FC Sevilla:Tanz den Lopetegui

FC Sevilla: Siegtorschütze Luuk de Jong.

Siegtorschütze Luuk de Jong.

(Foto: Ina Fassbender/AP)

Extrem effizient: Der andalusische Klub ist das leidenschaftlichste Team der Europa League - und erreicht zum sechsten Mal das Endspiel.

Von Milan Pavlovic, Köln

Als Ole Gunnar Solskjaer kurz vor Mitternacht durchs Kölner Stadion schlenderte, trug er einen Rucksack, der zu klein für ihn war. Der Norweger sah wie ein verlegener Schüler aus, der weiß, dass er eine wichtige Prüfung vermasselt hat. In der Tat hatte der Trainer von Manchester United soeben vom FC Sevilla eine schmerzhafte Lehrstunde in Effizienz erhalten. Bei der 1:2 (1:1)-Niederlage im Halbfinale der Europa League waren die Engländer das Team mit deutlich mehr und deutlich besseren Chancen, das aber regelmäßig im entscheidenden Moment scheiterte.

Man sieht so etwas selten in der Ballung wie in den ersten Minuten dieser zweiten Spielhälfte. 46. Minute: Greenwood allein vor dem Tor, Sevillas Keeper Yassine Bounou, Kosename Bono, hält; 49.: Martial allein vor dem Tor, Bono hält; im Nachschuss: Rashford zieht ab, ein Verteidiger rettet; 50.: Martial im Gewühl im Fünfmeterraum, Bono hält; im Nachschuss: Fernandes zieht ab, ein Verteidiger rettet; 53.: Martial allein vor dem Tor, Bono hält; Sekunden später: Martial allein vor dem Tor, Bono hält. Bei der letzten Aktion ertappte man sich bei dem Gedanken, eine Wiederholung zu sehen. Dabei war es ein Déjà-vu.

Sevilla hingegen brauchte für zwei Tore gerade mal drei Chancen, jeweils assistiert von englischen Sekundenschläfern. Das Siegtor des einst in Gladbach als zu leicht befundenen Luuk de Jong (78.) und jeder Befreiungsschlag danach wurden frenetisch gefeiert von der spanischen Entourage: Es waren nicht mehr als 20 Mitglieder im zweiten Rang, die freilich den Lärm einer Tausendschaft entfachten. Die englische Gegenseite verströmte da vielleicht zu viel Contenance, richtig ins Zeug legten sich nur die Ersatzspieler auf der Tribüne, deren markante Eau de Parfums schnell weggeschwitzt waren. Und so verabschiedete sich der letzte Premier-League-Vertreter leise aus dem internationalen Geschäft. "Verlieren ist nicht akzeptabel", grantelte Kapitän Harry Maguire: "Nur ins Halbfinale zu kommen, ist nicht akzeptabel."

Für den einstigen Stürmer Solskjaer war das der richtige Zeitpunkt, um in die Offensive zu gehen. "Wir brauchen einen tieferen Kader", forderte der Trainer. "Ich kann nicht sagen, wann oder ob Transfers getätigt werden, aber wir prüfen das." Beim Dortmunder Sancho haben sie lange geprüft, aber eine neunstellige Ablösesumme (bisher) als zu hoch erachtet. Ohnehin würde der 20-Jährige nicht jenes Jobprofil verkörpern, das dem Coach offiziell vorschwebt: "Wir haben immer noch ein junges Team", im Schnitt "rund drei Jahre jünger als Sevilla", rechnete der Norweger vor. Der reife FC Sevilla hat die Europa League bereits fünfmal gewonnen, von 2014 bis 2016 gar dreimal in Serie, und vielleicht wären mehr Titel hinzugekommen, hätte sich der Klub nicht in die Champions League hochgearbeitet. Das Team könnte im Finale am Freitag (21 Uhr) gegen Inter Mailand (5:0 am Montagabend gegen Schachtjor Donezk) auch etwas für den Ruf seines Trainers tun. Bei Julen Lopetegui denken viele immer noch an 2018, als er kurz vor der WM als Nationaltrainer entlassen wurde, weil er schon bei Real Madrid angeheuert hatte, wo er dann krachend scheiterte.

Gegen ManU tanzte Lopetegui ununterbrochen an der Seitenlinie herum und schrie Anweisungen herein, als wäre er ein Händler auf einem Basar. Ebenso kurios: sein Zusammenspiel mit dem vierten Offiziellen. Immer wenn dieser sich aufmachte, um den übereifrigen Trainer zu maßregeln, machte dieser zwei, drei Schritte zurück in die Coaching Zone - nur um bei nächster Gelegenheit wieder auszubüxen und so den Aufpasser zu provozieren. An diesem intensiven Geisterabend war es die beste Choreografie.

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