Federer bei den US Open:"Ich hätte es nicht verdient gehabt"

2017 US Open Tennis Championships - Day 10

Roger Federer bleibt, trotz der Niederlage gegen Del Potro im Viertelfinale der US Open, wie immer der Sieger der Herzen.

(Foto: AFP)
  • Roger Federer lässt sich im Viertelfinal der US Open von der Kulisse beeindrucken und verliert gegen den Argentinier Del Potro.
  • Dabei spielt er ungewohnt nervös. Und zeigt später trotzdem, was ihn zu einem solch besonderen Spieler macht.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der US Open.

Von Jürgen Schmieder, New York

Falls Roger Federer seinen Gegner Juan Martin Del Potro am Mittwochabend zur Tennisanlage in Flushing Meadows gehen sah, dürfte ihm ein bisschen mulmig oder gar schwindelig geworden sein. Vor dem Eingang warteten die ersten argentinischen Fans auf Del Potro, sie begrüßten ihn mit euphorischem Gesang, der gewöhnlich den Helden des Fußballsports vorbehalten ist. Del Potro nahm es mit gleichmütigem Lächeln hin, doch vielleicht hat Federer in diesem Moment schon gewackelt. Er habe sich schon vor der Partie "unsicher gefühlt", bestätigte Federer nach dem 5:7, 6:3, 6:7(8), 4:6 im Viertelfinale: "Ich wusste das ganze Turnier über, dass ich verlieren würde, wenn ich mal auf einen guten Gegner treffen würde."

Federer ist ja, bei aller Beliebtheit vom Wagenlenker Pompeius Musclosus (3559 Siege im Fohlenviergespann) im alten Rom, der wahrscheinlich einzige Sportler der Geschichte, den die neutralen Beobachter auch dann anfeuern, wenn er gegen einen Außenseiter antritt. Zu bestaunen war dieses Phänomen der Zuschauer-Zuneigung in der ersten Runde gegen den erst 19 Jahre alten Frances Tiafoe (USA): Wer nicht mit Tiafoe verwandt oder befreundet war, der hielt auch im fünften Satz nicht zum forschen Herausforderer, sondern zum favorisierten Federer.

Federer war nervös wie selten

Nun musste Federer im Viertelfinale gegen Del Potro damit umgehen, dass etwa 3000 der 23 000 Menschen im Arthur Ashe Stadium für den anderen waren und dass diese 3000 Leute so intensiv lärmten wie die 20 000 Federer-Fans. Wer Federer jemals so nervös, fahrig und unsicher erlebt hat wie an diesem Mittwochabend, der möge eine Mail an sport@sz.de schicken und davon berichten. Federer leistete sich einen Doppelfehler beim Breakball gegen sich, im Tie Break des dritten Satzes vergab er vier Satzbälle, davon zwei bei eigenem Aufschlag.

Er schlug leichte Vorhände ins Netz und einfache Volleys ins Aus. Er schüttelte immer wieder den Kopf, als könne er überhaupt nicht fassen, wie nervös er ist und wie schlecht er spielt. Er wirkte wie einer, der vor einer wichtigen Prüfung nicht einschlafen kann - und dann nicht einschlafen kann, weil er unbedingt einschlafen will. "Natürlich regt einen das auf, wenn man einen Volley gegen den Zaun prügelt und Del Potro danach eine Monster-Vorhand trifft", sagte Federer danach: "Da läuft man dann auch nicht zurück und sagt: 'Wow, das macht aber Spaß!'"

Drei Ballwechsel verdeutlichen, wie diese Partie gelaufen ist: Beim Breakball im ersten Satz gelang Del Potro nach einem Wackel-Volley von Federer ein grandioser Passierschlag. Beim Breakball im dritten Durchgang leistete sich Federer einen Doppelfehler. Del Potro gab danach sein Aufschlagspiel ebenfalls mit einem Doppelfehler ab. Das Break im vierten Satz gelang Del Potro mit einem Rückhand-Return, den er so auch nur alle Jubeljahre trifft.

Das Traum-Halbfinale ist geplatzt

Nach dem Spiel sagte Federer: "Del Potro hat sein bestes Tennis gespielt, wenn er einen Punkt gebraucht hat - und ich habe ihm immer wieder dabei geholfen. Das ist frustrierend." Er sagte, dass ihn die verkürzte Vorbereitung aufgrund einer Rückenverletzung doch verunsichert habe. "Viele Spieler treten mit Verletzungen an - doch sie müssen nicht darüber reden", sagte er: "Ich musste jedoch aufgrund der Turnierabsage nun dauernd darüber reden. Ich habe gehofft, in den ersten Runden vielleicht nur drei Sätze zu brauchen. Das hat nicht geklappt und ich habe schon gemerkt, dass ich in den einzelnen Partien immer müde geworden bin. Das setzt sich irgendwann im Kopf fest."

Es kommt also nicht zum Halbfinale gegen Rafael Nadal und damit zum ersten Duell der beiden bei den US Open. Federer sagte, dass er das gar nicht schlimm fände - und begründete es mit einem der wohl schönsten Sätzen, die jemals ein Sportler in einer Pressekonferenz gesagt hat: "Juan Martin hat es verdient. So wie ich gespielt habe, hätte ich es nicht verdient gehabt, im Halbfinale zu stehen. Um ehrlich zu sein: Ich bin froh, dass Juan Martin im Halbfinale steht - weil er eine bessere Chance gegen Rafa hat als ich."

Jeder, der das hörte, wollte aufstehen und Federer applaudieren. Genau deshalb sind gewöhnlich 100 Prozent aller Zuschauer in einer Arena für ihn.

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