Beide Verfahren könnten sich ziehen.

Eine der wenigen Sicherheiten, die Sturm zurzeit hat, ist es daher, dass jeder weitere Tag in der U-Haft es unwahrscheinlicher macht, dass er doch noch einmal seine Karriere fortsetzen wird.

Zwei Tage nachdem Sturm festgenommen worden war, kam auch Arthur Abraham auf die Sportmesse in Köln, für mehrere Termine. Einen davon hatte er allerdings wieder gestrichen: ein Treffen mit Sturm. "Das war lange geplant", sagt Abraham, 39, "wir wollten weitere Details für einen Kampf besprechen." Gespräche über ein Duell zwischen den beiden gab es schon vor fast eineinhalb Jahrzehnten, sie scheiterten jedes Mal, an der Courage, am Geld.

Zu Jahresbeginn hatten die beiden wieder Interesse an einem Kampf signalisiert. Sturm war auch aus seiner Heimat Bosnien nach Köln zurückgekehrt, um wieder zu trainieren. "Der Kampf ist erst einmal auf Eis gelegt", sagt Abraham. Über gemeinsame Freunde frage er regelmäßig nach, wie es um Sturm stehe. "Es geht ihm gut, aber er ist seelisch ein bisschen traurig." Abraham hofft, dass sein Rivale bald alles geklärt hat, "der Kampf zwischen uns muss einfach zustandekommen". Sportlich wäre der Wert dieses Duelles allerdings fragwürdig, für beide wäre es dennoch ein letzter großer Zahltag.

Für Sturm wird sich auch die Frage stellen, ob er dann nur an die eigene Größe denkt. Oder ob er auf den kleinen Jungen in sich hört. Dieser Junge könnte berichten von vielen Boxern, die wegen des Geldes zu spät aufgehört haben, zum Beispiel von Joe Louis, der der amerikanischen Steuerbehörde eine halbe Million Dollar geschuldet hatte. Und der deswegen kämpfte und kämpfte, mit 37 gegen den neun Jahre jüngeren Rocky Marciano. Louis verlor klar. Marciano besuchte den einst so großen Champion anschließend in dessen Kabine. Als er dort den Boxer sah, den auch er bewundert hatte, der jetzt aber nur noch ein früh gealterter, müder Mann war, war sein Bezwinger erschüttert. Marciano weinte.

Zur SZ-Startseite
WBO BOXEN MICHALCZEWSKI ROCCHIGIANI; Rocky

SZ PlusZum Tod von Graciano "Rocky" Rocchigiani
:Schlag auf Schlag

Der Boxer Graciano Rocchigiani war Weltmeister, Hartz-IV-Empfänger und saß im Knast. Ein Nachruf auf einen, der zuschlug und berührte.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: