Süddeutsche Zeitung

Felix Neureuther bei der Ski-WM:"Bin fit"

Es war der erste Wettbewerb für Felix Neureuther bei der Ski-WM - und fast wäre es sein letzter gewesen: Nach dem Zusammenstoß im Team-Wettbewerb mit dem Kroaten Filip Zubcic meldet sich der deutsche Techniker einsatzbereit. Doch er muss aufpassen, von Kollege Fritz Dopfer nicht abgehängt zu werden.

Für Felix Neureuther sollen es die erfolgreichsten Weltmeisterschaften seiner bisherigen Karriere werden. Und dann stürzt im Parallel-Slalom Filip Zubcic aus Kroatien und fliegt von der einen Seite der Strecke quer über den Hang hinüber auf die andere, mitten hinein in Felix Neureuthers Beine.

Alle, die jene furchterregende Szene gesehen hatten, schüttelten den Kopf, wenn sie darüber redeten. Viel hätte nicht gefehlt, und die WM wäre für Neureuther zu Ende gewesen, noch ehe sie richtig begonnen hatte. "Ich hab' gedacht, der schneidet ihm mit der Kante den Unterschenkel durch", sagte Alpindirektor Wolfgang Maier über einen Unfall, der das Schlimmste befürchten ließ. "Er hat das sicher nicht mit Absicht gemacht", sagte er, "aber wenn so ein Mist blöd ausgeht, kann er meinen Unterschenkel weghauen."

Doch Neureuther konnte weiterfahren, gewann mit der deutschen Mannschaft Bronze, und am Mittwoch folgten einige Entwarnungen. Zuerst kommentierte der 28-Jährige auf Facebook den Unfall so: "BRONZE!!! Danke an das Team!! ..zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie die Kroaten oder Ihren Apotheker:-)." Dann twitterte der Deutsche Skiverband einen Satz von Neureuther: "Ich habe heute Slalom trainiert. Das Knie macht fast keine Schwierigkeiten, bin fit."

Weil Neureuther an jenem rechten Unterschenkel einen zusätzlichen Schutz getragen hatte, war ihm Schlimmeres erspart geblieben. "Bis Freitag kriegen wir das wieder hin", sagte DSV-Mannschaftsarzt Ernst-Otto Münch über die Prellung. "Ich lasse mich jetzt gut behandeln, und dann bin ich bereit für Freitag und Sonntag", versicherte Neureuther. Inwieweit ihn die Prellung dann in seinen großen Rennen in Schladming beeinträchtigt, wird sich zeigen. Am Freitag wartet der Riesenslalom, in den abschließenden Slalom am Sonntag geht Neureuther nach seiner bärenstarken Weltcup-Saison als einer der Topfavoriten.

Um die Sicherheit bei Parallel-Rennen wie dem Teamwettbewerb zu erhöhen, regte Wolfgang Maier an, die Abstände zwischen den Kursen zu vergrößern. "Man kann die Sicherheitsstandards gar nicht hoch genug drehen, um wirklich hier alles bestens abzusichern. Deshalb glaube ich, dass es keinen Abbruch tut, wenn man einen Meter oder zwei auseinandergeht", sagte Maier. "Deshalb ist das Rennen noch genauso spannend und der Zuschauer sieht genauso viel. Aber es geht um die Sicherheit der Sportler."

Renndirektor Günter Hujara sieht allerdings derzeit keine Möglichkeit, die Sicherheitsmaßnahmen bei Parallel-Rennen weiter zu erhöhen. "Die Sachen sind nie auszuschließen", sagte er am Mittwoch. "Wir haben keine Chance, da noch irgendwelche Protektoren einzubauen." Ohne den Neureuther-Unfall "runterspielen zu wollen, müssen wir damit leben". Man könne in einem Parallel-Wettkampf die Tore auch nicht "30 Meter auseinandersetzen". Dem "Restrisiko in der Disziplin sind sich die Sportler bewusst".

Neureuthers Mannschaftskollegen waren trotzdem schockiert. "Das war eine Schrecksekunde für uns alle", sagte Fritz Dopfer. Der Kollege hatte immerhin für die Glücksmomente gesorgt. Mit hauchdünnen Siegen bewahrte er sein Team vor dem Ausscheiden und sicherte zudem die Bronzemedaille gegen Kanada. "Danke, Fritz Dopfer! Du hast uns heute einige Male gerettet!", postete Höfl-Riesch bei Facebook und nannte Dopfer zudem "den großen Joker". Männer-Cheftrainer Karlheinz Waibel lobte: "Der Fritz Dopfer hat heute sein Meisterstück abgeliefert. Richtig stark."

Dopfer steht allerdings ungern im Mittelpunkt. Bei der Feier im deutschen Haus stellte er sich hinter Neureuther, so, als wolle er sich verstecken. Dabei hat er das gar nicht nötig: Dopfer ist der momentan beste deutsche Ski-Rennläufer. In der "World Cup Starting List", der Weltrangliste, die über die Startreihenfolge bei einem Rennen entscheidet, liegt er im Slalom auf Rang sieben und im Riesenslalom auf Rang drei.

Neureuther ist Zweiter im Slalom, aber nur 13. im Riesenslalom, das bedeutet: Nur Dopfer ist aktuell in beiden Disziplinen Mitglied der ersten Startgruppe, der absoluten Elite. Im Riesenslalom fahren lediglich Ted Ligety (USA) und Marcel Hirscher, der mit überragenden Leistungen im Team-Wettbewerb die Österreicher auf dem Weg zum ersten Gold bei dieser WM beflügelte, konstanter als der 24-Jährige. Darüber hinaus wird Dopfer allseits angerechnet, dass er Neureuther angestachelt und besser gemacht hat - durch seinen extremen Trainingsfleiß.

"Bronze ist eine große Genugtuung für mich", bekannte Neureuther nach einem bewegenden Abend. Zu verdanken hatte er die Medaille, die zweite für ihn nach Gold bei der Premiere des Team-Wettbewerbs 2005, dem Kollegen.

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