FC Schalke nach dem Rangnick-Rücktritt:Büskens? Gross? Flick? Fink?

Nur zwei Dinge scheinen derzeit auf Schalke nach dem Rücktritt Ralf Rangnicks sicher zu sein: Otto Rehhagel kommt nicht - und Interimslösung Seppo Eichkorn wird nicht Trainer bleiben. Die Mühen bei der Suche nach einem geeigneten Übungsleiter zeigen, wie unvorbereitet und hart den Verein Rangnicks Entscheidung trifft.

Milan Pavlovic

Der 20. März 2011 war ein schöner Vorfrühlingstag, die Stimmung in der Leverkusener Arena war prächtig. Selbst die Schalker Gäste ließen sich keinen Ärger über die 0:2-Niederlage anmerken, auch wenn die Fußballer schrecklich spielten, wirkten sie befreit. Schließlich war dies die erste Partie der Post-Magath-Phase.

Medien: Rangnick tritt zurueck

Gemeinhin gleichmütig, manchmal herrisch im Umgangston: Seppo Eichkorn (links) übernimmt bei Schalke 04 erst einmal für Ralf Rangnick.

(Foto: dapd)

Nur eine Sache kam nicht so gut an. Es geschah, als Jupp Heynckes, damals noch Trainer des Werksklubs, während des Spiels ein Ball vor die Füße fiel. Der ehemalige Stürmer jonglierte ihn technisch versiert ein paar Augenblicke lang auf dem Fuß. Das war lediglich ein Zeichen von Heynckes' Gelöstheit, aber es hatte auch etwas Demütigendes. Auf der Schalker Bank nahm das Interimstrainer Seppo Eichkorn mit amüsierter Miene zur Kenntnis. Es fehlte nur noch, dass er applaudierte. Und das, fanden etliche Beobachter, ging dann doch ein wenig zu weit mit der Selbstaufgabe der Gelsenkirchener.

Eichkorn konnte das egal sein. Erstens hatte er sich nach zehn Jahren von Magath emanzipiert, für den er in Stuttgart, München, Wolfsburg und Schalke den Co-Trainer gegeben hatte; zweitens war er beim Trainerwechsel als einer von ganz wenigen aus Magaths etwa 1500-köpfigem Stab verschont worden; und drittens war der Mann, den kaum jemand in einer anderen Kluft als dem funktionalen Trainingsanzug gesehen hatte, schon am Tag danach wieder im zweiten Glied: als Co-Trainer von Ralf Rangnick.

An diesem Samstag, ziemlich genau ein halbes Jahr später, wird Seppo Eichkorn wieder als verantwortlicher Trainer auf der Schalker Bank sitzen. Gegen den SC Freiburg wird es die erste Partie der Post-Rangnick-Phase geben, und wer sonst sollte jetzt die Kommandos geben als Eichkorn? Erfreut darüber wirkte der Badener wenige Tage nach seinem 55. Geburtstag nicht.

Nach dem Amtsende von Rangnick, der am Donnerstag wegen eines akuten Erschöpfungssyndroms seine Tätigkeit bei Schalke 04 aufgab, reagierte Eichkorn ehrlich bestürzt, als er vom Abschied des Vorgesetzten berichtete. "Es war ein regelrechter Schock", sagte er. "So etwas habe ich noch nie erlebt. Ralf Rangnick hat vor der Mannschaft gesagt, dass er keine Kraft mehr habe, ihr das zu geben, was sie braucht. In der Kabine war es sehr emotional."

Die Lage könnte sich nicht deutlicher von jener im März unterscheiden. Noch weiß niemand, wie oder mit wem es wann bei Schalke weitergeht. Bei nahenden oder vollzogenen Trainerwechseln wurde oft die Formulierung "Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht" benutzt, obwohl hinter den Kulissen längst alles eingeleitet oder beschlossen worden war. In diesem Fall jedoch entspricht die Floskel vielleicht der Wahrheit. Als "nicht erkennbar" beschrieb Schalkes Manager Horst Heldt die Demission jenes Trainers, mit dem der Klub den Umbruch einleiten wollte. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies brachte es auf den Punkt: "Für den Klub ist das eine bittere Entwicklung, da wir uns in einer Phase befinden, in der alle im Klub an einem Strang ziehen und es Schritt für Schritt in die richtige Richtung geht."

Ein paar Flüchttüren für Büskens

Die Tatsache, dass nach der nun anstehenden Woche mit drei wichtigen Pflichtspielen - Bundesliga gegen Freiburg und in Hamburg sowie Europa League gegen Maccabi Haifa - eine Länderspielpause von gut zwei Wochen ansteht, verschaffe den Handelnden "ein bisschen Zeit", sagte Heldt. Die turnusmäßige Aufsichtsratssitzung wenige Stunden nach Rangnicks Rücktritt brachte keine verkündenswerten Erkenntnisse. Rangnick habe es "nicht verdient", sagte Horst Heldt, "dass wir uns an diesem Tag zu irgendwelchen Kandidaten äußern."

Das ist nobel, aber das Problem könnte auch darin liegen, dass es so wenige ernsthafte Kandidaten gibt. Zieht man auf dem Markt mal jene arbeitslosen Übungsleiter ab, die per se nicht in Frage kommen (von Neururer über Lienen bis zu Röber), dann bleibt eine Auswahl, die an eine Ernte auf verdörrtem Land erinnert, auf dem derzeit obendrein auch der Hamburger SV nichts unversucht lässt. Christian Gross, den Heldt im Spätherbst 2009 zum VfB Stuttgart holte? Eher nicht, denn der Schweizer hatte Heldt nach nicht einmal einem Jahr schwer brüskiert. Huub Stevens, der schon einmal fast sechs Jahre bei Schalke überdauert hat? Gilt als knorrig und gestrig und hat sich obendrein penetrant beim HSV ins Gespräch gebracht. Vom Boulevard in die Runde geworfen wurden auch ein paar Namen aus der F-Fraktion (Flick, Foda, Fink), aber auch hier handelt es sich erst einmal nur um Spekulationen.

Am einleuchtendsten wäre die Verpflichtung von Mike Büskens, 43, der 17 Jahre lang auf Schalke war - erst als Spieler, später zweimal als Interimstrainer - und 2009 von Magath fortgeschickt wurde. Büskens' Familie wohnt immer noch in Gelsenkirchen, er hat als Coach in Fürth weitere Fortschritte gemacht und in Helmut Hack einen verständnisvollen Präsidenten, der schon mal Trainer zu namhafteren Klubs ziehen lässt, wie Bruno Labbadia zu Leverkusen.

Dennoch hat Büskens, um jede Spekulation im Keim zu ersticken, sofort gesagt: "Die Frage nach dem Trainer-Job auf Schalke stellt sich für mich nicht." In diesem Satz ließen sich ein paar Fluchttüren finden, genau wie in der Aussage vom Freitag, "in knapp 48 Stunden haben wir ein ganz wichtiges Spiel. Und darauf liegt mein Fokus". Es darf freilich nicht unterschätzt werden, dass Büskens derzeit mit Greuther Fürth an der Spitze der zweiten Liga steht.

Nur zwei Dinge scheinen derzeit sicher zu sein: Otto Rehhagel, im März vor einem Kurz-Engagement bei Schalke, kommt nicht; und: Eichkorn wird nicht Trainer bleiben. Es ist sogar fraglich, ob er Co-Trainer bleibt. Sein Ton gilt als herrisch, wie es sich für einen Magath-Gehilfen gehört, und die Tatsache, dass er bei den Spielern beliebter sein soll als früher Magaths anderer Assistent Bernd Hollerbach, sagt weniger etwas über Eichkorn aus als über Hollerbach.

An diesem Samstag sollte Eichkorn in jedem Fall mehr Engagement zeigen als noch im März. Wenn er Glück hat, erledigen seine Spieler die Arbeit für ihn. Christoph Metzelder kündigte an: "Wir wollen gegen Freiburg gewinnen, und der Sieg soll die Handschrift von Ralf Rangnick tragen." Der 24. September soll übrigens ein schöner Herbsttag werden.

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