Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Gedanklich schon in der zweiten Liga

  • Der Bundesliga-Letzte 1. FC Nürnberg trennt sich sowohl von Sportvorstand Andreas Bornemann als auch von Trainer Michael Köllner.
  • Interimstrainer Boris Schommers, bislang Assistenzcoach, und Marek Mintal, Vereinslegende und Nachwuchstrainer, ersetzen Köllner.
  • Thomas Grethlein, der Aufsichtsratsvorsitzende, spricht von einer "minimalen Chance", den Klassenverbleib noch zu schaffen - aber auch über das Szenario eines Abstiegs in die zweite Liga.

Von Sebastian Fischer, Nürnberg

Hanno Behrens hatte es wahrscheinlich schon geahnt. Es war die Nacht zum Dienstag, als der Mannschaftskapitän des 1. FC Nürnberg einen Anruf erhielt. Am anderen Ende der Leitung sprach Thomas Grethlein, der Aufsichtsratsvorsitzende, der am Morgen danach von dieser Begebenheit erzählen sollte: Er berichtete Behrens, bevor es die Öffentlichkeit erfuhr, dass sich der Tabellenletzte der Bundesliga von Sportvorstand Andreas Bornemann und Trainer Michael Köllner trennt. "Hanno", sagte Grethlein, "hat gesagt, dass es im Profigeschäft so ist." Ganz einfach. Dabei wollten sie es in Nürnberg doch eigentlich mal ganz anders versuchen.

Die Szenen, die sich am Dienstagmorgen in der Geschäftsstelle am Valznerweiher abspielten, waren solche, wie man sie erwartet von einem traditionsreichen Fußballunternehmen, das in der sportlichen Krise ins Chaotische driftet. Eine Gruppe älterer Fans hatte sich eingefunden, um grummelnd und schimpfend die Beurlaubung Bornemanns zu diskutieren, die der Club in einer um 0.35 Uhr versandten Mitteilung bekanntgegeben hatte. Und um kurz nach elf Uhr betrat Aufsichtsratschef Grethlein mit gequälter Miene einen vor Zuhörern berstenden Raum, um die zwangsläufige Konsequenz zu verkünden: Auch Trainer Köllner werde im Laufe des Tages beurlaubt. Der Aufsichtsrat werde einen neuen Sportvorstand suchen, der neue Sportvorstand danach einen neuen Trainer. In der Zwischenzeit sollen sich die Interimstrainer Boris Schommers, bislang Assistenzcoach, und Marek Mintal, Vereinslegende und Nachwuchstrainer, daran versuchen, mal wieder ein Spiel zu gewinnen.

Grethlein sprach von Kontinuität und Konsolidierung. Er gab jedoch zu: "Man kann das so sagen, dass wir in der sportlichen Kompetenz einen Kahlschlag haben." Aber: "Wir können nicht immer sagen, wir machen einfach so weiter."

Die Loyalität zu Köllner wurde Bornemann schließlich zum Verhängnis

Nürnberg ist als Aufsteiger und Außenseiter in die Saison gestartet, mit einem Etat von angeblich nur 28 Millionen Euro und dem fast identischen Kader im Vergleich zur zweiten Liga. Zuletzt gewann man 15 Spiele in Serie nicht, schied im Pokal nach einem peinlichen Auftritt beim Hamburger SV aus und verlor jüngst 0:2 beim bisherigen Tabellenletzten Hannover, wofür Bornemann fast ausschließlich den Schiedsrichter verantwortlich machte. Der Trainer, sagte er, stehe nicht infrage.

"Es zeugt nicht von Größe, wenn ich permanent auf die widrigen Umstände deute", sagte Grethlein. Der Aufsichtsrat sei sich schon in einer ersten Sitzung am Sonntag einig geworden, Köllner entlassen zu wollen. Doch das ist die Aufgabe des Sportvorstands. Und Bornemann weigerte sich, gegen seine Überzeugung zu handeln. "Das nötigt uns Respekt ab", sagte Grethlein. Entlassen haben sie ihn dann trotzdem.

Der frühere Bundesligaprofi und Manager in Freiburg, Kiel und Aachen war seit 2015 in Nürnberg. Als Nachfolger von Martin Bader trieb er die wirtschaftliche Gesundung des damals hoch verschuldeten Vereins voran, wie Grethlein lobte. Bornemann beförderte Köllner 2017 zum Cheftrainer, was mit dem überraschenden Aufstieg belohnt wurde. Dass er im Winter weitgehend auf Nachverpflichtungen verzichtete, war in Nürnberg jedoch bereits umstritten. Und seine Loyalität zu Köllner wurde ihm schließlich zum Verhängnis. "Er hat sein Schicksal mit dem des Trainers verbunden", sagte Grethlein.

Um die Handlungsfähigkeit des Vereins zu gewährleisten, wurde Marketingleiter Marcus Rößler übergangsweise zum zweiten Vorstand neben Finanzvorstand Niels Rossow berufen. Der Aufsichtsrat werde Bornemanns Nachfolger "mit aller Sorgfalt", aber unter "Hochdruck" suchen. Dass das Gremium nicht auch gleich einen neuen Trainer sucht, begründete Grethlein so: "Wir können gar nicht beurteilen, wer ein guter Trainer ist."

Fast 40 Minuten hatte er am Ende gesprochen, aber ob er wirklich an sportliche Besserung glaubt, das war nicht so deutlich geworden. Zwar beträgt der Rückstand auf den Relegationsplatz nur drei Punkte, aber man laufe der Musik in der Bundesliga schon hinterher, sagte er und sprach von einer "minimalen Chance", den Klassenverbleib noch zu schaffen, sowie bereits über ein anderes Szenario: "Wir würden stärker in die zweite Liga zurückkehren, als wir sie verlassen haben."

Interimstrainer Schommers, der im Duo mit Mintal die Chefrolle einnehmen wird, soll zwar zuletzt durchaus kontrovers mit Köllner diskutiert haben. Aber ob von einem Assistenztrainer wirklich überraschende Neuerungen zu erwarten sind? "Er ist vom Typus her etwas anders", sagte Grethlein über den gebürtigen Leverkusener, der vor seinem Wechsel nach Nürnberg im Sommer 2017 als Jugendtrainer beim 1. FC Köln arbeitete. Einerseits gibt es in Torjäger Mikael Ishak und U 21-Nationalspieler Eduard Löwen durchaus zuletzt vernachlässigte Spieler, die klassischerweise von einem Trainerwechsel profitieren könnten. Andererseits heißt der nächste Gegner am Montagabend Borussia Dortmund.

Ebenso wichtig wie die Hoffnung auf den Klassenverbleib schien dem Aufsichtsrat das öffentliche Bild des Clubs zu sein. Die Außendarstellung sei "sehr schlecht", sagte Grethlein. Und so ging es auf Nachfrage auch darum, die Professionalität zu wahren. Was es zu essen gegeben habe für den Aufsichtsrat, wurde Grethlein gefragt. "Käse- und Wurschtplatte", sagte er - nicht ohne zu versichern, dafür keine Mittel des auf Sparsamkeit bedachten Vereins verwendet zu haben.

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SZ vom 13.02.2019/chge
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