Süddeutsche Zeitung

FCA siegt:Nostalgische Gefühle

Der FC Augsburg gewinnt zuhause gegen Eintracht Frankfurt und zeigt dabei vor allem in der ersten Halbzeit den Fußball, mit dem er einst so erfolgreich war.

Von Thomas Hürner, Augsburg

Für einen kurzen Moment vergaß das Publikum in der Augsburger Arena den selbst auferlegten Arbeitsauftrag des Tages. Der Verteidiger Martin Hinteregger führte den Ball am Fuß, aber für das obligatorische und laute Pfeifkonzert war jetzt schlichtweg keine Zeit, weil die Zuschauer gerade mit etwas von noch höherer Bedeutung beschäftigt waren. Sie bejubelten stattdessen den Führungstreffer durch Marco Richter (36. Minute), und das taten die FCA-Fans sehr lange und ziemlich euphorisiert. Wenn man so will, dann wurde Hinteregger das erste und einzige Mal an diesem Nachmittag mit Ignoranz gestraft.

Der Österreicher kehrte zum ersten Mal als Spieler von Eintracht Frankfurt in die Fuggerstadt zurück, nachdem er sich - so empfinden das zumindest die Anhänger des FCA - im vergangenen Winter nach Frankfurt ekelte, indem er den damaligen Trainer Manuel Baum öffentlich diskreditierte. Hintereggers Bilanz gegen seinen ehemaligen Verein dürfte hingegen ganz nach dem Geschmack der Augsburger Anhänger sein: Zu einer Heimniederlage aus der vergangenen Rückrunde, übrigens das erste Spiel des damals neuen FCA-Trainers Martin Schmidt, kam am Samstagnachmittag eine weitere hinzu: Augsburg gewann 2:1, neben Richter traf auch Stürmer Florian Niederlechner für den FCA (43.). Das Tor für Frankfurt erzielte Gonçalo Paciência (73.).

Ein "knappes Ding", befand der Augsburger Verteidiger Felix Uduokhai hinterher. Der erste FCA-Sieg der Saison war für ihn nicht nur "sehr, sehr wichtig", sondern "am Ende auch verdient." Diese Einschätzung entsprach auch dem allgemeinen Tenor, der nach der Partie von Verantwortlichen beider Mannschaften zu entnehmen war.

Schmidts Plan mit der Doppelspitze geht auf

Bei langjährigen Besuchern der Augsburger Arena dürften sich vor allem beim Anblick der ersten Hälfte nostalgische Gefühle aufgetan haben. Sie sahen von ihrer Mannschaft jenen Fußball, der eigentlich als Markenkern des FCA gilt und zuletzt ein wenig abhanden gekommen zu sein schien: schnelle Konter, zielstrebiges Flügelspiel, konzentriertes und leidenschaftliches Verteidigen im Verbund. "So stellen wir uns das hier vor", sagte Schmidt. Und seine Spieler benötigten gerade einmal 35 Sekunden, um ihren Fans einen kleinen Vorgeschmack davon zu präsentieren: Der Ball war nach dem Anpfiff gerade ein paar Stationen durch die eigenen Reihen gelaufen, da wurde Vargas mit einem Steilpass die linke Flanke entlang geschickt, der Schweizer legte im Sechzehner klug nach halbrechts zu Stürmer Florian Niederlechner, welcher völlig frei aus rund neun Metern abschließen konnte - Eintracht-Torwart Kevin Trapp verhinderte aber den frühen Rückstand. "Zu viel Zeit zum Überlegen" habe er gehabt, sagte Niederlechner, der gemeinsam mit Alfred Finnbogason die Doppelspitze in einem 4-4-2 System bildete.

Ein taktischer Kniff des Trainers Schmidt, der einen besonderen Druck auf die Frankfurter Defensive entfalten sollte. Die beiden Stürmer, erklärte Schmidt später, sollten die Dreierkette der Eintracht "im Zentrum binden, damit die Außenspieler durchstoßen können" - und genau das funktionierte in der ersten Hälfte immer wieder vorzüglich. Die Frankfurter versuchten zwar mit viel Ballbesitz Druck auf die Augsburger auszuüben, taten sich gegen deren kompakte Defensive jedoch schwer im Kreieren von Möglichkeiten. Die beste Chance hatte Stürmer Paciência, sein Schuss prallte in der 14. Minute jedoch an den Außenpfosten. Die Augsburger schienen sich äußerst wohl zu fühlen in dieser eher gefahrlosen Umklammerung des Gegners, da man so die eigenen Attacken mit Bedacht vorbereiten konnte. An der ersten großen Chance seit dem Überfallkommando in der ersten Minute hatte dann ausgerechnet Hinteregger einen gehörigen Anteil, weil der Österreicher zunächst eine Flanke unterschätzte und Richter so in eine aussichtsreiche Abschlussposition brachte. Trapp konnte parieren, wäre beim darauffolgenden Schuss von Finnbogason aber machtlos gewesen - doch Hinteregger klärte den Ball kurz vor der Linie (33.).

Wenig später folgte jener Moment, der die an den Österreicher gerichteten Schmähungen kurz verstummen ließ: Finnbogason gewann nach einer Flanke das Kopfballduell gegen Hinteregger und der Ball landete bei Richter, der mit einem Volleyschuss die Führung erzielte. Ein zweifelsohne schöner Treffer, der jedoch ein wenig verblasst hinter der Art und Weise, mit der Niederlechner traf: Ein Antritt aus dem Halbfeld, ein wuchtiger Schlenzer aus rund 20 Metern ins obere Eck - keine Chance für Trapp. Niederlechner erzählte, dass er so etwas zwar häufig im Training übe. Aber: "Es passiert mir wohl so schnell nicht wieder, dass der so reingeht."

In der zweiten Hälfte erhöhte Frankfurt den Druck, Eintracht-Trainer Adi Hütter brachte in Bas Dost einen kantigen Angreifer und erhöhte damit das Risiko. Die Augsburger wirkten nicht unbeeindruckt davon und stellten in der Folge die eigenen Offensivbemühungen weitgehend ein. "Wir haben keine einzige Chance mehr zugelassen", sagte Hütter. Allerdings hat die Eintracht auch nur einen weiteren Treffer erzielt, den Anschluss stellte Paciência in der 73. Minute nach einer Vorarbeit von Kohr her. Die Eintracht rannte an, warf noch mal alles nach vorne - aber Augsburg verteidigte aufmerksam. "Wir haben zwei sehr verschiedene Halbzeiten gesehen", sagte FCA-Trainer Schmidt, was nicht unbedingt dem Matchplan entsprochen habe, angesichts der Qualität des Gegners aber eben auch nicht zu vermeiden gewesen sei. Viel wichtiger sei ohnehin: "Der Funke ist gesprungen, das Feuer ist entfacht." Und die Rückkehr des Martin Hinteregger war hiermit längst vergessen.

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SZ vom 15.09.2019
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