FC Schalke 04:Rote Zahlen zur Unzeit

Bundesliga - Schalke 04 v FC Augsburg

Abschied auf Zeit: Auch in Gelsenkirchen ruht der Betrieb.

(Foto: Leon Kuegeler/Reuters)
  • Das Geschäftsjahr 2019 lief für Schalke 04 nicht besonders gut. Zudem drücken den Klub immer noch Schulden.
  • Nun trifft die Coronakrise die Bundesliga. Wenn von Vereinen die Rede ist, die in Schwierigkeiten kommen könnten, fällt in der Branche auch der Name Schalke 04.
  • Die Stimmung ist sorgenvoll. Doch Finanzvorstand Peter Peters sagt, sobald es in der Liga weitergehe, sei "die Lage wieder beherrschbar".

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Katastrophenstimmung ist man bei Schalke 04 gewohnt. In seiner 116-jährigen Geschichte hat der Klub etliche existenzielle Krisen durchgemacht, die er auf manchmal mysteriöse Weise meisterte. Den drohenden Konkurs nach den verschwenderischen Jahren mit Präsident Günter Eichberg wendete 1993 Manager Rudi Assauer durch einen Gang zum DFB ab. Was er in Frankfurt aushandelte, bis der Verband doch noch die Lizenz erteilte, das werde er niemals verraten und mit ins Grab nehmen, erklärte Assauer später - und hielt Wort. Als Felix Magath 2009 nach Gelsenkirchen kam, musste er feststellen, dass er den VfL Wolfsburg, mit dem er soeben Meister geworden war, für einen Klub am Rande der Zahlungsunfähigkeit verlassen hatte. 250 Millionen Euro Schulden lasteten auf dem Betrieb, nachdem der Jahresumsatz um 15 Prozent zurückgegangen war. Die Stadt Gelsenkirchen sicherte die Liquidität durch eine Beteiligung am Stadion.

Jetzt ist eine Krise ausgebrochen, die nach Aussage von DFL-Chef Christian Seifert den Fortbestand etlicher Profiklubs gefährdet, und wenn es nach den Einschätzungen von Branchenangehörigen geht, dann steckt außer etlichen akut bedrohten Zweitligisten auch der FC Schalke 04 mittendrin in der kritischen Menge. Der Klub zahle den Spielern hohe Gehälter und müsse obendrein seine Schulden bedienen, so erzählen Funktionäre anderer Vereine. Solche Meinungen beruhen einerseits auf gewohnheitsmäßiger Nachrede - und andererseits auf plausiblen Indizien.

Den Bilanzzahlen zufolge, die Schalkes Finanzvorstand Peter Peters nun präsentierte, kommt der aktuell verordnete Stillstand des Spielbetriebs tatsächlich zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Im Geschäftsjahr 2019 ging der Umsatz des FC Schalke 04 e. V. um fast 75 Millionen Euro zurück, der Verein und seine Gesellschaften erwirtschafteten einen Fehlbetrag von 26 Millionen Euro - im Vorjahr hatte es noch ein Plus von 40,5 Millionen Euro gegeben. Die Nettoverbindlichkeiten konnten zwar gesenkt werden, liegen aber immer noch bei 118,7 Millionen Euro.

Peters wirkte allerdings nicht besonders alarmiert, als er den Bericht vorstellte. Die Zahlen interpretiert er nicht als dramatischen Einbruch, sondern als einkalkulierte Konsequenz eines sportlich miserablen Vorjahres "mit Abstiegskampf, Rettung kurz vor Schluss und ganz vielen Veränderungen" in der Führungsetage. Tatsächlich fiel der Umsatz mangels Europacup und Transfererlösen um fast 20 Prozent geringer aus, aber er ist mit 275 Millionen Euro immer noch der zweithöchste der Klubgeschichte. Auch ohne Europacup sei "die finanzielle Stabilität gewährleistet", so Peters, das operative Geschäft sei im Kern "sehr robust". Für das laufende Jahr rechnet Schalke mit einem weiteren Minus "im niedrigen zweistelligen Millionenbereich". Das eventuelle Erreichen des Europacups ist in die Rechnung nicht einbezogen, derzeit ist Schalke Sechster und wäre virtueller Europa-League-Starter.

Die Stimmung sei "nachdenklich und sorgenvoll"

Allerdings setzt die Prognose eine "grundsätzlich stabile wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa" voraus, was absehbar nicht der Fall sein wird. Peters musste sich deshalb fragen lassen, ob auch Schalke in Lebensgefahr geraten könnte? "Es ist doch relativ einfach", erwiderte er: "Wir machen nichts anderes als Fußballspiele, und wenn wir das nicht mehr tun können, wird es existenzbedrohend." Wie lange der Verein mit 600 Angestellten den Wegfall der Geschäftsgrundlage verkrafte, hänge von vielen Punkten ab, "die ich nicht beschreiben möchte, weil das nur Unruhe schafft". Sobald man absehen könne, dass es irgendwie in der Liga weitergehe, sei "die Lage wieder beherrschbar". Dann könne man mit den einkalkulierten TV-Einnahmen und anteilsmäßigen Sponsoring-Erträgen rechnen. Einstweilen sei die Stimmung der Mitarbeiter im Haus "nachdenklich und sorgenvoll".

Schalke ist womöglich besser dran als zum Beispiel Werder Bremen, das außer vom Abstieg in gewisser Weise auch vom Klassenerhalt bedroht ist, weil damit Zahlungsverpflichtungen aktiv werden wie die Übernahme des in Hoffenheim geliehenen Leonardo Bittencourt für sieben Millionen Euro oder von Verteidiger Ömer Toprak (6,5 Millionen / Borussia Dortmund). Generell jedoch hat der sportliche Trend in den vergangenen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der Königsblauen strapaziert.

Schon im Winter guckte Schalke bei Transfers zu

Die Rede ist nicht mehr von Klubs wie Bayern München, Dortmund, RB Leipzig oder Bayer Leverkusen, die finanziell davongelaufen sind, sondern von grundsoliden Kontrahenten wie Borussia Mönchengladbach, Wolfsburg oder der TSG Hoffenheim, die sich vor der Krise nur bedingt fürchten müssen. Die TSG 1899 etwa hat aus den Transfers der vergangenen Jahre einen Überschuss von 60 Millionen Euro erwirtschaftet. Als der Klub im Winter in Sevilla den Stürmer Munas Dabbur für zwölf Millionen kaufte, schaute Schalke neidisch zu. Einen Transfer dieser Dimension hätte man sich nicht erlauben können.

Dass sich der Verein womöglich ein wenig verausgabt hat, als er auf dem Gelände großflächige Um- und Neubauten veranlasste, wies Peters zurück. 25 Millionen Euro sind bereits verbaut, weitere Abschnitte folgen. Besonders die Nachwuchsarbeit soll von den Investitionen profitieren, die Initiative dazu ging vom früheren Sportvorstand Christian Heidel aus. Dies sei "keine Belastung, sondern eine Notwendigkeit" gewesen, sagte Peters, "so konnte es mit der Knappenschmiede nicht weitergehen - und ihre Bedeutung für Schalke ist ja bekannt". Die Nachwuchsförderung zu stärken, habe "mehr Sinn, als alles auf Rot - sprich: einen Spielerkauf - zu setzen".

Ein bezeichnend ehrlicher Satz: Auch ohne die Neubauten wäre das Geld weg und stünde keineswegs als Reserve für die gegenwärtige Misere bereit.

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