Süddeutsche Zeitung

Felix Neureuther:"Soll ich da Slalom fahren, und es fliegen Raketen über mich drüber?"

  • Felix Neureuther bringt ein Kinderbuch heraus, spricht aber auch über seine Ängste vor Olympia in Südkorea.
  • Er fürchtet um die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel.

Von Johannes Knuth, Uderns

Felix Neureuther hat mal wieder ein Buch geschrieben, und wenn man ihm Glauben schenkt, fiel die Entstehung recht leicht. Er würde keine Biografie schreiben, "da bin ich mit 33 noch zu jung". Er brauche auch keine "an den Haaren herbeigezogene Skandale", um sein Werk zu verkaufen", er hat die Aufmerksamkeit ja nie gesucht. Sie findet ihn ohnehin verlässlich.

Nein, es ist einfach ein Buch geworden, das Kinder zu mehr Bewegung animieren soll; die Erlöse fließen in Neureuthers Stiftung, die dasselbe Ziel verfolgt. Die Hauptdarsteller sind Kumpel und Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger (Basti), seine Freundin Miriam Gössner (Schneehäsin Miri), sein Dauerrivale Marcel Hirscher (Hirsch Marcello), und natürlich Felix Neureuther (Ixi). Es gehe ihm dabei "nicht ums Gewinnen, sondern um den Spaß an der Bewegung", sagte Neureuther am Freitag beim Medientag des Deutschen Skiverbandes im Zillertal. Und es seien viele Bilder drin, er lächelte frech, "deswegen verstehen es auch die Österreicher".

Neureuther: "Extrem schade"

Es war so weit also ein gewöhnlicher Auftritt, den Neureuther einen Monat vor den ersten Riesenslaloms der neuen Wintersportsaison zeigte. Er sprach über sich und sein Skifahrerleben, ohne das eine oder andere allzu ernst zu nehmen. Bis die Rede auf die Olympischen Winterspiele im kommenden Februar in Südkorea kam, beziehungsweise: die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel.

Neureuther erzählte zunächst von den Wortmeldungen der französischen Sportministerin Laura Flessel. Die hatte nach den jüngsten, verbalen Eskalationen und Raketentests der Amerikaner bzw. Nordkoreaner gesagt: "Wenn sich die Situation verschlimmert und keine definitive Sicherheit gewährleistet wird, wird die französische Olympiamannschaft zu Hause bleiben." Ähnlich äußerte sich am Freitag Karl Stoss, Präsident des Österreichischen Olympia-Komitees ÖOC. Was Neureuther "extrem gut" fand, weil es sich um eine "klare Stellungnahme" handele. Anders, als es zuletzt der Deutsche Olympische Sportbund praktiziert habe.

Er finde es "extrem schade", sagte Neureuther am Freitag, dass der DOSB und das Internationale Olympische Komitee (IOC) sich zunächst gar nicht oder schwammig geäußert hatten, mehr noch: "Dass das Thema ziemlich runtergespielt wird, als ob es nichts ist. Aber es ist eigentlich der völlige Wahnsinn." Die Winterspiele sollen in der Region Gangwon stattfinden, rund 80 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt. Jenes Land also, dem US-Präsident Donald Trump jüngst die "totale Zerstörung" androhte, was Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zu weiteren Raketentests inspirieren könnte. "Ich werde jetzt Vater, und dann soll ich da Slalom fahren und es fliegen Raketen über mich drüber", sagte Neureuther. "Ich schaue mir das jetzt noch an, aber wenn es so bleibt, würde ich mir schon meine Gedanken machen." Sprich: auf den Start verzichten, bei seinen womöglich letzten Winterspielen.

Für das IOC kocht damit eine Debatte wieder öffentlich auf, die es seit Wochen vor sich herschiebt. Anfang September hatte der Schweizer IOC-Mann René Fasel einen "Plan B" gefordert "für den Fall, dass der Konflikt eskaliert". Damals wurde öffentlich, dass der Kartenvorverkauf bislang historisch schlecht verläuft. Präsident Thomas Bach reagierte energisch, allerdings nur mit dem Verweis, dass ein Plan B ein "schlechtes Zeichen" wäre. Das missfiel offenbar nicht nur Neureuther, sondern auch den deutschen Biathleten Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer, die zum Wochenende Bedenken am Austragungsort äußerten.

Das IOC teilte mit: "Die Sicherheit der Athleten hat absolute Priorität." Und: In keiner Diskussion auf höchster politischer Ebene hat jemand Zweifel an den Olympischen Spielen geäußert." Der DOSB richtete aus, man beobachte die "Situation und die weitere Entwicklung aufmerksam". Ob das die energischen Stellungnahmen sind, die sich Neureuther wünschte?

Sollte sich die Situation doch noch entspannen, hätte Neureuther zumindest sportlich alle Schienen für den olympischen Winter gelegt. Er habe im Sommer vier Wochen am Stück in Neuseeland trainiert, dem oft verletzten Rücken gehe es gut, der Wechsel auf die neuen Riesenslalom-Skier verlaufe nach Plan. "Ich bin noch nie so gut Ski gefahren im August wie dieses Jahr", sagte Neureuther, er lächelte, "aber nur, weil die letzten Jahre so schlecht waren." So etwas wie vor den Winterspielen 2014, als er in eine "gigantische Form" geschlüpft war, dann auf dem Weg zum Flughafen in eine Leitplanke rauschte und alle Medaillenchancen einbüßte, werde jedenfalls nicht mehr vorkommen. Er sei zuletzt immer unfallfrei am Flughafen eingetroffen, sagte Neureuther: "Ich glaube nicht, dass ich einen Chauffeur brauche."

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SZ vom 24.09.2017/ebc
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