Federer und Nadal:Sie treiben sich noch immer über Grenzen hinaus

Federer und Nadal: Zum 12. Mal im Wimbledon-Finale: Roger Federer

Zum 12. Mal im Wimbledon-Finale: Roger Federer

(Foto: AFP)
  • Roger Federer erreicht zum zwölften Mal das Endspiel von Wimbledon, indem er Rafael Nadal bezwingt.
  • Um das Turnier zum neunten Mal zu gewinnen, muss er nun Titelverteidiger Novak Djokovic schlagen.

Von Barbara Klimke, London

Das Spiel der Spiele war angekündigt. Ein Schlagabtausch, wie ihn auch der All England Club nur alle elf Jahre erlebt, und entsprechend groß war das Gedränge. Die Filmdarsteller Hugh Grant und Jude Law hatten einen Sitz in der Royal Box ergattert; Sir Alex Ferguson, der emeritierte Trainer von Manchester United und ein Freund gepflegter Ballunterhaltung, war erschienen; Rod Laver hatte seinen gewohnten Beobachtungsposten bezogen, der einzige Tennisspieler, der gleich zweimal alle vier Grand-Slam-Turniere in einer Saison gewinnen konnte. Nicht weit entfernt saß der Naturforscher Sir David Attenborough, 93 Jahre alt, der ebenfalls Giganten des Tennisspiels bestaunte.

Roger Federer, 37, und Rafael Nadal, 33, spielten um den Einzug ins Finale des diesjährigen Wimbledonturniers. Aber gleichzeitig stand die Fortsetzung eines Rasenklassikers an, mit dem sie schon vor elf Jahren das Publikum in den Bann geschlagen hatten. Anders als 2008 war es diesmal Federer, der achtmalige Champion im All England Club, der mit triumphal erhobenen Armen auf dem Centre Court stand. Und der nach einer weiteren Tennis-Gala im Halbfinale gegen seinen Dauerrivalen mit 7:6 (3), 1:6, 6:3, 6:4 die Huldigungen der Zuschauer entgegennahm.

Doch bevor es so weit war am Freitag, kam die Ouvertüre. Denn zunächst war die Bühne für Novak Djokovic, 32, bereitet, den Titelverteidiger in Wimbledon, der das erste Match des Tages auf dem Centre Court spielte. Der Weltranglistenerste bezwang Roberto Bautista Agut, die Nummer 22, aus Spanien und sicherte sich zum sechsten Mal in seiner Karriere einen Platz im Finale des Rasenturniers. Aber er hatte mehr Mühe mit dem zähen Gegner, der ihn bereits zweimal in diesem Jahr geschlagen hatte, als ihm lieb sein konnte. Bautista Agut sicherte sich den zweiten Satz, kurioserweise per Netzroller. Erst der fünfte Matchball im vierten Satz brachte Djokovic den 6:2, 4:6, 6:3, 6:2-Sieg.

Sie sind beide älter geworden, hatten Verletzungen

Die 15 000 Zuschauer im weiten Rund waren also bereits in bester Stimmung, als am späten Nachmittag die Hauptdarsteller den Platz betraten: Roger Federer, der in vier Wochen 38 Jahre wird, und Rafael Nadal. Elf Jahre zuvor, am 6. Juli 2008, hatten sie in diesem Stadion ihr letztes Duell auf dem heiligen Rasen bestritten: Damals sicherte sich Nadal im längsten Finale der Club-Geschichte, einem 4:48 Stunden langen Zweikampf im letzten Dämmerlicht seinen ersten Wimbledon-Pokal. Dies sei "bis heute das beste Tennisspiel", das er je gesehen habe, hat Altmeister John McEnroe, früher der furiose Widerpart von Björn Borg, heute TV-Kommentator, erst dieser Tage wieder geschwärmt.

Sie sind beide älter geworden, hatten Verletzungen, Blessuren und gesundheitliche Auszeiten zu überstehen. Federer plagte sich mit Kniebeschwerden, Nadals Bänder und Gelenke zeigten wiederholt Anzeichen von Verschleiß. Auch sein Haupthaar wurde lichter. Aber von ihrer Klasse, ihrer Entschlossenheit und Präzision haben die beiden erfolgreichsten Spieler der Gegenwart wenig verloren. Ihre Rivalität hat eine Ära des Tennis definiert. Und der Kampf um die Vorherrschaft im Reich der weißen Linien, das zeigte sich am Freitag, ist noch nicht vorbei.

"Ich weiß alles über ihn"

Federer und Nadal: Der Schweizer und Rafael Nadal hatten sich spektakulär bekämpft.

Der Schweizer und Rafael Nadal hatten sich spektakulär bekämpft.

(Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP)

Federer, noch immer die Nummer drei der Weltrangliste, begann den ersten Satz mit einem Ass. Sein Aufschlag, den er auf jeden Quadratzentimeter des Feldes zu zirkeln versteht, ist eine Kunst für sich. Er schlug noch ein Ass, ging 1:0 in Führung. Nadal, der Ranglistenzweite, der ebenfalls sein Service umstellte, um auf Rasen zu bestehen, der Rückhand und Volley verbesserte, holte sofort auf. "Ich weiß alles über ihn", hatte Federer über den Spanier gesagt, gegen den er vor 15 Jahren das erste von 40 Duellen bestritt und dem er erst vor einem Monat bei den French Open in Paris im Halbfinale unterlegen war. Er war also gewarnt. Die alten Rivalen gaben sich keine Blöße, trieben sich bis 6:6 und zu ihrem ersten Tiebreak auf dem Wimbledon-Rasen seit 2008. Federer gelang das Mini-Break zum 4:3, indem er Nadals Rückhandschlag mit einem mächtigen Vorhand-Winner parierte. Nach zwei Aufschlägen hatte er sich drei Satzbälle erspielt und gewann den Tiebreak 7:3.

Im zweiten Satz dominierte hingegen Nadal nach zwei Breaks das Geschehen fast nach Belieben; Federer schien die Partie in dieser Phase aus der Hand zu gleiten. Doch im dritten Durchgang war der Schweizer mit Macht zurück. Erstmals im Match konnte er Nadal den Aufschlag abnehmen: Nachdem sich beide kreuz und quer über den Platz gejagt hatten, setzte er einen Volley auf die Linie. Von nun an spielte er mit der Gewissheit, dass er die fünf Duelle vor der French-Open-Niederlage im Juni für sich entschieden hatte - und diese kleine, private Siegesserie reichte immerhin bis zu den Australian Open 2017 zurück. Den Sieg ließ er sich nun nicht mehr nehmen. "Ich hatte das Gefühl, dass ich die Big Points heute bestimmen konnte", sagte Federer später. Das war besonders im vierten Durchgang zu sehen, als Nadal, schwer unter Druck geraten, vier Matchbälle abwehren musste - was er bravurös erledigte, ehe er den Ball beim fünften mit der Rückhand an Federer vorbei, aber weit hinter die Linie ins Aus trieb.

Er sei "komplett erschöpft", gab Roger Federer danach zu: Nadal habe "unglaubliche Bälle" geschlagen, um im Spiel zu bleiben. Dann konnte er sich ein breites Lächeln nicht mehr verkneifen: "Ich habe es genossen." Und so endete dieses 40. Duell mit einer Umarmung der beiden Kombattanten am Netz.

Federer hat nun zum zwölften Mal in seiner Karriere das Finale des Turniers erreicht, das ihm mehr als jedes andere am Herzen liegt. Und er hat den Abstand zwischen sich und Rafael Nadal, dem anderen großen Trophäenjäger im Tennis, wenigstens gehalten. Auf 18 Grand-Slam-Siege kommt Nadal, Federer auf 20. Den nächsten könnte er sich am Sonntag sichern, wenn er gegen Djokovic, die Nummer eins mit 15 großen Titeln, um seinen neunten Goldpokal von Wimbledon spielt. "Djokovic war zuletzt grundsolide", sagte Federer respektvoll. Aber nach dem Revival eines historischen Duells weiß er auch: "Ich kann ihn an die Grenze treiben." Vielleicht, wer weiß, sogar darüber hinaus.

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