FC Villarreal:Sansone trifft häufiger als Neymar

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Ausdauernd, schnell, dribbelstark, torgefährlich: Der Stil von Nicola Sansone (rechts) passt insofern zu dem seines neuen Arbeitgebers, als sie in Villarreal feine Füße zu schätzen wissen.

(Foto: imago)

Warum wurde der Stürmer des FC Villarreal einst beim FC Bayern verkannt? Weil er selbst schuld war, sagt Sansone heute. Als er München verließ, ging es aufwärts.

Von Christopher Gerards

An den Tag, an dem er fast Bundesligaspieler geworden wäre, erinnert sich Nicola Sansone immer noch gut, auch nach sechs Jahren. Es war der 29. Oktober 2010, der FC Bayern empfing den SC Freiburg. Sansone weiß noch, dass Bayerns Trainer damals Louis van Gaal war, er kriegt sogar die Namen aller Ersatzspieler zusammen: Ivica Olic, Edson Braafheid, Daniel Van Buyten und Thomas Kraft. Es ist ein schönes Spezialwissen, über das Sansone verfügt, und er verdankt es der Tatsache, dass auf der Bank des FC Bayern ein weiterer Spieler saß. Nämlich er selbst.

Sein Verhältnis zu Trainer Gerland war schwierig

Aus guter Position sah Sansone, damals 19 Jahre alt, einen 4:2-Sieg der Bayern. Er sah, wie Van Buyten eingewechselt wurde, später folgte Braafheid. Sansone blieb auf der Bank, und er wurde kein Bundesligaspieler.

Es ist keine Schande, nie für die Profis des FC Bayern gespielt zu haben, es ist nicht mal eine Schande, nie in der Bundesliga angetreten zu sein. Der Stürmer Nicola Sansone, 25, geboren in München, ehemals Amateurspieler des FC Bayern, kann selbstbewusst mit dieser Lücke im Lebenslauf umgehen. Aus ihm ist kein Bundesliga-Spieler geworden. Aber seit August spielt er in Spaniens erster Liga, und er kann jetzt Praxiserfahrungen vorweisen, die sogar besser klingen als eine Einwechslung gegen Freiburg: ein Wechsel für 13 Millionen Euro vom US Sassuolo zum FC Villarreal. Sechs Saisonspiele und vier Tore, so viele wie Messi. Zudem ein Einsatz in der Europa League, an diesem Donnerstag (19 Uhr) folgt gegen Steaua Bukarest der nächste.

Der FC Bayern hat in den vergangenen Jahren Spieler geformt, die die Champions League gewannen oder Weltmeister wurden oder auch beides: Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller, Holger Badstuber, David Alaba. Die Schatten dieser Namen sind so groß, dass andere Talente, deren Karrieren nicht gar so steil verliefen, relativ unbekannt blieben. Sansone ist so ein Spieler. Er ist einer der unbekanntesten Erfolge in Bayerns Jugendarbeit.

"Es war ein bisschen auch meine Schuld"

"Ich war schon sehr nah dran am Profi-Kader", ruft Sansone ins Telefon, er fährt gerade vom Training nach Hause. Er sagt "frägt" und "des und des", wenn er spricht, verrät er, wo seine Karriere begann: in München. Neun Jahre spielte er bei Bayern in der Jugend, unter anderem mit Alaba. In seiner ersten A-Jugend-Saison schoss Sansone 16 Tore, er hatte gute Voraussetzungen zum Profi. Wenn man ihn fragt, warum er es beim FC Bayern nicht geschafft hat, sagt er: "Mehrere Sachen."

Torschützenliste der Primera Division

1. Antoine Griezmann (A. Madrid) 5 Tore/5 Spiele

2. Luis Suárez (FC Barcelona) 5/6

3. Lionel Messi (FC Barcelona) 4/5

4. Nicola Sansone (FC Villarreal) 4/6

4. Rubén Castro (Betis Sevilla) 4/6

4. Gerard (Espanyol Barcelona) 4/6

7. Neymar (FC Barcelona) 3/4

7. Tana (UD Las Palmas) 3/4

9. Luciano Vietto (FC Sevilla) 3/5

9. Willian José (San Sebastian) 3/5

Er kämpfte mit Verletzungen in seiner zweiten A-Jugend-Saison, Leistenbruch, Sprunggelenk-OP. Es war die Zeit, in der er mit den Profis hätte trainieren können. Er kam zurück, unter Mehmet Scholl spielte er das erste Mal bei den Amateuren, dritte Liga. In der nächsten Saison berief ihn van Gaal dann gegen Freiburg in den Profi-Kader. "Die Erinnerung werde ich für immer mitnehmen", sagt Sansone, aber er weiß selbst, dass die Spielzeit ansonsten nicht als die beste seiner Karriere durchgeht. Sein Trainer in der Reserve war Hermann Gerland, der Talente wie Schweinsteiger und Müller gefördert hatte. Sansones Verhältnis zu ihm war schwierig. "Es war ein bisschen auch meine Schuld", sagt er, alte Geschichten. Am Ende stieg das Team in die Regionalliga ab, 2011 war das.

Dieser Abstieg hätte Sansones Karriere beenden oder bremsen können. Aber er machte ihn zuallererst mal zu einem Fußballer, der einen Weg wählte, den so auch nicht viele junge deutsche Spieler gewählt haben, die was auf ihr Talent hielten.

Ausdauernd, schnell, dribbelstark, torgefährlich

Sansones Mitspieler wechselten zu Eintracht Frankfurt, Greuther Fürth II oder Alemannia Aachen, sie folgten den gut ausgeleuchteten Schnellwegen mit den Namen U23 und zweite Bundesliga. Die Strecke, die Sansone für seine ersten Profijahre wählte, war eher unerforscht: Sie führte ihn aus München zum FC Parma, Italien. Sein Berater hatte Kontakte, "und da ich Italiener bin, wollte ich immer mal in der Serie A spielen".

Er wurde zunächst verliehen, FC Crotone, Serie B. Er kam zurück, er wechselte zu Sassuolo, und immer schoss er so viele Tore, gab so viele Vorlagen, dass er sich für höhere Aufgaben empfahl. Am 16. Juni 2015 stand er im Kader der italienischen Nationalelf, in der 68. Minute wechselte Antonio Conte ihn ein. Sansone, der Mann, der mit Bayerns Reserve aus der 3. Liga abstieg, war jetzt Nationalspieler.

"Der Nico" habe ganz offenbar den richtigen Weg gewählt, sagt Kurt Niedermayer, 60. Bis 2012 war er A-Jugend-Trainer des FC Bayern, Sansone spielte zwei Jahre bei ihm. Natürlich könne man nicht prognostizieren, ob ein junger Spieler zum Profi reift, das hänge von zu vielen Faktoren ab, sagt Niedermayer. Einerseits. Andererseits sah er, wie Sansone spielte, nämlich auffallend gut: ausdauernd, schnell, dribbelstark, torgefährlich. "High-Speed-Fußball", sagt Niedermayer. Wobei Sansone manchmal sogar so viel High-Speed-Fußball spielte, dass sich ein paar Fehler in sein Spiel einschlichen. Niedermayer sagt, dass es in Sansones Jugend nicht die eine Szene gegeben habe, die alles über ihn als Fußballer und Mensch sagt. Es sei die Summe seiner Auftritte: "Er hat immer hart gearbeitet. Er ist einer, der nie aufgesteckt hat."

Villarreal weiß feine Füße zu schätzen

Sansones Stil passt insofern zu dem seines neuen Arbeitgebers, als sie in Villarreal feine Füße zu schätzen wissen. Beim Vorjahresvierten stürmt er meist mit Alexandre Pato zusammen, der beim AC Mailand mal als der kommende Spieler galt und über ähnlich feine Füße verfügt. Im Mittelfeld läuft in Roberto Soriano aus Darmstadt ein weiterer Spieler aus Bayerns Jugend auf.

Sansone hat sich inzwischen angewöhnt, nicht einfach nur Tore zu schießen, er schießt jetzt vor allem schöne Tore. Am Sonntag traf er gegen Osasuna per Lupfer. Und vor zwei Wochen gegen Real Sociedad hatte er es für eine gute Idee gehalten, aus 52 Metern aufs Tor zu schießen. Und der Ball hatte es für eine gute Idee gehalten, in dasselbe zu fliegen. Sansone hat danach einige Interviews geben müssen, "ein bisschen nervig", aber er weiß, dass ihm das Tor bei der Integration in Spanien geholfen hat. Ihn kennt jetzt nämlich jeder.

Wenn man ihn fragt, ob er sich vorstellen kann, zurück nach Deutschland zu kommen, sagt er: "Am liebsten zu Bayern irgendwann mal, das wäre mein Traum." Die Bundesliga sei jedenfalls "ein Ziel", sagt er. Auf sein erstes Spiel würde er dann vermutlich nicht lange warten müssen.

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