Fechten:Vor einem langen Winter

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Keine Metall gewonnen, aber Punkte gesammelt: Die Florettfechter Benjamin Kleibrink, Andre Sanita und Peter Joppich (von links nach rechts). (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele in Tokio wird für die deutsche Auswahl ein mühsamer Weg.

Von Volker Kreisl, Budapest/München

Fechten ist ein Sport voller Tradition, auch bei den Deutschen. Seit den Siebzigern haben sie regelmäßig irgendwo Gold, Silber oder Bronze gewonnen, und weil sich Sportler, Trainer und Manager diesen Anspruch bewahren, ist das Ergebnis der WM von Budapest eine Enttäuschung: keine Medaille. Dieselbe Leere wie schon 2018 nach der WM in Wuxi in China: nichts, was glänzt.

Das nackte Ergebnis zeigt, wie tief der Einschnitt ist, den die deutsche Mannschaft seit 2012 immer noch überwinden muss. Bis auf die Säbelmänner, die seit Langem zur Weltspitze zählen, diesmal aber Vierte wurden, befinden sich die anderen fünf Teams im Neuaufbau, jedes auf seine Art, aber die Hoffnung, dass der Weg durchs Tal schon bald abgeschlossen sein könnte, hat sich in Budapest zerschlagen. China, Südkorea, die USA, sogar Hongkong werden immer stärker, und die neue deutsche Fecht-Generation hält dem in entscheidenden Momenten noch nicht stand. Die tieferen Gründe für diesen Rückstand waren einst plötzliche Trainerwechsel, interne Querelen, Standortprobleme und zwischen den Herkunftsorten von Talenten und den Leistungszentren eine zu große Distanz - örtlich wie in der Zusammenarbeit. Durch Weltbestleistungen glänzen die meisten Akteure des Deutschen Fechterbundes so schnell also nicht, Fortschritte zeigen sich dennoch, aber im Schatten. Das eigentliche Ziel, um das es gerade geht, ist wichtiger als Medaillen, und dafür bewegt sich doch einiges.

Fechten ist das Gegenteil von Fußball: Es ist kompliziert, für Neuzuschauer kaum zu durchblicken und spielt in abgedunkelten Hallen, in denen die Gesichter hinter Masken verschwinden. Im Fechten sitzen somit überwiegend Experten oder Angehörige auf der Tribüne. Deshalb bekommt dieser Sport große Aufmerksamkeit und damit auch die entsprechende staatliche Förderung nur alle vier Jahre bei Olympia - falls er dort vertreten ist.

In Tokio 2020 könnte der Verband mit der Hälfte der Waffen dabei sein

In Rio 2016 war nur eine Mini-Abordnung dabei - so klein, dass sie in einen VW-Bus gepasst hätte: vier Einzelfechter und ihre Trainer. Nun besteht trotz der Medaillenflaute bei der WM wieder die Chance, dass der DFeB in Tokio 2020 wenigstens mit der Hälfte seiner Waffen dabei ist. Die Säbler dürften das locker schaffen, aber auch für beide Florett-Teams hat sich die Ausgangslage in Budapest trotz ihres Ausscheidens aus dem Medaillenrennen minimal verbessert. Sämtliche Team-Fechter wären bei Olympia auch im Einzel dabei.

Die Verbesserung hängt mit den Verschiebungen in den Florett-Weltranglisten zusammen. Der Modus ist etwas kompliziert: Kurz gesagt, sind die Teams von Männer-Trainer Uli Schreck und Frauen-Kollege Giovanni Bortolaso nach der WM gerade knapp die besten Europäer jenseits der Top Vier, und somit auf einem Tokio-Startplatz. Dazwischen liegen viele Asiaten, die unmittelbare Konkurrenz - Polen, Großbritannien und Ungarn - konnte man aber distanzieren. Das hatte mit Glück zu tun, teils auch mit Fleiß in den Platzierungsrunden jenseits des Rampenlichts.

Bleibt die Frage, ob die Mannschaften um den viermaligen Weltmeister Peter Joppich und um die Weltranglistensechste Leonie Ebert den Schwung behalten, den sie zuletzt bei der EM in Düsseldorf noch zeigten. Vor allem die Männer wirkten, als sie da Silber gewannen, nicht wie Einzelsportler, sondern wie ein Haufen mit einem gemeinsamen Ziel. Dieser Optimismus müsste aber noch einen ganzen Winter überdauern. Drei Team-Weltcups werden noch ausgefochten, in denen die Deutschen ihre knappe Führung in der zweiten Reihe halten müssen, um abermals ein Olympia mit Rumpfteam, ein zweites Rio in Tokio zu verhindern.

Sollten sie doch noch zurückfallen, also im Frühjahr nur zweitbeste Europäer auf den Plätzen fünf bis 16 sein, dann gäbe es noch eine letzte, eine allerletzte Hoffnung: Nämlich, dass ein anderer Kontinent gar nicht unter den Top 16 vertreten wäre. Darauf sollte man aber besser nicht vertrauen, obwohl - bei den Frauen? Beste afrikanische Florettnation ist Ägypten, deren Team steht gerade: auf 17! Aber nur zwei Zähler hinter Rang 16.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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