FC Sevilla:Selten ein Hinkel

Stuttgarts nächster Champions-League-Gegner, der FC Sevilla, besticht durch seine glänzende Scouting-Abteilung und eine umsichtige Transferpolitik.

Javier Cáceres

Im Büro von Ramón Rodríguez Verdejo hängen einige Bilder an den Wänden, doch nur eines ist größer als die anderen, es zeigt den früheren Torwart und heutigen Manager des FC Sevilla zusammen mit Diego Maradona. "Es erfüllt mich noch immer mit Stolz, mit ihm einmal in einer Mannschaft gestanden zu haben", sagt der Mann, den alle nur "Monchi" nennen.

FC Sevilla: Revanche im Rückspiel? Der VfB Stuttgart und Christian Träsch (links) müssen nach Sevilla.

Revanche im Rückspiel? Der VfB Stuttgart und Christian Träsch (links) müssen nach Sevilla.

(Foto: Foto: Getty)

Es dürfte in Spaniens Fußballszene zurzeit nur wenige Menschen geben, die mit einem solchen Kenntnisreichtum ausgestattet sind, die ein solch klinisches Auge für Personalentscheidungen haben wie Monchi. Seit sechs Jahren ist der FC Sevilla in Europa vertreten, zumeist in der Champions League, nur der FC Barcelona und Real Madrid können dies für sich in Anspruch nehmen. Der Grund? Eine umsichtige Transferpolitik, die aus Sevilla den Meister im An- und Verkauf gemacht haben.

Spieler wie Julio Baptista, Christian Povlsen oder Seydou Keita wurden vom FC Sevilla akquiriert und dann gewinnbringend verkauft; Dani Alves brachte dem Klub gar einen Gewinn von 40,9 Millionen Euro ein. Monchi hatte Alves in Brasilien entdeckt und für 550000 Euro verpflichtet; am Ufer des Guadalquivir gedieh er dann über einen Zeitraum von fünf Jahren zum vielleicht weltbesten rechten Verteidiger. Auch deshalb konnte sich Sevilla im vorigen Sommer leisten, hohe Angebote für Luis Fabiano auszuschlagen, er spielte sich über den FC Sevilla in die brasilianische Nationalelf.

Fehler wie Hinkel

Nicht zuletzt wegen solcher Erfolgsgeschichten ist es in Interviews längst Usus geworden, Zugänge Sevillas danach zu fragen, ob sie denn "das neueste Monchi-Wunder" seien. Aktueller Tipp: der 21-jährige Diego Perotti, ein Flügelstürmer, der vor zwei Jahren in der zweiten argentinischen Liga aufgespürt wurde und bei Sevillas 2:1-Sieg gegen Real Madrid brillierte.

"Aber wir sollten nicht nur von Einkaufserfolgen reden. Geschichten wie die von Mosquera gehören auch dazu", sagt Monchi. Mosquera, kolumbianischer Verteidiger, wurde 2007 für fast fünf Millionen Euro eingekauft und ist in diesem Sommer still und leise nach Mexiko verschwunden - ähnlich wie vor ihm der frühere Stuttgarter Andreas Hinkel nach Glasgow oder wie Khalid Boulahrouz, der am Mittwoch mit dem VfB nach Sevilla zurückkehrt.

Fehler gibt es also auch, aber um die Fehlerquote gering zu halten, beliefern Dutzende Informanten Monchis Nachrichtendienst; eine Zahl, die umso beeindruckender wirkt, weil der Klub vor zehn Jahren keine 30 Angestellten hatte. Damals fing Monchi als Teambetreuer an, stieg nach dem Abstieg Sevillas zum Sportdirektor auf - und legte die Grundlagen für den heutigen Erfolg, zwei Uefa-Cups und einen Pokal hat Sevilla seither errungen.

A-Länder, B-Länder, C-Länder

Für seine Kundschafter hat Monchi die Fußball-Welt in drei Gruppen eingeteilt: die A-Länder (Italien, Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Argentinien, Brasilien), die regelmäßig von einem der fünf hauptamtlichen Scouts beobachtet werden; die B-Länder (ausgewählte Ligen aus dem Rest Europas wie Holland oder Portugal), deren Teams sporadisch beobachtet werden - sowie die C-Länder.

"Dort fungieren die Nationalelf-Trainer quasi als unsere ersten Scouts. Wer es in diesen Ländern nicht bis in die Nationalelf schafft, kann kaum ein Kandidat für uns sein", sagt Monchi. Zu Beginn jeder Woche konferieren die Scouts - und erstellen eine internationale "Elf der Woche", mit den besten Spielern pro Position. In jedem Februar werden die Best-of-Listen ausgewertet und die Bedürfnisse der Elf für die jeweils kommende Saison ausgelotet - und mögliche Zugangskandidaten noch einmal intensiv beobachtet.

Dass man sich dauerhaft hinter Real und Barcelona etabliert, ist Sevillas Traum, aber eine echte Rivalität ist angesichts der Marketing-Möglichkeiten der beiden größten Teams illusorisch. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaffe, meint Monchi, werde es in Spanien Machtverhältnisse "wie in der schottischen Liga" geben. Dem durch Transfers entgegenzuwirken, ist nicht leicht. "Ich sag immer: Zwischen 'Monchi, Du bist der beste Mann' und 'Hau ab' liegen genau vier Spiele."

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