Fußball-Regionalliga Bayern:Die Amateure sind die besseren Profis

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Sogwirkung: Nachdem sich Michael Dellinger (2.v.r.) für Schweinfurt entschied, folgten ihm viele weitere Spieler aus der Region. (Foto: Frank Scheuring/Foto2press/Imago)

Jahrelang hat der FC Schweinfurt 05 versucht, unter professionellen Bedingungen in die dritte Liga aufzusteigen, und ist immer wieder gescheitert. Nun setzt er wieder auf Spieler aus der Region – und steht auf Platz eins. Wie ist das möglich? 

Von Sebastian Leisgang

Manchmal passiert das ja, zum Beispiel in der Sommervorbereitung, wenn der große FC Bayern raus aufs Land fährt und auf einem Fußballplatz aufläuft, der an ein Maisfeld oder einen Kartoffelacker grenzt. Dann werden ein paar Spieler aus der Landesliga zusammengetrommelt, die als eine sogenannte Regionalauswahl antreten und das größte Spiel ihres Lebens 0:16 verlieren.

Das ist also die gute Nachricht für den FC Schweinfurt 05: Die Mannschaft ist zwar auch eine Art Regionalauswahl, hat in dieser Regionalliga-Saison aber noch kein einziges Mal 0:16 verloren – im Gegenteil. Am Freitagabend, beim 2:0 gegen Türkgücü München, gewannen die Unterfranken am achten Spieltag zum siebten Mal. Sie sind Tabellenführer und lassen Markus Wolf jetzt sagen: „Es macht gerade richtig viel Spaß. Die Mannschaft hat einfach einen Lauf.“

Wolf, 56, führt in Schweinfurt die Geschäfte und hat vor gut einem Jahr entschieden, neue Wege einzuschlagen. Er erklärte die Zeiten für beendet, in denen der Klub mit aller Macht versuchte, in die dritte Liga aufzusteigen. Damals war Schweinfurt zeitweise so etwas wie der FC Bayern der Regionalliga, doch fortan, so Wolfs Plan, sollte es von Grund auf anders laufen. Nachhaltigkeit statt Kurzfristigkeit, Spieler aus regionalem Anbau statt Profis aus dem ganzen Land, das war die Idee – und das ist jetzt das Kuriose in Schweinfurt: Nach einem Übergangsjahr sind die Unterfranken als Amateure besser als zuvor als Profis.

„Wenn du als Profimannschaft nur unentschieden spielst, wirst du gleich angezählt“, sagt Wolf

„Da spielt alles zusammen“, sagt Wolf zu den Gründen, „wenn du als Profimannschaft nur unentschieden spielst, wirst du gleich angezählt. Jetzt haben wir überhaupt keinen Druck, weil wir eine Amateurtruppe sind. Und wir haben ehemalige Schweinfurter zurückgeholt, Jungs, die teilweise schon in der Jugend bei uns zusammengespielt haben. Das ist auch das Geheimnis – dieses Wir-Gefühl.“

Wenn Wolf über die Nullfünfer spricht, spricht er von der „FC-Familie“. Das ist zwar ein ziemlich strapazierter Begriff im Fußball, doch in Schweinfurt trifft er gerade tatsächlich zu. „Wenn 80 Prozent der Spieler von außerhalb kommen, ist es ihnen nicht ganz so wichtig, wie es dem Verein geht. Das ist anders, wenn 80 Prozent Schweinfurter sind“, sagt Wolf. Er will das nicht als Vorwurf an frühere Mannschaften verstanden wissen, aber die letzten Prozente, die in knappen Spielen den Unterschied ausmachen, die holt das jetzige Team eben auch deshalb aus sich heraus, weil ihm der Klub tatsächlich etwas bedeutet.

Identifikation kann Kräfte freisetzen. Sie könnte die Spieler auch hemmen, wenn zu viel aus dem Umfeld auf sie einprasselt, doch gerade ist es eher so, dass die Verbundenheit sie beflügelt. Auch bei den Fans kommt es an, dass die Spieler derart verwurzelt sind. „Die Jungs kommen jetzt ja aus denselben Orten wie sie“, sagt Wolf und erinnert sich, dass es auch andere Zeiten gab. Als Schweinfurt noch unter professionellen Bedingungen arbeitete, gab es immer wieder Geraune auf den Rängen, weil einige der besten Spieler aus der Region nicht im Sachs-Stadion spielten, sondern draußen auf dem Land, in Aubstadt. In Schweinfurt war für sie zu dieser Zeit kein Platz, weil der Klub damals eine andere Strategie verfolgte, und drüben, im Grabfeld, da erregte Aubstadt ganz schön Aufsehen in der Regionalliga.

Gemessen an den überschaubaren Mitteln, wuchs der Dorfverein regelrecht über sich hinaus, doch dann kam Schweinfurt auch zugute, dass dem kleinen Nachbarn natürliche Grenzen gesetzt sind. Die dritte Liga ist für Aubstadt nicht zu stemmen, und so kamen unter anderem auch deshalb, weil sich im Grabfeld nicht nach Höherem streben lässt, gleich vier Spieler in diesem Sommer von dort nach Schweinfurt: Martin Thomann, Leonard Langhans, Patrick Hofmann und Michael Dellinger.

Auch Wacker Burghausen, der FC Bayern II und der FV Illertissen haben einen exzellenten Saisonstart hingelegt

Auch Joshua Endres und Victor Kleinhenz, der neue Trainer, haben eine Vergangenheit in Aubstadt und tragen dazu bei, dass die Schweinfurter eine Art Regionalauswahl sind. Dabei war Dellinger ein Zugpferd. Als sich der Mittelstürmer für einen Wechsel nach Schweinfurt entschied, sprang der Funke auf die anderen über. Und jetzt, da sie im Sachs-Stadion spielen, brennen sie für den FC 05. „Alle haben Bock, für die Region was zu erreichen“, sagt Wolf.

Das Wort Aufstieg nimmt der Schweinfurter Geschäftsführer im Laufe des Gesprächs zwar kein einziges Mal in den Mund, doch auch er weiß, dass der Meister in dieser Saison aufsteigt und keine Entscheidungsspiele mehr bestreiten muss. Die Nullfünfer haben also eine große Chance, doch die Konkurrenz hat es in sich. Auch Wacker Burghausen, der FC Bayern II und der FV Illertissen haben einen exzellenten Saisonstart hingelegt. Nur die Würzburger Kickers humpeln, als Topfavorit und mit Profis, nach dem Scheitern in den Aufstiegsspielen gegen Hannover 96 II den Erwartungen hinterher.

Das, was in Würzburg gerade geschieht, erinnert ein wenig an die Schweinfurter von vor einigen Jahren. Auch sie hatten mehrere vergebliche Anläufe unter Profibedingungen auf die dritte Liga genommen, und irgendwann, als sie schon wieder gescheitert waren, da ging es nicht mehr. Bei Wolf, der ja nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Geldgeber ist, musste die Vernunft siegen. Er kürzte sein Engagement als Sponsor und richtete den Verein als Amateurklub aus. Und jetzt, da die Kickers ihren eigenen Ambitionen hinterherhecheln, da steht auf einmal die Regionalauswahl auf der Sonnenseite: Schweinfurt 05.

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