Fechten:Das Trio bittet zum Tanz

Fechten: Wollen bei der U20-WM angreifen: Die Münchner Fechter Niklas Diestelkamp, Max Klostermann und Henri Ask (von links).

Wollen bei der U20-WM angreifen: Die Münchner Fechter Niklas Diestelkamp, Max Klostermann und Henri Ask (von links).

(Foto: Robert Haas)

Schritt vor, Schritt zurück: Drei Fechter des KTF Luitpold München haben sich für die U-20-WM qualifiziert. Der Erfolg des kleinen Vereins hat viel mit Trainer Richard Breutner zu tun.

Von Mona Marko

Wenn drei Florettfechter über Jahre hinweg jeden Tag miteinander auf der Bahn stehen, dann werden aus Fechtpartnern Tanzpartner. Ein Schritt vor. Ein Schritt zurück. Ausfallschritt. Ein Schritt vor. Einer zurück. Dann wird aus einem unvorhersehbaren Duell fast schon so etwas wie Harmonie, aus dem Gegeneinander ein Miteinander, und aus drei Konkurrenten werden drei Freunde. Niklas Diestelkamp, Max Klostermann und Henri Ask, 17, 18 und 19 Jahre alt, fechten alle für den KTF (Kunst Turnen Fechten) Luitpold München und haben sich alle für die U20-WM Anfang April im bulgarischen Plovdiv qualifiziert. Ask tritt für sein Heimatland Schweden an, Diestelkamp und Klostermann für Deutschland. "Wir stellen als kleiner Verein damit die Hälfte des deutschen Kontingents. Ein großer Erfolg für uns", sagt Trainer Richard Breutner, der selbst professioneller Florettfechter war und bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney den siebten Platz belegte.

Die Wege der drei Münchner Fechter auf die Bahnen der Jugend-WM könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine ist der Sohn zweier ehemaliger Fechter, Melanie und Tobias Klostermann, Diestelkamps Familie hingegen wusste nicht mal so recht, was Fechten überhaupt ist. Klostermann verbrachte ein Auslandsjahr in Boston und trainierte im Verein des deutschen Weltklasse-Fechters und Olympia-Silbermedaillengewinners Ralf Bißdorf, Ask lebte und trainierte mehrere Jahre lang in Schweden. So bunt wie die Werdegänge sind auch die Stile: Der eine ficht defensiv, der andere offensiv und der Dritte sagt von sich, er würde besser offensiv fechten, doch der Trainer widerspricht.

Und dann gibt es da noch einen Vierten, dessen Name in den Hallen des KTF Luitpold München und des MTV (die beiden Vereine kooperieren) besonders oft fällt: Richard ,Richy' Breutner. Der Trainer kennt seine Athleten, spricht viel mit ihnen, begleitet sie zu Wettkämpfen. "Nach so einem Turnier bin ich echt immer total erschöpft", sagt Breutner, 43, "da ist dann sogar die Stimme angeschlagen."

Diestelkamp, Klostermann und Ask kennen sich, seit sie zwölf Jahre alt sind

Doch die Stimmbänder scheinen nicht umsonst in Mitleidenschaft gezogen zu werden: "Richy hat die richtigen Sachen gesagt, als ich nicht weiter wusste", sagt Diestelkamp etwa, wenn er von der U20-EM in Tallinn berichtet. Am Ende baumelte die Bronzemedaille um seinen Hals. "Erwartet habe ich das nicht, deshalb war es umso schöner", sagt Diestelkamp, der bei dem Turnier gegen zwei ältere Jahrgänge fechten musste. Die anderen beiden schieden bereits in den K.o.-Runden aus.

Diestelkamp, Klostermann und Ask kannten sich schon vor Teenagerzeiten. Montag bis Donnerstag trainieren sie abends, und auch ihre Freizeit verbringen sie oft im Dreierpack: beim Spikeball im Englischen Garten, beim Tischtennis oder beim Feiern. "Was man halt so macht", sagt Ask und schmunzelt. Nur: Viel Zeit bleibt für das, was man in dem Alter halt so macht, nicht. Während der Saison geht es jedes Wochenende zu einem anderen Turnier. Marseille, London, Kopenhagen. Das Trio teilt sich dabei immer ein Zimmer. Das Hauptgesprächsthema ist, natürlich, das Fechten. "Das kann schon anstrengend werden, wenn wir ständig über unser Turnier sprechen, über unsere Gegner, unsere Runden vergleichen", sagt Ask.

Fechten: En garde! Niklas Diestelkamp (rechts) und Max Klostermann sind Freunde - und auf der Planche manchmal auch Gegner.

En garde! Niklas Diestelkamp (rechts) und Max Klostermann sind Freunde - und auf der Planche manchmal auch Gegner.

(Foto: Robert Haas)

Und natürlich haben die drei auch schon den ein oder anderen Streit untereinander ausgefochten. "Aber das ist dann auch schnell wieder vergessen", sagt Ask. In erster Linie motivieren sie sich. Es sei selten, dass drei Jungs in diesem Alter den Fechtsport so leidenschaftlich ausüben und so fleißig trainieren, sagt Breutner. "Und trotzdem sind sie gut drauf, haben alle drei den Schalk im Nacken."

Für Diestelkamp war EM-Bronze sein bisher größter Erfolg. "Aber die WM wird schon noch mal was anderes, da sind nämlich auch die starken Chinesen, Japaner, Koreaner und US-Amerikaner dabei", sagt er. Klostermann führt die deutsche U20-Rangliste an und Ask ist der einzige, der sich traut, seinen Traum auszusprechen: "Natürlich möchte ich gewinnen, das ist immer das Ziel."

Doch dieser Tage ist die anstehende Jugend-WM in Bulgarien nicht das einzige Gesprächsthema im Verein. Neben den Bahnen wird auch die hoch umstrittene Entscheidung des internationalen Fechtverbands FIE, russische und belarussische Fechter trotz des Angriffskrieges in der Ukraine wieder zu Wettkämpfen zuzulassen, diskutiert. "Ich finde die Entscheidung peinlich, ganz ganz schlimm", sagt Silke Weltzien, Vorstand des KTF Luitpold. Die jungen Fechter im Verein und damit auch Diestelkamp, Klostermann und Ask wolle sie jedoch schützen und "fechten lassen". Erste Aktionen hat der Verein schon unternommen. Weltzien sammelt aktuell Unterschriften, um beim Deutschen Fechter-Bund Druck zu machen. "Der DFB muss klarer Stellung beziehen", fordert sie.

Bei der U20-WM werden vom kommenden Samstag an noch keine russischen und belarussischen Athleten an den Start gehen. Das nimmt fürs Erste auch den politischen Druck aus dem Turnier. "Die Jungen sollen fechten, die Erwachsenen sich positionieren", sagt Weltzien. Für Niklas Diestelkamp, Max Klostermann und Henri Ask ist es auch so schon der bislang wohl schwierigste Tanz ihres Lebens.

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