Felipe Massa:Der Abschied des Lächelnden

Felipe Massa gastiert zum letzten Mal als Formel-1-Fahrer in seiner Heimat. Die Kollegen schicken nette Worte, der Sport steht nun jedoch vor einer ungewissen Zukunft in Brasilien.

Von Elmar Brümmer, São Paulo

Formel 1 ohne Felipe Massa, das kann sich noch keiner so richtig vorstellen. Doch mit 35, nach 15 Jahren Königsklasse (davon die letzten acht ohne Siege), verliert das Fahrerlager die vielleicht freundlichste Seele. Es ist natürlich gemein, dass die guten Wünsche und Komplimente der Konkurrenz auch schon wieder so rüberkommen, als würde den Brasilianer niemand so richtig ernst nehmen - das vielleicht größte Problem seiner Karriere. Abgesehen von seinem Heim-Grand-Prix 2008, als er in der letzten Kurve den Weltmeistertitel noch an Lewis Hamilton verlor.

Dankbarkeit empfinde er, dass er gegen Felipe fahren durfte, sagt Hamilton. Tatsächlich spürt der Brite, der am Sonntagabend den zweiten Matchball von Nico Rosberg im Titelkampf abwehren muss, wohl so etwas wie den anstehenden Generationswechsel. Er hat sich mit Massa in der zweiten Liga des Motorsports, der GP2, schon Kämpfe geliefert, und auch nach 2008 noch, als sein Gegenspieler ein gebrochener Mann war und dann auch noch schwer am Auge verletzt worden war. Egal, wie die Tonlage ist, in der über Massa gesprochen wird - je nach Deutung schwingt da Bedauern oder nur Mitleid mit, dass nach der vielversprechenden Lehre an der Seite Michael Schumachers kein neuer Champion gedieh. Schumachers erster Rücktritt 2006 war auch davon getrieben, dass für Massa sonst kein Platz mehr bei Ferrari gewesen wäre.

F1 Grand Prix of Brazil - Previews

Verlässt die Formel 1: Felipe Massa.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Der Zwangs-Abschied aus Maranello, als er ausgerechnet vom Veteranen Kimi Räikkönen abgelöst wurde, hat Massa schwer getroffen. Er versuchte wie immer tapfer zu wirken, aber er blieb verletzt. Williams ist keineswegs eine schlechte Adresse, aber bietet eben auch kein herzliches Umfeld, wie es Felipinho braucht. Dafür hat der Teamsponsor für das Abschiedsrennen Massas in seiner Heimatstadt eine äußerst ungewöhnliche Geste gezeigt: Statt des Markenschriftzugs für eine Spirituose ziert der Name Massa die Seitenkästen des Rennwagens, auf dem Heckflügel steht Obrigado - "Danke".

Rückzug Massas gefährdet Brasilien-Grand-Prix in der kommenden Saison

"Die Brasilianer werden nochmal ausflippen", ahnt Nico Rosberg. Schließlich sind ohne einen Landsmann im Rennen sowohl der Grand Prix in der kommenden Saison wie auch die Fernsehübertragungen gefährdet, und damit auch brasilianische Sponsorengelder. Das bekommt auch Felipe Nasr zu spüren, der als einziger Nachfolger der so stolzen Rennnation in Frage kommt, falls er beim Schweizer Sauber-Rennstall bleiben kann.

Formula One F1 - Brazilian Grand Prix - Circuit of Interlagos, Sao Paulo, Brazil.

Spezielles Design: Bei seinem letzten Heim-Grand-Prix fährt Massa mit der Aufschrift "Obrigado" - "Danke".

(Foto: Paulo Whitaker/Reuters)

"Ich werde das Rennfahren vermissen", sagt Massa. Es ist eher als freundlich-ehrliche Umschreibung dafür gedacht, dass er den härter gewordenen Sitten im Grand-Prix-Sport sicher nicht nachtrauert. Er fügt an: "Es war die richtige Entscheidung." Immerhin hat sich für ihn der Traum erfüllt, den viele Paulistas hegen: einmal dort anzutreten, auf denen das ewige Stadt-Idol Ayrton Senna zweimal triumphieren konnte. Zwei Siege, das hat auch Massa geschafft, dazu eine Menge Podiumsplatzierungen.

Die Berg- und Talstrecke in Interlagos zwischen den Seen taugt auch perfekt als topographisches Synonym für seine Karriere. "Es ist definitiv nicht einfach, sich als Formel-1-Fahrer zu halten, aber ich habe eine Menge gelernt in dieser Zeit. Alles in allem war es fantastisch für mich, und ich habe erreicht, was ich erreichen konnte. Das wird wohl ein besonderer Moment für mich, wenn ich hier am Sonntagabend Abschied nehmen muss", ahnt Massa, obwohl das Saisonfinale in Abu Dhabi in zwei Wochen ja noch aussteht. Die Entscheidung, aufzuhören, fiel beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim, als er mit einem Antriebsdefekt stehengeblieben war: "Ich bin aus dem Auto gestiegen, habe Claire Williams angeschaut und gesagt, dass ich aufhöre. Da hat sie angefangen zu weinen."

"Wir müssen nicht über Felipes Talent reden, das ist wohl klar, dass er zu den talentiertesten überhaupt gehört", sagt Sebastian Vettel, "aber er ist auch eine großartige Persönlichkeit. Man muss ihn nur ansehen, und er bringt ein Lächeln in einem selbst hervor, weil er selbst aus seinem Inneren heraus strahlt. Das werden wir alle noch sehr vermissen. Hoffentlich kommt er uns besuchen, wir können dieses Lachen in der Formel 1 gut gebrauchen."

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