Süddeutsche Zeitung

FC St. Pauli:Fliegender Wechsel am Millerntor

  • Beim FC St. Pauli muss Trainer Olaf Janßen nach nur fünf Monaten gehen.
  • Sein Nachfolger Markus Kauczinski schwärmt vom "Spirit" des Klubs - und glaubt, dass er perfekt zum Zweitligisten passt.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

In den vergangenen Jahren hat der FC St. Pauli mit seiner Personalpolitik häufig überrascht. Als das Team im November 2016 mit nur sechs Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der zweiten Fußball-Bundesliga lag, hat man sich nicht von Trainer Ewald Lienen getrennt, sondern von Sport-Geschäftsleiter Thomas Meggle. Stattdessen wurde damals Lienen in Olaf Janßen ein neuer Assistent zur Seite gestellt. Janßen wurde danach ein großer Anteil daran zugeschrieben, dass der Klub mit der besten Rückrunde der Vereinsgeschichte noch Platz sieben erreichte. Erst danach musste Lienen sein Amt aufgeben - und Janßen wurde zum Cheftrainer befördert.

Nun aber hat Janßen in gut fünf Monaten seinen Bonus wieder verbraucht. Nach sieben Spielen ohne Sieg - zuletzt mit zwei verheerenden Auftritten in Fürth (0:4) und Bielefeld (0:5) - hat der als Mitfavorit in die Saison gestartete FC St. Pauli den Fußballlehrer "freigestellt", wie Sportdirektor Uwe Stöver am Donnerstag sagte.

Kauczinski sagt, er habe andere Angebote abgelehnt

Janßens Nachfolger wurde der Öffentlichkeit noch am selben Tag vorgestellt, während der alte Trainer sich von der Mannschaft verabschiedete: Markus Kauczinski, früherer Coach des Karlsruher SC und des FC Ingolstadt, leitete bereits seine erste Übungseinheit und wird erstmals am Sonntag gegen den MSV Duisburg an der Linie stehen. Stöver hatte Kauczinski, der vor 13 Monaten in Ingolstadt entlassen worden war, nach einer Analyse mit Präsidium und Aufsichtsrat am Montag kontaktiert. Nach "intensiven Gesprächen" befand Kauczinski, 47, dass es "perfekt passt". Er habe einen Verein mit Perspektive und einem gewissen "Spirit" gesucht. Diesen Spirit habe er selbst als Gästetrainer am Hamburger Millerntor erlebt. Andere Angebote habe er zuletzt abgelehnt, sagte der in Gelsenkirchen geborene Trainer.

Wie im Fall von Stöver, der trotz des jüngsten Absturzes auf Rang 14 noch immer daran glaubt, dass das Team wie "acht oder neun Mannschaften vorne mitspielen kann", hat auch Kauczinkis Check ergeben, dass "der Kader gut" ist - trotz verletzungsbedingter Ausfälle von Stammspielern wie Marc Hornschuh, Christopher Buchtmann oder Mats Möller Daehli. Warum man sich für Kauczinski, der seinen alten Assistenten Patrick Westermann mitbringt und einen Vertrag bis 2019 unterschrieb, entschieden habe, erläuterte Stöver so: Der Coach habe bereits in Karlsruhe gezeigt, dass er sich mit schwierigen Situationen auskenne: "Wir sind überzeugt, mit ihm die Trendwende zu schaffen", sagte Stöver, Kauczinski könne "zweite Liga", und er könne "Mannschaften stabilisieren und Talente entwickeln", weil er viel Erfahrung im Nachwuchsbereich habe. Namhafte Profis wie Hakan Calhanoglu, Pascal Groß oder U21-Nationalspieler Kevin Akpoguma hatte er vorangebracht.

Woran Janßen, der im Klub sehr angesehen war und vom früheren Bundestrainer Berti Vogts sogar mal als "außerordentlicher Trainer" geadelt wurde, gescheitert ist? Er hat es zum Beispiel nicht verstanden, die als Topstürmer gehandelten Aziz Bouhaddouz und Sami Allagui zu einem erfolgreichen Duo zusammenzubringen. St. Pauli stellt mit nur 14 Treffern in 16 Spielen den zweitschlechtesten Angriff der Liga. Und je weniger klappte, desto mehr verfiel Janßen in Aktionismus. Kürzlich beorderte er die Profis zu einem Straftraining um 7.30 Uhr. Manche Aufstellung ging schief, ebenso wie sein Vorhaben, neue Ausscheidungskämpfe um die Stammplätze auszurufen, obwohl sieben Spieler verletzt waren. Wie es hieß, wollte er gegen Duisburg auch den Torhüter tauschen - von Robin Himmelmann zu Philipp Heerwagen.

Vielleicht ist Janßens Stärke doch eher die zweite Reihe als Co-Trainer. Auch bei Dynamo Dresden musste er 2014 als Cheftrainer gehen, weil er den Abstieg in Liga drei nicht verhindern konnte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3782454
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.12.2017/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.