FC St. Pauli:Ein Klub, der vieles richtig gemacht hat

FC St. Pauli - Werder Bremen

Ist der FC St. Pauli Kandidat für einen Spitzenplatz? "Nicht übertrieben" findet Trainer Olaf Janßen diese Einschätzung.

(Foto: dpa)
  • Der FC St. Pauli startet an diesem Freitag in Bochum in die neue Zweitligasaison.
  • Der Klub gilt als Kandidat für einen Spitzenplatz - dabei war er nach der vergangenen Hinrunde noch Letzter.
  • Die Art und Weise, wie St. Pauli die Krise moderiert hat, wäre bei kaum einem anderen Klub möglich gewesen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Den ersten Strauß bekam Olaf Janßen, 50, von seinem Vorgänger Ewald Lienen gebunden. Die Arbeit, die er an seiner Seite seit November abgeliefert habe, sei ja "auch ein Grund gewesen" ihn als Cheftrainer des FC St. Pauli zu verpflichten, sagte der nun zum Technischen Direktor beförderte Lienen. Und so ging es weiter mit den Komplimenten für den neuen Coach.

Der aus Freiburg ausgeliehene Mats Möller Daehli gab an, er habe seinen Vertrag auch wegen Janßen verlängert. Präsident Oke Göttlich fand, Janßen habe "eine Ausstrahlung und Präsenz, die vereinnahmend" sei. Selbst aus der Ferne gab es Beifall. Berti Vogts, bei dem Janßen Assistent beim Nationalteam Aserbaidschans gewesen war, sagte der Morgenpost: "Olaf ist ein außergewöhnlicher Trainer, zu dessen Beförderung man St. Pauli nur beglückwünschen kann."

Nun steht der ehemalige Profi des 1. FC Köln und von Eintracht Frankfurt gleich vor seinem ersten Highlight im neuen Job: Der FC St. Pauli bestreitet am Freitagabend um 20.30 Uhr das Eröffnungsspiel der 2. Bundesliga im ausverkauften Ruhrstadion beim VfL Bochum. Das sei "eine Ehre und ein Sahnehäubchen", findet Janßen. Die 1. Bundesliga, die erst drei Wochen später startet, überlässt ihrem Unterbau ja noch komplett die große Bühne. Und womöglich ist diese Partie, die am Ende der vergangenen Saison noch ein Spiel zweier Klubs aus dem Tabellenmittelfeld war (St. Pauli gewann mit 3:1 in Bochum), diesmal ein Duell zweier Teams aus dem erweiterten Favoritenkreis.

Gegenüber den Medien blieb Olaf Janßen als Co-Trainer bewusst eher still

Der VfB Stuttgart und Hannover 96 sind wieder da, wo sie sich daheim fühlen, in der Eliteklasse. Auch deshalb stellt sich Janßen beim Kampf um die ersten drei Plätze auf ein "Hauen und Stechen" vieler fast gleichwertiger Teams ein. Er findet es jedenfalls "nicht übertrieben", dass sein Team von manchem Experten auch als Kandidat für einen Spitzenplatz genannt wird - ebenso wie Union Berlin, Eintracht Braunschweig und die Bundesliga-Absteiger FC Ingolstadt und Darmstadt 98.

Es gibt viele Beobachter, die den Aufschwung des FC St. Pauli, der im November mit sechs Punkten aus 14 Spielen noch abgeschlagener Tabellenletzter war, mit dem Einstieg Janßens in Verbindung bringen. Heraus kam mit 34 Punkten St. Paulis beste Rückrunde der Klubgeschichte und schließlich noch Platz sieben. Nimmt man die Generalprobe, wo Werder Bremen vor mehr als 20 000 Zuschauern am Millerntor hochverdient 2:1 besiegt wurde als Maßstab, scheint sich die Mannschaft noch einmal weiterentwickelt zu haben.

Es wäre der Lohn für den Zusammenhalt in düsteren Zeiten, die noch nicht lange zurückliegen. Welcher Klub hätte Lienen nicht entlassen in fast aussichtsloser Situation? Und nicht jeder Assistent hätte so loyal zum angeschlagenen Chef gehalten wie Janßen. Bis zu seiner Beförderung habe die Öffentlichkeit nur den "halben Janßen" kennengelernt, sagt er. Das heißt: Er war gegenüber den Medien fast so still wie ein Taubstummer, um keine Debatten über seinen Status aufkommen zu lassen. Nur einer musste im November gehen, das war der intern nicht sehr beliebte Sportchef Thomas Meggle. Er wurde von Geschäftsführer Andreas Rettig vertreten. Erst im Oktober gibt Rettig seinen Interimsjob wieder auf. Dann übernimmt Uwe Stöver den Posten des Sportchefs.

Die Lienen-Fans könnten auch zu Janßen-Anhägern werden

Gleichwohl ist es natürlich für Janßen nicht einfach, eine Klubikone wie Lienen zu ersetzen. Der nun zum "Pauli-Botschafter" ernannte Coach hatte sein Verhältnis zu den Fans dadurch unterstrichen, dass er ihnen schon vor dem Anpfiff Beifall klatschte. Janßen möchte seinen Vorgänger, mit dem er sich weiter austauscht, "nicht kopieren", ist aber ebenfalls kommunikativ. Und wenn die Ergebnisse weiterhin stimmen, werden die Lienen-Fans auch zu Janßen-Anhängern. Der verfügt über eine eingespielte Mannschaft, die Kapitän Sören Gonther (nach Dresden) als einziger Stammspieler verließ. Dafür wurden drei Profis hinzugefügt, Sami Allagui von Hertha BSC ist wohl der wichtigste.

Nun kann Janßen mit der nordafrikanischen Doppelspitze Allagui (Tunesien) und Aziz Bouhaddouz (Marokko) auf Torjagd gehen. Gegen Werder gab Allagui seinem zweimal erfolgreichen Sturmpartner gleich eine Vorlage. Bouhaddouz lobt das Zusammenspiel in höchsten Tönen: "Man sieht, dass bei uns keiner egoistisch ist. Jeder gönnt es dem anderen."

Der Zusammenhalt ist nach den schweren Monaten ohnehin gewachsen. Auch der Torwartwechsel wird daran wenig ändern: Janßen hat in dieser Woche den alten Stammkeeper Robin Himmelmann wieder zur Nummer eins gemacht. Der hatte seinen Posten wegen einer Verletzung am 15. Spieltag verloren, sein Vertreter Philipp Heerwagen hatte dann großen Anteil am Klassenverbleib. Heerwagen bleibe "mit seiner Persönlichkeit aber ein ganz wichtiger Spieler", sagt der Chef.

Vor dem ersten Gegner hat Janßen Respekt. Es sei beeindruckend, wie der VfL Bochum nach dem Trainerwechsel von Gertjan Verbeek zu Ismail Atalan "mit Ehrgeiz und Freude spielt" und ein offensives Pressing durchziehe. "Wir werden kräftig durchgeschüttelt", prophezeit Janßen für den Freitagabend. Hält St. Pauli trotzdem stand, dürfte nach einem Jahr Bangen vor der dritten Liga wieder eines anstehen, in dem die erste Liga das Thema sein könnte.

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